Rechtsgeschichte als Geschichte von Normativitätswissen?

[Legal History as the History of Normative Knowledge?]

Thomas Duve Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, Frankfurt am Main sekduve@lhlt.mpg.de

Rechtswissenschaft und historische Wissenschaften beschäftigen sich seit einiger Zeit – wieder – intensiv mit »Wissen«. Auch die Rechtsgeschichte hatte sich in den 90er Jahren unter dem Eindruck der Diskussionen um die »Wissensgesellschaft«, der Sache nach aber auch schon viel früher, historischen Wissenskulturen, historischen Wissensordnungen, der Regulierung von Wissen, der Bedeutung von Wissen historischer Akteure oder des Staates zugewandt. Doch ließe sich Rechtsgeschichte insgesamt als eine »Geschichte von Normativitätswissen« schreiben? Und: Ist das überhaupt notwendig und sinnvoll?

Alle drei Fragen werden in diesem Beitrag, der mit einer Skizze der Konzeption einer solchen Rechtsgeschichte als Geschichte von Normativitätswissen beginnt (I.), bejaht. Der Beitrag ist explorativ, er baut allerdings auf inzwischen bereits einige Jahrzehnte lang geführten Diskussionen in der Wissenschaftsgeschichte, der Wissensgeschichte, der Rechtsgeschichte und Rechtstheorie auf, beispielsweise wenn Rechtsnormen als »Handlungstypus regelhafter Informationsverarbeitung unter Unsicherheitsbedingungen« konzipiert und Rechtstraditionen insgesamt als Prozess der Aneignung und Verarbeitung von normativer Information verstanden werden. An frühere Studien zur Methode der Rechtsgeschichte und vor allem zur frühneuzeitlichen Rechtsgeschichte anknüpfend, ist er ein Versuch, über die Dekonstruktion hinausgehende Überlegungen für die Konstruktion einer Methode der Rechtsgeschichte für die Gegenwart und Zukunft zur Diskussion zu stellen – wenn man so will, für eine Rechtsgeschichte jenseits der Moderne.1

Jede Neuerung muss allerdings darlegen, dass sie im Vergleich zum status quo Erkenntnischancen birgt und nicht bloß effektvoll das Rad neu erfindet. Denn gerade die sog. europäische oder westliche Rechtsgeschichte hat wichtige Einsichten in historische Prozesse der Normbildung vermittelt. Sie reflektiert diese zum Teil auch bereits aus einer Perspektive, die man als wissensgeschichtlich bezeichnen könnte. Daran kann und muss man anknüpfen (II.).

Blickt man genauer hin, so konzentriert sich die‍‍‍ deutschsprachige Forschungstradition, die in diesem Beitrag im Mittelpunkt steht, allerdings auf einen besonderen Ausschnitt aus der Rechtsgeschichte, nämlich auf das, was die Historische Rechtsschule das »Juristenrecht« nannte. Dessen Geschichte wurde im 20. Jahrhundert in eine |voraussetzungsreiche teleologische Erzählung eingeschrieben, deren Fluchtpunkt das Recht des Nationalstaats und der westlichen Moderne war. Die Bilanz des Rückblicks ist deswegen gemischt: Es gibt sehr viel von der Tradition zu lernen, aber zugleich sind wir in ihr gefangen (III.).

Das wird besonders deutlich, wenn man nach den blinden Flecken und Defiziten dieser Forschungstradition fragt. Hier fällt zunächst auf, dass die deutsche Variante der europäischen Rechtsgeschichte, wie auch andere europäische Traditionen, nicht die tatsächliche Vielfalt von Regelungs- und Entscheidungskollektiven, auf die sie selbst aufmerksam gemacht hat, in ihre Erzählung und deren tragende Grundbegriffe integrieren kann. Mithilfe einer wissensgeschichtlichen Perspektive kann dies gelingen, am besten, wenn man diese als epistemische Gemeinschaften und Gemeinschaften der Praxis begreift (IV.).

Auch verfügt die Rechtsgeschichte als Fach nicht wirklich über ein begriffliches Instrumentarium, um die Prozesse der Normerzeugung durch diese vielfältigen Akteure angemessen zu beschreiben; der meist implizite Rechtsbegriff, der ihrer Forschung zu Grunde liegt, ist zu eng, und ihr methodologischer Nationalismus steht ihr im Wege. Der weite Begriff des Normativitätswissens bietet hier Abhilfe (V.). Die diachrone Intertextualität, aber auch die Reproduktion von Recht im Raum, lassen sich im Anschluss daran als großer Prozess der Translation von Normativitätswissen verstehen (VI.).

Eine auf diesen Grundlagen stehende Rechtsgeschichte, die man vielleicht auch als eine Historische Epistemologie von Normativität bezeichnen könnte, hätte natürlich nicht alle ihre Methodenprobleme gelöst. Doch überwindet sie Pfadabhängigkeiten und kann einen Ausweg aus manchen Aporien weisen, die sich aus der Forschungstradition ergeben haben. Vor allem stellt sie leistungsfähige Begriffe zur Verfügung, mit denen einige der großen Themen der Rechtsgeschichte, also z.B. die relative Autonomie des Rechts und dessen Reproduktions- und Transformationslogiken, systematisch und anschlussfähig adressiert werden könnten. Ein Ziel einer solchen Rechtsgeschichte könnte nicht zuletzt im besseren Verständnis der Formen der Produktion von Normativitätswissen liegen. Rechtshistorische Forschung könnte damit gesprächsfähiger werden für das Nachdenken über normative Ordnungen der Gegenwart und der Zukunft – und für die Reflexion über die mit der Digitalisierung unserer Kultur verbundenen dramatischen Veränderungen in den Formen der Produktion von Recht. Sie würde neben die »große Erzählung« eine zwar nicht gleichermaßen eingängige, aber analytisch fruchtbarere Perspektive setzen (VII.).

Das ist im Moment und trotz erster Umsetzungen in rechtshistorische Forschungspraxis noch Zukunftsmusik. Beginnen wir deswegen wenigstens mit einer Skizze, wohin eine solche intellektuelle Reise gehen könnte: Wie könnte eine Rechtsgeschichte als Geschichte von Normativitätswissen aussehen?

I. Eine Geschichte von Normativitätswissen?

Eine Geschichte von Normativitätswissen würde bei dem elementaren Befund ansetzen, dass normative Ordnungen das Ergebnis einer kontinuierlichen sozialen und kulturellen Konstruktionsleistung sind. Sie werden von einer Vielzahl von Akteuren und Aktanten hergestellt. Normative Ordnungen entstehen und verändern sich in einem großen diachronen Prozess der Speicherung, Verarbeitung, Autorisierung – und natürlich zugleich auch des Vergessens und der Deautorisierung – von Information. In diesem Prozess, den man auch als Translationsvorgang bezeichnen kann, werden die als relevant selektierten Informationen auf ein konkretes Handlungsfeld, nämlich die Erzeugung von Normativität im Blick auf einen bestimmten Lebensbereich, bezogen. Informationen werden damit, so der hier bevorzugte Sprachgebrauch, zu Normativitätswissen. Dieses Wissen ist höchst vielfältig: es umfasst Diskurse, Praktiken, Regeln, Normen und Prinzipien, explizites oder implizites Wissen.2 Es ist also das Mittel der Normerzeugung wie auch deren Er|gebnis, und in dieser kontinuierlichen Translation und den damit unvermeidlichen Variationen liegt auch der Schlüssel zu Stabilität und gleichzeitiger Veränderung von Recht.

Das zur Verfügung stehende Wissen sowie die historischen Bedingungen, unter denen diese Translation von Information in Normativitätswissen stattfindet, geben der jeweiligen normativen Ordnung ihre konkrete Gestalt. Sozio-ökonomische Grundlagen, Machtverteilungen, ästhetische Kategorien, soziale Deutungsmuster und vieles mehr wirken auf diesen Prozess ein. Deswegen ist beispielsweise die Herrschaft von Personen über Sachen oder über andere Personen oder über beides gemeinsam in verschiedenen Regionen oder Epochen unterschiedlich ausgestaltet. Diese historischen Konkretisierungen von Möglichkeiten sind in der rechtshistorischen Forschung mit zum Teil den Quellen entnommenen, zum Teil auch mit aus Abstraktionen gewonnenen Begriffen bezeichnet worden, z.B. possessio, Gewere, Munt oder Besitz, dingliches Recht, Leibeigenschaft. Wissensgeschichtlich gesehen sind dies freilich bloß Namen für die Ergebnisse von kontingenten Prozessen der Verarbeitung und Erzeugung von Normativitätswissen. Diese Bezeichnungen weisen allerdings auf Verdichtungsprozesse hin, und sie sind natürlich selbst höchst aufschlussreich: denn warum eine bestimmte Form von Normativitätswissen als »Recht« oder als »Gewohnheit« etc. bezeichnet wurde, hatte Gründe, und gerade in der Frage nach diesen Gründen liegt ein wichtiges Anliegen der Rechtsgeschichte. Das gilt für die Quellenbegriffe, und auf einer reflexiven Ebene auch für die analytischen Begriffe: Warum schreiben wir etwa als »Rechtsgeschichte« vor allem die Geschichte einer bestimmten Form von Normativitätswissen, und nicht die eines anderen modus?

Weist ein historisches Arrangement von Praktiken, Regeln, Normen und Prinzipien eine gewisse Stabilität auf, kann man dieses auch als historisches »Regime« bezeichnen. Man kann dann z.B. ein Dependenzregime beschreiben, das die Gestaltung von Abhängigkeitsverhältnissen bezeichnet; oder ein Sachherrschaftsregime, das die Beziehung zwischen Personen und Gegenständen regelt. Da diese Regime auf die Herstellung von Normativität für einen bestimmten Handlungsbereich gerichtet sind, kann man sie auch ein »Historisches Normativitätsregime«, jeweils bezogen auf einen bestimmten Gegenstandsbereich, nennen.3

Auch die Praktiken, Regeln, Normen und Prinzipien der Herstellung von Normativität als solcher gehören natürlich zu diesen Regimen: Denn man erzeugt für die Lösung eines Problems ja nicht nur eine inhaltliche Regelung, sondern man tut dies auf eine bestimmte Weise – nämlich so, wie man üblicherweise Regelungen vornimmt. Man folgt expliziten oder impliziten Konventionen. Man handelt unter bestimmten Bedingungen, auch medialer, materialer Natur. Man kann diese Voraussetzungen und Bedingungen des Handelns auch als »Normativitätserzeugungswissen« bezeichnen.

Auch dieses Normativitätserzeugungswissen ist historisch vielleicht stabil, aber sicher nicht statisch. Es lässt sich auch als Wiederholungsstruktur verstehen, die sich in der Wiederholung selbst verändert. Es entwickelt dabei eine eigene Transformationsdynamik. Mit neuen Medien beispielsweise dürften sich die Formen der Normerzeugung verändern, und trotz der häufig kapillaren Wirkung technologischer Innovation auf alle Lebensbereiche führen solche neuen Medien zwar zu Veränderungen in der Form der Produktion von Wissen und dann auch des Inhalts selbst, aber nicht notwendigerweise zugleich auch zu Veränderungen in den spezifischen Handlungsfeldern; andersherum mag es sein, dass sich beispielsweise politische Herrschaft und rechtlicher Rahmen ändern, juridische Praktiken aber weitgehend stabil bleiben.4 Vor allem in dieser Eigendynamik des Normativitätserzeugungswissens dürfte der Schlüssel zum Verständnis der in der Rechtsgeschichte |spätestens seit der Historischen Rechtsschule immer wieder diskutierten, lange Zeit im Metaphysischen gesuchten oder mit diffusen Begriffen wie »Rechtskultur« oder »Rechtstradition« verbundenen Vorstellung von der sog. »relativen Autonomie«, der »Eigengesetzlichkeit« des Rechts liegen.

Betrachtet man dieses (meist implizite und schwer zu isolierende) Metawissen gesondert und findet auch hier stabile Arrangements, so kann man von einem »Historischen Normativitätserzeugungswissensregime« sprechen.5 Ändert sich also ein Normativitätsregime, so mag dies auf soziale, ökonomische, mentalitätsgeschichtliche etc. Veränderungen hinweisen; es mag aber auch eine Veränderung im Bereich des Normerzeugungswissens gewesen sein, die dahinterstand. Meistens sind beide Prozesse in vielfältiger Weise miteinander verbunden, und es dürfte kaum möglich sein, die‍‍‍ Veränderung von Normativitätserzeugungswissensregimen zu rekonstruieren, ohne Normativitätsregime zu beobachten.

Man wird also Rechtsgeschichte durchaus als eine Geschichte der Erzeugung von Normativitätswissen schreiben können, bei der man unterschiedliche Historische Normativitätsregime herausarbeitet, verkettet und vielleicht auch vergleicht. Ähnlich wie in der Historischen Epistemologie der Wissensforschung haben die sich wandelnden historischen Formen der Erzeugung von Normativität selbst – also die Historischen Normativitätserzeugungswissensregime – eine besondere, geradezu grundlegende Bedeutung. Denn sie beeinflussen die Art und Weise der Normerzeugung als solche.

Doch warum so kompliziert? Ist das notwendig? Ist Rechtsgeschichte nicht ohnehin schon als Geschichte der Normerzeugung geschrieben worden? – Ja – und nein.

II. Ein großer Prozess diachroner Intertextualität

Tatsächlich hat sich, so scheint es, gerade die deutsche Variante der europäischen Rechtsgeschichte intensiv mit der Geschichte der Normerzeugung beschäftigt.6 Die Rekonstruktion von Regelungstraditionen, die longue durée-Perspektive auf die Herausbildung von Dogmatik und System, gehören geradezu zu ihren Markenzeichen. Die vielfältigen Beobachtungen, die diese quellennahe und tief in historische Regelungsrationalitäten eindringende Forschung hervorgebracht hat, kann man auch als Beschreibung eines jahrhundertelangen Prozesses diachroner Intertextualität lesen.

Diese in der mehr als zweihundertjährigen Forschung herausgearbeitete, maßgeblich von der Historischen Rechtsschule und der mit dieser einsetzenden Tradition geprägte große Erzählung der Rechtsgeschichte beginnt bekanntlich in Rom. Sie‍‍‍ zeigt nicht nur das Nachdenken über eine Fülle von Regelungsproblemen, die uns noch heute beschäftigen. Sie macht auch deutlich, wie Texte der römischen Juristen aus der Zeit des klassischen römischen Rechts noch in der Antike vielfach aufgenommen, angepasst, für die eigene Zeit verändert und damit stets auch in andere Kontexte eingebettet wurden. Gerade die sprachliche und gedankliche Dichte machte die Texte, die zum Teil Jahrhunderte nach ihrer Entstehung in den Digesten zusammengestellt worden waren, zu Objekten vielfältiger Interpretation. Mit Konzilsbeschlüssen, ersten Dekretalen und Kanonessammlungen trat neben das römische in der sog. nachklassischen Zeit das kanonische Recht, das Recht der Kirche. Eher selten wird in den Darstellungen auf jüdische und griechische Traditionen verwiesen, noch seltener auf altorientalische Rechte, trotz deren großer Bedeutung. Rom bleibt die zentrale Referenz.|

Die Forschung zur Geschichte des römisch-kanonischen‍‍‍ Rechts, die im 19. Jahrhundert bereits auf vielen Vorarbeiten aufbauen konnte, hat seitdem gezeigt, wie diese Normen an ganz unterschiedlichen Orten Europas verarbeitet und damit auch verändert worden sind. Gerade die Berufung auf das Alter oder die besonderen Entstehungsumstände verliehen diesen Texten hohe Autorität, auch wenn – oder gerade weil – sie sich mit der Zeit veränderten: Denn mit jeder Abschrift, mit jeder neuen Texttradition und kulturellen Übersetzung in andere lokale oder regionale Umstände konnten neue Bedeutungen entstehen. Die vielfach kopierten Sammlungen mittelalterlichen Rechts waren living texts, weil sich ihr Inhalt durch Abschreibefehler, bewusste Manipulation oder schlicht durch viele, angesichts neuer Umstände als notwendig empfundene Anpassungen im Laufe der Zeit stark veränderte.

Mit der Institutionalisierung der Textbearbeitung in den ersten Universitäten im Hochmittelalter – also dem, was häufig als die Geburt der Rechtswissenschaft bezeichnet wird – verfestigten sich viele Normen, Regeln, Prinzipien und Praktiken des Umgangs mit den Texten. Man erklärte nun »den Text mit dem Text«.7 Das ius commune (das sog. gemeine Recht) entstand, dem das zunehmend nach der Systematik dieses ius commune begriffene Partikularrecht (ius particulare) gegenübergestellt wurde. Das Netz der Intertextualität wurde immer dichter. In Glossen und Kommentaren, Konsilien und anderen Textgattungen entwickelten Juristen an einer zunehmenden Zahl von Orten Europas unter Bezug auf antike Quellen neue Texte und kreative Lösungen für die Probleme ihrer Zeit. Sie arbeiteten an Begriffen und einer Dogmatik für das Recht des städtischen Lebens, für Handel und Wirtschaft, für Religion und Politik. All das geschah im Kontext einer kulturellen Blüte, der Gründung von Städten und Universitäten, der Scholastik. Es begann ein Prozess, der später als »Rezeption« des gelehrten Rechts bezeichnet und als zentral für die Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Rechtsgeschichte und der europäischen Rechtskultur überhaupt angesehen wurde.

Bereits im Hoch- und Spätmittelalter vermehrte sich wegen dieser enormen Produktivität der an der Normsetzung Beteiligten, der Herausbildung von Institutionen, dem Wachstum der Ordensgemeinschaften und vieler weiterer Faktoren das zur Verfügung stehende Wissen in geradezu exponentieller Weise – trotz der Flaschenhals-Effekte, wie sie epochemachende Texte wie das Decretum Gratiani, die als Concordia discordantium canonum bezeichnete Sammlung kirchlicher Autoritäten aus dem 12. Jahrhundert, mit sich brachten. Kaiserliche und päpstliche Rechtsetzung, die Wissenschaft, die insbesondere im kirchlichen Recht immer neue Sammlungen produzierte und das sog. neue Recht (ius novum) autorisierte, aber auch institutionelle Rechtspraxis produzierten unablässig neue leges, Privilegien, Dekretalen, Glossen, Kommentierungen, die mit den Bestehenden verwoben wurden. Schichten legten sich über Schichten, und neue Wissensordnungen bildeten sich heraus.

All das ist vor allem für die römisch-kanonische Tradition, in geringerem Maße auch für die sog. germanistische Linie nachgezeichnet worden. Auch in dieser wurden wichtige Rechtsbücher wie z.B. der Sachsenspiegel oder eine Fülle von Stadtrechten verfasst, kopiert, übersetzt. Es bildeten sich Stadtrechtsfamilien und ähnliche Regeln enthaltende Aufzeichnungen von Handelsbräuchen. Die dabei entstehenden Rechtsräume waren vielfältig. Sie folgten Handelsrouten, dynastischer Politik, Bündnissen und Eroberungen. Sie waren keineswegs koextensiv mit den Räumen der sog. Rezeption. So ist der Ostseeraum aus der Perspektive der Geschichte des Handelsrechts eng verbunden, während das sog. gelehrte Recht in Skandinavien trotz einer beachtlichen Präsenz des kanonischen Rechts weniger Einfluss hatte. Doch insgesamt wurden auch durch diese vielfältigen Kommunikationsprozesse lokale und regionale Überlieferungen in die Sprachen und damit auch Grundbegriffe anderer Zeiten und Räume übersetzt, zunehmend mit Methoden des gelehrten Rechts. »Romanistik«, »Germanistik« und »Kanonistik«, die aus der Konfrontation im 19. Jahrhundert stammenden Bezeichnung für die drei großen Rechtsmassen und deren Wissenschaft, lassen sich deswegen vielleicht unterscheiden, aber sicher nicht trennen.

Die Medienrevolution des späten 15. und 16. Jahrhunderts trug dazu bei, diesen Prozess der Vervielfachung und Assimilierung von Wissen in Bezug auf Recht nochmals zu intensivieren. Auch diese Pluralisierung von normativen Optionen |wird in dem Maße deutlicher, in dem Mediengeschichte und Rechtsgeschichte kombiniert werden. An einer zunehmenden Zahl von Orten wurde immer mehr Wissen, also Normen aller Art, Kommentierungen, Urteile etc., in immer mehr Medien gespeichert. Dadurch war dieses Wissen noch leichter verfügbar, Varianten konnten nebeneinandergelegt und verglichen werden, und mehr und mehr Widersprüche fielen auf. Diese mussten durch wieder neue Interpretationen gelöst werden. Der Buchdruck brachte insofern einerseits eine Standardisierung von Texten, zugleich aber auch viele neue Textunsicherheiten, nicht zuletzt im Blick auf die bestseller des Buchdrucks und -handels, die in vielen, oft unterschiedlichen Auflagen, manchmal vielleicht sogar unterschiedlichen Exemplaren, verkauft wurden. Auch neue Formen der Textbearbeitung, etwa philologische Quellenkritik des Humanismus, vervielfachten die Lesarten. Man versuchte, dieser Vielfalt mit Strategien der Autorisierung von Texten, der Zentralisierung von Normsetzung oder einer Monopolisierung der Interpretation zu begegnen.

Die europäische Expansion, Reformationen, die mit diesen historischen Großereignissen verbundenen Neugründungen von Universitäten, die Kommerzialisierung der Buchherstellung, der frühneuzeitliche normsetzende Staat, Bürokratisierung und Professionalisierung des Juristenstandes und viele weitere Faktoren beschleunigten diesen Prozess. Bald wurden normative Texte auch nicht mehr allein in den Metropolen oder in den Kanzleien der frühneuzeitlichen europäischen Staatenwelt, sondern an vielen Orten auf der ganzen Welt produziert, in Manila und Mexiko. Man beobachtete sich, wechselte die Sprachen und übersetzte das Wissen in zum Teil nun völlig andere Realitäten. Auch dafür wurde das verfügbare Wissen zusammengestellt, ausgewählt, angepasst. Neue genres und Ordnungssysteme versuchten, diesen »early modern information overload«8 einzuhegen. Denn auch wenn Klagen über die unübersehbare Fülle von Autoritäten, auf die man sich berufen konnte, und die damit einhergehende Willkür und Unberechenbarkeit der Justiz schon jahrhundertealt waren: dieses Maß an Unsicherheit erschien nun nicht mehr hinnehmbar. Unbestimmtheit war zweifellos auch eine Regelungs- und Herrschaftstechnik. Doch zugleich strebte man nach Zentralisierung, Kontrolle, Berechenbarkeit des Rechts.

Betrachtet man die Vielfalt der über Jahrhunderte angesammelten Autoritäten und die Versuche, diese Vielfalt zu beherrschen, so lassen sich – um abzukürzen – auch die folgenden klassischen rechtshistorischen Epochen wie die des Naturrechts, des Usus modernus, des aufgeklärten Absolutismus, aber auch die Historische Rechtsschule, die Bemühung der Pandektistik um Dogmatik und Systembildung, die Kodifikationen und vieles mehr als Versuche der »Schließung« (closure) interpretieren, um einer kontinuierlichen diachronen Reproduktion und damit Mutation von Normen entgegenzutreten.9 Lange hoffte man, dass diese Schließung mit Dogmatik, System, Kodifikation, Juristenausbildung und Justizreformen endgültig gelingen würde.

Vielen Juristen erschien die dahinterstehende Vorstellung einer Monopolisierung der Rechtserzeugung und einer systematischen Geschlossenheit als großer Sieg, anderen als Tragik. Realität waren der »juristische Absolutismus«10 der Moderne und die Einheit des Rechtssystems niemals. In jedem Fall aber zeichnete die Rechtsgeschichte mit ihrer Erzählung von der Entwicklung des Rechts von den römischen Juristen zu den Kodifikationen der Nationalstaaten den langen Weg des Rechts in die – je nach Standpunkt ersehnte oder gefürchtete – juristische Moderne nach.

III. Juristenrecht auf dem Weg in die Moderne

Das ist eine faszinierende Geschichte. Dass man sie erzählen kann, ist umso eindrucksvoller, als sie zunächst eigentlich geradezu ein Nebenprodukt rechtswissenschaftlicher Forschung war – nämlich der »Geschichtliche[n] Rechtswissenschaft«,11 die das Fach Rechtsgeschichte nachhaltig geprägt hat. |

Diese Geschichte ist auch heute keineswegs ausgeschrieben. Im Gegenteil, eine die nationalen Perspektiven überwindende europäische Rechtsgeschichte ist »immer noch ein Projekt«,12 und sie hat noch großes unausgeschöpftes Potential. Denn »Wie die Juristen die Welt sahen«13 ist nicht nur für das Recht relevant. Viele Deutungsmuster der Wirklichkeit sind im juridischen Diskurs auf den Begriff gebracht worden, sickerten in andere Bereiche ein, wurden angeeignet, verändert, übersetzt, in die Sphären des Rechts zurückgeführt. In dieser Geschichte sind, wie hier nur angedeutet werden konnte, zudem beeindruckende Rekonstruktionen der Textualität von Recht zu finden, der Transformation von Wissensordnungen, der Emergenz neuer Wissenspraktiken, und diese Befunde werden zunehmend in der Sprache der Wissensgeschichte formuliert.14 Es gibt also zahlreiche Einsichten aus der Forschungstradition, an die eine wissensgeschichtliche Perspektive anknüpfen kann und muss, wenn sie sich mit der Herstellung von Normativitätswissen beschäftigt.

1. Juristenrecht

Doch tritt man zunächst nochmals einen Schritt zurück, fragt nach den impliziten Grundannahmen dieser Forschungstradition und historisiert sie, so werden auch die Grenzen dieser großen kollektiven intellektuellen Anstrengung deutlich. Denn hinter den vielen Akteuren, Orten und Themen dieser Geschichte scheint recht deutlich der Umriss dessen auf, was man im 19. Jahrhundert das »Juristenrecht« nannte: Die europäische Rechtsgeschichte beginnt mit der Rechtsschöpfung durch die römischen Juristen der klassischen Antike und durch die katholische Kirche, die ausdrücklich als Rechtskirche verstanden wird. Sie entwickelt sich weiter durch die Verfasser von Kompilationen, Rechtsbüchern, Glossen und Kommentaren. Sie mündet in juristische Dogmatik und Systembildung, in Ideen und Institutionen des Privatrechts und in neuerer Zeit des öffentlichen Rechts und seiner Wissenschaft.

Rechtsgeschichte ist, näher besehen, in der hier skizzierten Forschungstradition vor allem die Geschichte der von Juristen und ihrem kirchlichen Äquivalent, den Kanonisten, erzeugten Normen, sei es in Form von Gesetzen, Rechtssammlungen, Dogmatik oder Kodifikationen, die gerade aus deutscher Perspektive vor allem eine Leistung der Wissenschaft, also der Juristen, sind. Es sind Juristen, die in einem diachronen, medial vermittelten Kommunikationsprozess immer wieder Normen aus der Vergangenheit aufnehmen, verarbeiten und fortbilden. Auch wenn man auf die Praxis blickt, interessiert vor allem die Gerichtspraxis, also die des Juristen. Hinter der Vorstellung des Juristen verbirgt sich natürlich eine ganze Fülle unterschiedlicher sozialer Phänomene, die in verschiedenen historischen Regimen jeweils besondere Funktionen ausübten. Doch in der historiographischen Konstruktion werden Juristen und ihr Recht zum Kontinuitätsfaktor, selbst noch durch ihr Fehlen in einem »Zeitalter ohne Juristen«.15 Juristen waren und sind die Verwalter und Erzeuger des Rechts,16 und das in kontinuierlicher Metamorphose befindliche Juristenrecht gibt der großen Erzählung der europäischen Rechtsgeschichte ihre Einheit.

2. Von der geschichtlichen Rechtswissenschaft zur Apologie des Juristen

Diese Konzentration auf den Juristen ist sicher auch die Selbstbespiegelung eines Standes. Sie ist vor allem aber die Folge der Prägung des Fachs durch die Historische Rechtsschule. Denn deren Rechtsentstehungslehre hatte das Juristenrecht zum fast ausschließlichen Gegenstand der Rechtsgeschichte gemacht und damit akademische Praktiken, Konventionen, Relevanzhierarchien und nicht zuletzt Institutionen der Wissensproduktion etabliert, die bis weit in das 20. Jahrhundert stabil blieben.

Die Präferenz der Historischen Rechtsschule für das Juristenrecht lässt sich gesellschaftsgeschichtlich analysieren, erklärte man doch mit den Juristen letztlich sich selbst für zuständig für die Rechtsfortbildung und den Bau der juristischen Monumente der Nationalstaatlichkeit, vor allem in Form der Kodifikationen. Doch man tat dies auf der Grundlage einer Rechtsentstehungslehre, die philosophisch gegründet war und die sich zudem auf |eine eindrucksvolle Überlieferung stützen konnte. In einem großen, von Savigny selbst initiierten und mithilfe der respublica litteraria ausgeführten transnationalen Projekt wurden massenhaft Handschriften gesichtet und spektakuläre Funde gemacht, und die in diesen Texten enthaltenen juristischen Gedanken beeindruckten durch ihre Tiefe und Prägnanz. Die Rechtswissenschaft könnte, das‍‍‍ war auch jenseits aller Streitigkeiten zwischen Berlin und Heidelberg klar, ihrem »Beruf« zur Gesetzgebung dann am besten nachkommen, wenn sie dieses über Jahrhunderte gereifte Juristenrecht rekonstruierte, nach den lokalen Artikulationen suchte und diese in den Kodifikationen auf‍‍‍ eine höhere Abstraktionsstufe heben würde. So wie die Sprachwissenschaften aus dem Gebrauch auf die Grammatik schlossen, wollten die Juristen aus der historischen Überlieferung das Alphabet und die Grammatik des Rechts freilegen.

Was das »Juristenrecht« war, war schon damals natürlich keineswegs eindeutig, so wenig, wie die Historische Rechtsschule einheitlich war.17 Auch dass man gerade dieses Juristenrecht zum Hauptgegenstand der geschichtlichen Rechtswissenschaft erklärte, war alles andere als unumstritten. Im Gegenteil: »Volksrecht« und »Juristenrecht« wurden zu Kampfbegriffen in einer (rechts-)politischen Auseinandersetzung, die das Fach spaltete. Doch spätestens nachdem sich Rechtsgeschichte, Rechtsdogmatik und Rechtsvergleichung um 1900 ausdifferenziert hatten, vollends dann mit den Irrwegen der sog. juristischen Germanistik im NS und deren konsequentem Abbruch nach 1945, hatte sich das Juristenrecht der romanistisch geprägten Tradition als der zentrale Fluchtpunkt rechtshistorischer Beobachtungen etabliert. Damit waren die Pfade gelegt, auf denen man weiterschritt, selbst wenn das weltanschauliche oder rechtstheoretische Fundament sich änderte. Savigny blieb der Leitstern, das Programm der Historischen Rechtsschule Legitimationsquelle und Inspiration, auch wenn bald andere Rechtsentstehungslehren und Auffassungen vom Zweck rechtshistorischen Arbeitens die Debatte dominierten. »Begriffsjurisprudenz«, »Freirechtsschule« und Rechtsgeschichte als geisteswissenschaftliche Rekonstruktion von »Denktypen« sind einige der Stichworte und Kampfbegriffe aus diesen grundlegenden Debatten um Recht und Geschichte im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, die hier nur kurz benannt werden können. Sie haben die spätere Rechtshistorie in folgenreicher Weise geprägt.

Wissenschaftsgeschichtlich ragt das 19.Jahrhundert deswegen noch weit in das 20. hinein. Es prägte die Praktiken der Produktion rechtshistorischen Wissens. Dogmengeschichtliche und geistesgeschichtliche Rechtsgeschichten wurden nun als »innere« und »äußere« Rechtsgeschichten weitgehend unverbunden nebeneinander betrieben; die dahinterstehenden, eigentlich unversöhnlichen rechtsgeschichtstheoretischen Anschauungen gerieten im rechtshistorischen Forschungsalltag weitgehend in Vergessenheit. Wirkungslos blieben sie allerdings keineswegs, im Gegenteil: Die wohl einflussreichste große Erzählung, Franz Wieackers Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, ist ein nur aus dieser Frontstellung der ersten Jahrhunderthälfte verständliches Bekenntnisbuch – und eine im Licht der moralischen Katastrophe verfasste Apologie des Juristen.18

Von höchst unterschiedlicher Seite berief man sich auch nach 1945 weiter auf die Historische Rechtsschule und ihr Programm. Carl Schmitt bekannte sich in seinem Vorwort zum Nomos der Erde zu ihr, da nur »in einer richtig und fruchtbar gewordenen Geschichtlichkeit« die Rechtswissenschaft in ihrem Existenzkampf »den Boden ihres eigenen Daseins« behaupten könne.19 Mit etwas weniger Pathos wandte sich ein europäischer Kreis führender Rechtshistoriker in den 50er Jahren dem Projekt eines – so ausdrücklich – »Neuen Savigny« zu (im Rahmen des IRMAE),20 europäisch ausgerichtet und bis in das 19. Jahrhundert weitergeführt; in den 60er Jahren wurde mit dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte eine Forschungsinstitution gegründet, in der man bis in die frühen 80er Jahre an diese intellektuelle Tradition anknüpfte. Im Klima der neuen Kodifikationswelle in den Staaten des ehemaligen Ost|blocks, der europäischen Integration und der Internationalisierung der 90er Jahre wurde mit neuem Enthusiasmus gefordert, »Savigny’s Vermächtnis« einzulösen.21 Rechtshistoriker folgten nun erneut dem Weg des Juristenrechts von Rom über Bologna und nun nach Brüssel, aber auch durch Südafrika oder Lateinamerika. Wieder reklamierte vor allem die historisch-vergleichende Privatrechtswissenschaft eine führende Rolle bei der Fortbildung und Harmonisierung von Recht.

Doch auch jenseits dieses von der geschichtlichen Rechtswissenschaft inspirierten Privatrechtsprojekts bekannten sich noch um die Jahrtausendwende bedeutende Rechtshistoriker zur Rechtsentstehungslehre der Historischen Rechtsschule und hofften, mit ihrer Hilfe Genese und Geltung in Verbindung bringen zu können.22 Der von der geschichtlichen Rechtswissenschaft geprägte, auf das Juristenrecht konzentrierte Rechtsbegriff, die Vorliebe für die longue durée und die Rekonstruktion von Regelungstraditionen, die von der geisteswissenschaftlichen Tradition der Rechtsgeschichte hervorgebrachte Periodisierung und die Orientierung an Autoren, die für Denktypen standen, waren zu weitgehend unhinterfragten Konventionen geworden. »Generationen von Juristen wuchsen mit diesem historischen Orientierungsraster auf«23 und arbeiteten sich weiter am Juristenrecht ab.

3. Rechtsgeschichte als Geschichte der Moderne

Neben diesem deutschen Modell einer »Privatrechtsgeschichte als europäische Rechtsgeschichte« mit ihrer dogmengeschichtlichen und ihrer geisteswissenschaftlichen Variante etablierten sich seit den 80er Jahren zunehmend auch andere Rechtsgeschichten.

Besonders wirkungsvoll wurde vor allem außerhalb der Disziplin eine Rechtsgeschichte der Herausbildung von Staatlichkeit, zum Teil mit starker Betonung der Bedeutung der Religion, wie etwa in Harold J. Bermans Law and Revolution. Ein neues Terrain betrat die Geschichte des öffentlichen Rechts und seiner Wissenschaft, und eine kulturwissenschaftlich erneuerte Verfassungsgeschichte brachte neue Perspektiven in das von der Rechtsgeschichte etwas stiefmütterlich behandelte, weil vor allem von Vertretern des Öffentlichen Rechts betriebene Fach. In enger Verbundenheit mit den‍‍‍ Geschichtswissenschaften wandte man sich vor allem im Zuge der Reichskammergerichtsforschung der Geschichte der sog. Rechtspraxis, vor allem der Justizpraxis, sowie der Geschichte des disziplinierenden, strafenden, ordnenden Staates zu.24 Man kann viele dieser Forschungen, soweit sie sich mit den (im weiten Sinne) institutionellen Bedingungen der Normerzeugung beschäftigen, als Geschichten institutioneller juridischer Praxis bezeichnen.

Nicht zuletzt im Bewusstsein der Notwendigkeit einer stärkeren historischen Kontextualisierung betteten sehr viele der aus der Rechtswissenschaft stammenden Geschichten institutioneller juridischer Praxis ihre Befunde ausdrücklich oder unbewusst in größere Beobachtungsperspektiven ein.25 Sie schilderten, affirmativ oder kritisch, einen Prozess der Professionalisierung, Säkularisierung, Sozialdisziplinierung, Rationalisierung und – als spezifischer Teilerzählung – der langsamen Verwissenschaftlichung oder Differenzierung von Recht in Europa. Getragen vom teleologischen Zug eines Fachs, das die Gegenwart verstehen will, konstruierte diese (europäische) Tradition der Rechtshistorie eine zweitausendjährige Geschichte, die zielgerichtet in die Gegenwart nationalstaatlichen Rechts in Europa führte.

Besonders anschaulich wird diese Teleologie zur‍‍‍ modernen Rechtswissenschaft bei Franz Wieacker, dessen Darstellung für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geradezu paradigmatisch und auch jenseits der Rechtsgeschichte weit rezipiert wurde. Es sei, schreibt er in seiner Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, »kein zu gesuchtes Bild, |wenn man sagt, Holland habe die Fackel der großen Rechtswissenschaft unserem Lande weitergereicht, die einst in Italien entzündet wurde und von dort nach Frankreich und weiter nach den Niederlanden gewandert war«.26 Kein Zweifel auch, dass dieser Pfad zugleich der einer Rationalisierung war, die Europa – oder, wie Wieacker an anderer Stelle formuliert: die »europäisch-okzidentale« Rechtskultur27 – von allen anderen unterschied: Die Glossatoren hätten »den großen römischen Juristen die Kunst abgelernt, die vitalen Konflikte des zwischenmenschlichen Lebens nicht mehr im Bann irrationaler Lebensgewohnheiten oder durch Gewalt zu entscheiden, sondern durch intellektuelle Diskussion des autonomen juristischen Sachproblems und nach einer aus dieser Sachproblematik begründeten allgemeinen Regel. Dieser neue Anspruch des Juristen hat das öffentliche Leben in Europa für immer juridifiziert und rationalisiert; unter allen Kulturen der Erde ist durch ihn die europäische die einzig legalistische geworden«.28

Diese Chronotopie sowie die Konzentration der Rechtsgeschichte auf eine Geschichte von Juristenrecht und damit die Konstruktion eines scheinbar einheitlichen Raum-Zeit-Zusammenhangs, nicht zuletzt die Einbettung in eine Weber’sche Rationalisierungsteleologie, machten nicht allein Wieackers Erzählung so ungemein suggestiv.29 In dieser Synthese und Rekomposition einer langen Forschungstradition und in der klaren Linienführung liegt die eindrucksvolle Leistung – und, wie inzwischen immer deutlicher wird, auch die Grenze der Tradition der Rechtsgeschichte als Geschichte von Juristenrecht.

IV. Epistemische Gemeinschaften

Recht wurde und wird – darin liegt die erste, fundamentale Begrenztheit der großen Erzählung30 – nämlich natürlich nicht allein von Juristen, sondern von einer Vielzahl von Regelungs- und Entscheidungskollektiven hervorgebracht. Recht ist ein Kulturprodukt, und Rechtserzeugung ein sozialer Prozess, der nicht allein in staatlichen Institutionen stattfindet, sondern in vielen und höchst unterschiedlichen sozialen Gemeinschaften. Nimmt man diese in abstracto heute wohl kaum bestrittenen Feststellungen ernst, so wird deutlich, dass der fast ausschließlich am Juristenrecht orientierte, auf die moderne Staatlichkeit hinführende Rechtsbegriff der Rechtshistorie offenbar nicht wenige Normproduzenten im Dunkeln gelassen hat. Das dürfte auch daran liegen, dass diese Vielfalt nicht in das Bild einer Monopolisierung von Recht durch den Staat, in die Vorstellung eines juristischen Absolutismus’, der Rationalisierung und Modernisierung passten. Wendet man sich dieser Vielfalt zu, verliert die lineare große Erzählung ihre Stringenz und Strahlkraft.

1. Regelungs- und Entscheidungskollektive

Dabei hat die Rechtsgeschichte selbst eine Fülle von Kenntnissen über diese vielfältigen Normproduzenten hervorgebracht. Schon vor einem Jahrhundert wurde die fast ausschließliche Konzentration auf Juristenrecht kritisiert, freilich nicht so sehr im Blick auf die Rechtsgeschichte, sondern auf die Rechtswissenschaft insgesamt. Besonders deutlich geschah dies im Werk von Eugen Ehrlich, das seit den 1990er Jahren auch wegen des Unbehagens am nationalstaatlichen Rechtsbegriff vor allem in Rechtstheorie und Rechtssoziologie wieder stärker beachtet wird.31

Vor ihm hatten freilich bereits Otto von Gierke, auf den Ehrlich sich stützt, später Otto Hintze und Otto Brunner auf die geradezu überragende historische Bedeutung von dem hingewiesen, was man heute in der Sprache der Governancetheorie als Regelungs- und Entscheidungskollektive bezeichnen könnte.32 Das Werk dieser Autoren geriet allerdings – wie zahlreiche Einsichten der germa|nistischen Rechtshistorie – durch die Zeitläufte weitgehend in Vergessenheit und wird gegenwärtig erst langsam wiederentdeckt.33

Es schien auch wegen dieses Traditionsbruchs und der damit einhergehenden Wissensverluste geradezu bahnbrechend, als vor allem Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker aus Spanien, Portugal und Italien seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder auf die überragende Bedeutung der korporativen Grundstruktur der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaften aufmerksam gemacht haben.34 Teilweise sprechen sie – unter Rückgriff auf die weite Bedeutung von iurisdictio im mittelalterlichen Recht35 – von einem »jurisdiktionellen Paradigma« der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtsgeschichte.36 Sie sehen bis in das 19. Jahrhundert hinein ein jurisdiktionszentriertes, nicht normzentriertes System als geradezu grundlegendes Dispositiv. Trotz der von der spezifischen Forschungsgeschichte bestimmten Ausgangslage – man wollte sich nicht so sehr von einer Rechtsgeschichte als Juristenrecht als vielmehr einer national(istisch)en, etatistischen und legalistischen Tradition der Institutionengeschichte lösen – lassen sich viele ihrer Beobachtungen auch auf andere Räume übertragen und fruchtbar mit dem Denken der germanistischen Tradition und heutiger Forschung etwa zu Diversität und Recht verbinden.

Mit dieser Wiederentdeckung von Korporationen im weitesten Sinn, aber auch von loseren sozialen Gemeinschaften und kollektiven Akteuren im Schatten (früh-)neuzeitlicher Staatlichkeit, ging eine gesteigerte Aufmerksamkeit für sog. informelle Verfahren der Normsetzung, Entscheidungsfindung und Normdurchsetzung einher. Auch die wechselseitige Öffnung von Rechtsgeschichte und sog. allgemeiner Geschichte trug dazu bei, rechtshistorische Forschung aus ihren Pfadabhängigkeiten zu lösen. Eine Rechtsgeschichte der Gerichtspraxis, Sozialgeschichte, historische Kriminalitätsforschung, subaltern studies etc. haben – seit einiger Zeit auch gegen die Einseitigkeiten einer rein sozialdisziplinierenden Perspektive – inzwischen das Ausmaß dessen deutlich gemacht, was der teleologische rechtshistorische Blick auf das Juristenrecht und die Herausbildung der staatlichen Institutionen lange verbarg.

Eine solche Sensibilisierung für den Korporatismus und für die Rolle sozialer Gruppen bei der‍‍‍ Normenproduktion und Konfliktregulierung – und die damit veränderten Vorstellungen, was eigentlich das Objekt der Rechtsgeschichte ist: also‍‍‍ nicht mehr allein Juristenrecht – ist besonders‍‍‍ wichtig, wenn man Rechtsgeschichten jenseits‍‍‍ von Europa schreiben will. Sie hat z.B. zu einer grundlegenden Neubewertung der Verfassungsgeschichte Lateinamerikas geführt, bei der Prozessanalysen an die Stelle teleologischer Erzählungen der langsamen Nationalstaatswerdung treten.37 Viele Einzelstudien führen lebendig vor Augen, wie Normen aus der Praxis hervorgegangen, wie eng verflochten theoretisches und praktisches Wissen sind und wie sehr die Erzeugung von Recht gerade davon abhängt, unter welchen konkreten Bedingungen Rechtsbegriffe interpretiert werden.38 Aber auch die deutsche Forschung weist selbst für das ausgehende 19. und das 20. Jahrhundert zunehmend auf die Bedeutung von Sonderordnungen hin. Sie zeichnet anhand von neuen Typen von Quellen ein sehr viel differenzierteres Bild von Rechtserzeugung und -durchsetzung, als‍‍‍ die herkömmliche Perspektive einer zunehmenden und weitgehend linearen Zentralisierung und Monopolisierung der Erzeugung von Recht in der Moderne vermuten lässt.39

Der Blick auf vielfältige soziale Gruppen, auf Regelungs- und Entscheidungskollektive, auf ganz unterschiedliche modi von Normativität, bricht aber nicht allein die Linearität der Erzählung der Rechtsgeschichte als Geschichte von Juristenrecht oder der Herausbildung des modernen Staates als linearem Prozess der Verdichtung.40 Er birgt auch erhebliches komparatives Potential und erscheint unverzichtbar, wenn Rechtsgeschichte in globaler Perspektive betrieben werden soll. So ist beispielsweise in der Forschung zur Frühen Neuzeit in Deutschland, in Lateinamerika und zur Qing- Dynastie‍‍‍ in China auf die überragende Bedeutung‍‍‍ der sozialen und wirtschaftlichen Einheit |des Hauses hingewiesen worden.41 Da Normerzeugung und -durchsetzung‍‍‍ in diesen Hausgemeinschaften, die ihrerseits zu einer Matrix und Metapher für andere Gemeinschaften wurden, regelmäßig gerade nicht durch Juristen erfolgte, erweitert sich mit dem Blick auf diese auch der Kreis der maßgeblichen Akteure, Aktanten – und damit der Quellen der Rechtsgeschichte erheblich. Hier wird deutlich, dass die Überwindung der Konzentration auf Juristenrecht auch die Möglichkeit der Neubewertung der Rolle derer gibt, die in‍‍‍ der traditionellen europäischen Rechtsgeschichte bisher fast überhaupt nicht vorkommen – und damit z.B. eine in höherem Maße gender-sensible Rechtsgeschichte zu schreiben. Die Öffnung hat zugleich auch einen Effekt auf die klassischen Objekte der Rechtsgeschichte: denn auch Institutionen-, Dogmen-, Ideen-, Normen- oder Wissenschaftsgeschichte würden anders geschrieben, wenn das von den Regelungs- und Entscheidungskollektiven hervorgebrachte praktische Wissen eine angemessene Systemstelle erhalten würde.42

Nur angedeutet werden kann hier schließlich, dass in dem herkömmlichen, am Juristenrecht orientierten und nationalstaatlich entworfenen Bild von der Rechtsgeschichte auch die vielfältigen Regelungs- und Entscheidungskollektive aus dem Bereich des Religiösen unterrepräsentiert sind – einer normativen Dimension des sozialen Lebens, die aus einer Reihe von wiederum wissenschaftsgeschichtlich zu erklärenden Gründen über lange Zeit geradezu kategorisch aus der Rechtsgeschichte ausgeschlossen worden ist. Denn auch im Bereich von Normen, die von Religionsgemeinschaften produziert und durchgesetzt wurden, gab es zwar »Juristenrecht«. Dieses ist konsequenterweise auch recht intensiv erforscht worden: nämlich das kanonische Recht und die Kanonistik der katholischen Kirche, in den protestantischen Kirchen die jeweilige Kirchenrechtswissenschaft, die Rechtserzeugung durch Konsistorien und das landesherrliche Kirchenregiment. Doch mindestens ebenso wichtig war die Normerzeugung durch Konzilien und Kirchengerichte, deren Bedeutung nicht mehr allein für das Mittelalter, sondern auch für die Neuzeit zunehmend erkannt, aber gerade für die Frühe Neuzeit und Moderne bisher wohl kaum angemessen bewertet wird; das überkommene Bild, die Frühe Neuzeit sei in der Geschichte des katholischen Kirchenrechts eine Phase der Stagnation, ist allein aus der Perspektive der Geschichte des Juristenrechts gezeichnet und unterschätzt die Dynamik der Transformation und Adaptation dieser universal gedachten normativen Ordnung in der Praxis.43 Von besonderer Bedeutung waren darüber hinaus jedenfalls in der Frühen Neuzeit die Moraltheologie, also eine praktische Theologie, und die an diese anknüpfenden normativen Praktiken. Außerdem bestand und besteht die Welt natürlich nicht allein aus christlichen Gemeinschaften – Normen wurden von vielfältigen religiösen Gemeinschaften alltäglich produziert und durchgesetzt, oft im Stillen und dennoch keineswegs weniger wirksam.

2. Epistemische Gemeinschaften und Gemeinschaften der Praxis

Aus einer wissensgeschichtlichen Perspektive kann man diese Regelungs- und Entscheidungskollektive als epistemische Gemeinschaften und Gemeinschaften der Praxis bezeichnen.

Man kann diese in verschiedenen Disziplinen gebrauchte Vorstellung44 recht allgemein auf Gruppen von Personen45 beziehen, denen eine bestimmte episteme gemeinsam ist, also grundlegende Vorstellungen über die Welt und die Voraussetzungen des Denkens und Handelns in ihr, und deren Handlungen sich in irgendeiner Weise auf ein gemeinsames Handlungsfeld beziehen. Objektive oder subjektive Kriterien, also Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen, |Nutzung bestimmter Handlungsformen, aber auch ähnliche Grundvorstellungen über die Welt oder in Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, können zu ihrer Definition herangezogen werden. Rechtshistorisch lässt sich beispielsweise die Schule von Salamanca als eine solche epistemische Gemeinschaft und Gemeinschaft der Praxis verstehen, mit durchaus weitreichenden Konsequenzen für deren Konzeption.46

Von »epistemischen Gemeinschaften« und »Gemeinschaften der Praxis«47 zu sprechen bietet eine Reihe von Vorteilen. Denn diese Bezeichnung ist nochmals offener als die bereits hilfreiche Formulierung der Regelungs- und Entscheidungskollektive.48 Fragt man nämlich nach epistemischen Gemeinschaften und Gemeinschaften der Praxis, so muss man nicht auf eine soziale Einheit blicken, die Regelungs- oder Entscheidungskompetenz in Anspruch nimmt. Man kann auch Angehörige von Gruppen oder Netzwerke erfassen, die nur schwache oder vielleicht keinerlei soziale Strukturen ausbilden und die dennoch auf der Grundlage einiger geteilter Annahmen Normativitätswissen erzeugen. Man denke an Handelsbräuche, die sich aus der Praxis herausbilden und durch Verschriftungen an vielen Orten stabilisiert werden, ohne aber durch ein konkret zu benennendes Regelungs- und Entscheidungskollektiv (also etwa einen consulado, consulat etc.) legitimiert zu sein;49 oder an ästhetische Normen, Amtsverständnisse, einen Habitus, geteilte Werte, die im Handeln entstehen und sich durch komplexe soziale Prozesse generalisieren.50

Epistemische Gemeinschaften kann es überall dort geben, wo Menschen Normativitätswissen produzieren, also auch in den lange Zeit von der Rechtsgeschichte kaum beachteten Gemeinschaften, die sich jenseits von Staatlichkeit bewegten, z.B. in den Religionsgemeinschaften, oder bei den Angehörigen indigener Völker oder aus Afrika und Asien in andere Weltteile als Sklaven verschleppten Menschen. Vieles, was in der Soziologie und Ethnologie unter dem Stichwort der Informalität und im Blick auf die Gegenwart erforscht wird, von der Mafia über informelle Märkte oder Normen der Favelas, findet man natürlich mutatis mutandis auch in der Rechtsgeschichte – nur selten aber in der Rechtshistorie.51

Der Begriff ist zudem besonders geeignet, um Prozesse dezentraler kollektiver Normenproduktion zu erfassen, was ein wichtiges Anliegen transnationaler und globaler Rechtsgeschichten ist. Er erlaubt es, nicht-territorial gebundene kommunikative Strukturen in die Betrachtung einzubeziehen, die aber deswegen nicht unbedingt »personal« sein müssen, was meist als Gegenstück zur Territorialität angenommen wird. Man muss auch nicht Sprach-, Traditions-, Erzähl-, Wert-, Solidar- und Anerkennungsgemeinschaften unterscheiden.52 Die Bezeichnung erscheint schließlich geeigneter als die der Kommunikationsgemeinschaften,53 denn epistemische Gemeinschaften können durchaus auch dann bestehen, wenn keine – unmittelbare – Kommunikation stattfindet: Zum Beispiel, wenn die epistemische Gemeinschaft durch den Bezug auf gemeinsame Referenzen besteht. Katholische und protestantische Naturrechtslehren aus der Zeit nach den Reformationen beispielsweise weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf, aber deren Vertreter kommunizierten entweder gar nicht oder die Kommunikation war eingeschränkt, und die Nähe ergibt sich zum Teil lediglich über ge|meinsame Referenzpunkte in der vorreformatorischen Tradition.54 Der Blick auf epistemische Gemeinschaften kann auf diese Weise nicht allein Verflechtungen und soziale Gruppen, sondern auch (auf gemeinsame Anfänge zurückgehende) Koevolutionen erfassen und damit Bedingungen dezentraler Normenproduktion sichtbar machen.

V. Normativitätswissen

Die Vielfalt epistemischer Gemeinschaften und Gemeinschaften der Praxis produziert auch eine Vielfalt von Normen. In dieser Rechtsvielfalt, oder auch dem sog. Rechtspluralismus, wird bekanntlich geradezu ein Charakteristikum sog. vormoderner Gesellschaften gesehen.55

Doch auch diese Sichtweise ist bei näherer Analyse dem Paradigma des Juristenrechts auf dem Weg in die Moderne verhaftet; sie spiegelt gewissermaßen die im vorigen Abschnitt herausgearbeiteten Defizite im Blick auf die Normproduzenten nun auf der Seite der Produkte, also der Normen. Vor allem beschäftigt sie sich nicht wirklich (oder eher äußerlich) mit der Herstellung von Entscheidungen – also mit dem Faktor, der auch aus rechtstheoretischen Gründen geradezu entscheidend ist. Um das tun zu können, dürfte es hilfreich sein, nicht von »Rechtspluralismus«, sondern von »Normenvielfalt« zu sprechen, vor allem aber Bedingungen und Voraussetzungen des juridischen Handelns in die Analyse einzubeziehen und diese unter dem Begriff des »Normativitätswissens« und dessen Spezialfall, dem »Normativitätserzeugungswissen«, zusammenzufassen.

1. Normenvielfalt

Blickt man nämlich genauer hin, so handelt es sich bei vielen rechtshistorischen Untersuchungen zur Rechtsvielfalt und verwandten Phänomenen eigentlich nicht um einen (wie auch immer zu bestimmenden) Rechtspluralismus,56 sondern um einen Rechtsquellenpluralismus: Meistens interessiert man sich nämlich eigentlich nur für die vielfältigen Normen, die von den Juristen als relevant für die Herstellung von Entscheidungen angesehen wurden. Die Perspektive ist also erneut die des Juristenrechts, eingebettet in die Vorstellung einer zunehmenden Absorption unterschiedlicher Rechtsquellen durch die sich etablierenden staatlichen Formen von Recht.

Auch diese Analyse der Rechtsquellenvielfalt ist natürlich wichtig, und die Untersuchungen der frühneuzeitlichen deutschen Gerichtspraxis haben gezeigt, dass die Theorie der Praxis, z.B. die Statutentheorie, die Praxis nicht wirklich zu steuern vermochte.57 In einer Fülle von Studien ist auch analysiert worden, wie gemischte Gerichte gearbeitet haben, und dass jurisdiktionszentrierte historische Regime häufig verschiedene Möglichkeiten boten, zu Recht zu kommen. Doch andere modi von Normativität wie die sog. sozialen Normen wurden oft aus der Perspektive der Staatlichkeit erfasst (etwa infrajustice als »unterhalb« oder »jenseits« staatlicher Justiz angesiedelte Formen der Konfliktregulierung), als Alternative zum Recht angesehen und gewissermaßen einer anderen Welt zugeordnet (zum Beispiel Duelle). Oder sie interessierten vor allem in dem Maße, in dem man‍‍‍ deren Verrechtlichung oder Verwissenschaftlichung beobachten konnte, zum Beispiel im Fall‍‍‍ des Zeremonials und der Zeremonialwissenschaft.58 Doch waren solche Verrechtlichungen und Verwissenschaftlichungen der sog. sozialen Normen keinesfalls die Regel, und sie formalisierten und versprachlichten zudem lediglich einige Teile des normativen Universums. Die unterhalb dieser Schwelle bleibenden oder sich außerhalb dieser Prozesse herausbildenden Normen wurden kaum jemals Teil der am Juristenrecht orientierten, auf die staatlichen Institutionen und das staatliche Recht hingeführten Rechtsgeschichte – obwohl die Menschen natürlich nicht Bürger zweier Welten und die normativen Sphären eben nicht isoliert voneinander waren.

Von welch großer Bedeutung diese jenseits des Rechtlichen liegenden, mit diesem aber eng verflochtenen normativen Sphären sind, haben kultur- und sozialhistorische Forschungen zu Spiel|regeln, Konventionen, Routinen, ganz besonders deutlich auch die Kulturgeschichte der Verfassung vor Augen geführt.59 Wenn man nun aber – mit guten Gründen – im Blick auf kontinentaleuropäische Rechtsgeschichten und deren imperiale Räume für die sog. Vormoderne von einer jurisdiktionszentrierten Form der Rechtsfindung ausgeht (»Jurisdiktionsparadigma«) und dieser zur Kontrastierung eine normzentrierte Form der Rechtsfindung in der staatlichen Moderne gegenüberstellt, so wird besonders deutlich, dass eine allein am Rechtsquellenpluralismus ansetzende Vorstellung von Rechtspluralismus unzureichend ist. Sie entstammt der Welt der westlichen Moderne, auch wenn sie gerade Alterität erfassen will; sie ist für ein (überdies reduktionistisch verstandenes, nämlich an der Fehlvorstellung der Rechtsfindung als sterilem Prozess der Subsumtion orientiertes) normzentriertes System gemacht und blind für die Regeln der juridischen Praxis. Die – hier nur aufzurufende60 – rechtstheoretische Einsicht in die‍‍‍ Tatsache, dass juridisches Handeln und damit auch Normerzeugung notwendigerweise sozial und pragmatisch zu verstehen sind, fordert aber die Beachtung gerade dieser Regeln der juridischen Praxis. Sie zwingt geradezu dazu, neben den primären Regeln, also den Verhaltensregeln, und den sekundären Regeln, also den Operationalisierungsregeln, eine weitere Dimension einzubeziehen, nämlich die Voraussetzungen und Bedingungen juridischen Handelns.61

2. Praxeologie

Bei den regelhaften Voraussetzungen und Bedingungen juridischen Handelns geht es nämlich gerade nicht um die »Theorie der Praxis«, also z.B. um die inzwischen eindrucksvoll aufgearbeitete historische Rechtsquellentheorie und juristische Methodenlehre.62 Diese würde eben zu den sekundären Regeln gehören. Es geht vielmehr um ästhetische Normen, Konventionen, Routinen, aber auch um die normative Dimension von Materialität und Medialität des Rechts sowie eine Fülle weiterer Faktoren, die Einfluss auf den Prozess der Normerzeugung haben, manche davon auch als »injunktive« Normen bezeichnet. Häufig handelt es sich um das nur »vor Ort«, »in der Praxis« oder durch »learning by doing« zu erwerbende praktische Wissen – eine Chiffre für vielfältiges implizites Wissen, das gerade dadurch, dass es nicht ausdrücklich gemacht wird, so bedeutsam wie schwer zu entdecken ist. Auch Machtfaktoren, ökonomische Bedingungen und ihre Auswirkungen auf die Formen der Wissensproduktion können als solche Bedingungen der Praxis in die Analyse integriert werden, wie dies in der Wissenschaftsgeschichte beispielsweise unter dem Stichwort der politischen Epistemologie getan wird.

Diese Voraussetzungen und Bedingungen des Handelns wurden lange Zeit in der Rechtsgeschichte überhaupt nicht oder nur sehr wenig beachtet. Doch sie sind in den letzten Jahren zum Teil unter dem Stichwort der historischen Praxeologie,63 der Sache nach zum Teil auch im |Umfeld der kulturwissenschaftlichen Rechtswissenschaft intensiver diskutiert worden, rechtshistorisch zum Beispiel anhand der Bedeutung ästhetischer Wahrnehmungen für die Normerzeugung.64 Lorraine Daston hat aus der Sicht der Wissenschaftsgeschichte, deren Zuwendung zur Wissensgeschichte nicht zuletzt durch die sog. »Praxiswende« motiviert war, Praktiken lapidar bezeichnet als »roughly, what scientists actually do as opposed to what they say they do.«65

Der Begriff der »Multinormativität«66 zielt darauf, die drei genannten Ebenen – Normenvielfalt, also primäre, sekundäre und Regeln der Praxis, wenn man so will: tertiäre Regeln – zu integrieren und auf die normative Dimension der Bedingungen der Praxis aufmerksam zu machen. Er verweist auf die Normen hinter den Normen und ist damit nicht nur erheblich weiter als der üblicherweise benutzte Begriff des Rechtspluralismus. Er vermeidet auch dessen gefährliche Polysemie, eurozentrische Perspektivität und einige andere Laster: Rechtspluralismus stellt nämlich in sehr vielen Fällen das »Recht« in den Mittelpunkt und grenzt »Nicht-Recht« davon asymmetrisch ab, ist normzentriert, wird häufig zur Taxonomie gebraucht und ist entsprechend statisch, nicht selten Teil eines normativen Projekts und verleitet durch die Bezeichnung des »-pluralismus« zu dem Fehlverständnis, es handele sich um eine irgendwie geordnete, systematische Vielfalt.67

3. Normativitätswissen

Wissensgeschichtlich formuliert kann man diese Multinormativität als Teil von Normativitätswissen ansehen. Dieses Normativitätswissen umfasst allerdings zudem noch eine Fülle weiterer Wissensformen. Denn bei der Herstellung normativer Aussagen werden ganz unterschiedliche Arten des Wissens mobilisiert wie z.B. Faktenwissen, Folgenwissen, Kontextwissen, Raumwissen etc.,68 das in eine rechtshistorische Analyse einzubeziehen ist.

Erst mit einer Sensibilisierung für diese unterschiedlichen Wissensformen und die Gesamtheit des Normativitätswissens dürfte es gelingen, normative Welten rechtshistorisch besser zu entschlüsseln, in denen es keine »Juristen« gab – also den Großteil der Rechtsgeschichten, auch in Europa. Die Notwendigkeit wird allerdings auch in diesem Bereich besonders deutlich, wenn man auf Normerzeugung beispielsweise unter Bedingungen des europäischen Kolonialismus blickt. Die von asymmetrischen Strukturen und sog. Interlegalität gekennzeichneten Übertragungs-, Aneignungs- und Übersetzungsprozesse lassen sich nur durch eine sorgfältige Analyse des Normativitätswissens und insbesondere der Praktiken derer verstehen, die diese Prozesse vollzogen haben. So zeigen beispielsweise Studien, wie indigene Akteure im kolonialen Hispanoamerika Institutionen des Rechts der kastilischen Invasoren anhand ihrer eigenen Vorstellungen von Sachherrschaft interpretierten und damit transformierten, zugleich aber Elemente des Normativitätswissens der kolonialen Ordnung in ihr eigenes Denken integrierten;69 wie christliche Speisegebote oder -verbote scheinbar eingehalten, letztlich aber gewissermaßen subversiv reinterpretiert wurden;70 wie aber auch die koloniale Herrschaft auf funktionalen Missverständnissen beruhte, etwa weil man solche Prozesse der Reinterpretation als Variation der eigenen Normen und Praktiken verstand und damit geltungserhaltend interpretierte.71 Vieles, was in der inzwischen sehr umfangreichen Forschung zu solchen kolonialen und nach-kolonialen Konstellationen als »Hybridität« bezeichnet, mit dieser Bezeichnung allerdings bloß beschrieben wird, dürfte sich entschlüsseln lassen, wenn man Normerzeugung als Prozess und im Blick auf das dabei mobilisierte Normativitätswissen analysiert. |

Diese Prozesse der Anverwandlung, die Nutzung von Normativitätswissen, das aus einem anderen Kontext stammt und nun in die eigene Weltsicht integriert, angeeignet und damit notwendigerweise verändert wird, sind keineswegs auf Situationen in frühneuzeitlichen Imperien beschränkt. Sie stehen auch im Mittelpunkt der für die europäische Rechtsgeschichte geradezu identitätsstiftenden Vorstellung vom kulturhistorischen Vorgang der sog. Rezeption des gelehrten Rechts im europäischen Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Auch dieser wird besser verständlich, wenn man nicht allein die Ausbreitung eines als tendenziell statisch verstandenen Rechts in Raum und Zeit verfolgt, sondern auf dezentrale und soziale, eng mit der Praxis verbundene Prozesse der Wissensproduktion durch Verarbeitung und Herstellung von Normativitätswissen achtet. Auf diese Weise könnte ein komplexeres Bild entstehen als das üblicherweise bloß anhand des Juristenrechts gezeichnete, in dem der kulturhistorische Vorgang der Rezeption vor allem als Prozess der linearen Verwissenschaftlichung und Rationalisierung bewertet wird.72 Auch die oft ebenfalls als unidirektionaler Prozess des Exports europäischer Normen geschriebenen Geschichten der »Europäisierung der Welt«73 oder der Globalisierung von Recht werden komplexer, wenn man auf die Prozesse der Aneignung von Normen aus anderen Regionen achtet, diesen Aneignungsvorgang aber mithilfe des Normativitätswissens – also den kulturellen Praktiken, Weltanschauungen, Normen etc. – analysiert, das den lokalen Akteuren zur Verfügung stand.74

Die Weite des Wissensbegriffs, die zugleich Problem und Chance der Wissensgeschichte ausmacht, bietet die Möglichkeit dazu. Auch wenn vereinzelt eine Definition von Wissen sogar geradezu abgelehnt wird, da diese überhaupt erst der Gegenstand der Disziplin sei,75 gibt es natürlich durchaus eine Vorstellung, was gemeint ist.76 Von Seiten der Wissenschaftsgeschichte, aus der sich ein wichtiger Teil der Wissensgeschichte ausgebildet hat, wird hervorgehoben, der Begriff bezeichne »die Gesamtheit des Wissens, das Mitgliedern einer Kultur, gleich welcher Epoche oder geographischen Herkunft, eigen ist und innerhalb dieser Kultur tradiert wird. Ein so verstandenes, an bestimmte Kulturen gebundenes Wissen kann sowohl implizites als auch explizites Wissen umfassen und sich auf als gesichert geltende Fakten, begriffliche und theoretische Konstruktion sowie kulturelle Denk-, Orientierungs- und Handlungsmuster erstrecken.« Wissen sei »in der Regel auf eine Vielzahl unterschiedlicher Medien, Akteure und Institutionen verteilt, sodass Wissenskulturen nicht unbedingt kohärente Gebilde sind, sondern von divergierenden Strömungen und Autoritätskonflikten durchzogene Formationen bilden, die miteinander im Austausch stehen«.77 Das für die Rechtsgeschichte besonders wichtige herrschaftsrelevante Wissen wird aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft verstanden als »sämtliche Informationen«, die »innerhalb eines bestimmten gesellschaftlichen Handlungszusammenhangs dazu geeignet sind, herrschaftliche Ansprüche zu legitimieren, durchzusetzen und zu tradieren. Dazu zählt beispielsweise Wissen um die Herkunft der beanspruchten Güter, Wissen um die zeitgenössischen gerichtlichen Prozessverfahren oder Wissen um Verwaltungstechniken, die den jeweiligen Bedürfnissen adäquat sind.«78

Normativitätswissen könnte man deswegen – in Anlehnung an eine Beschreibung kulturellen Wissens79 – bezeichnen als Gesamtmenge der Propositionen, die die Mitglieder einer epistemischen Gemeinschaft für wahr halten bzw. die eine hinreichende Anzahl von Texten als wahr setzt.80 Es kann |sowohl implizites als auch explizites Wissen umfassen und sich auf als gesichert geltende Fakten, begriffliche und theoretische Konstruktion sowie kulturelle Denk-, Orientierungs- und Handlungsmuster erstrecken und ist in der Regel auf eine Vielzahl unterschiedlicher Medien, Akteure und Institutionen verteilt; auch Werte gehören dazu.81 Wissen wird dabei zu Normativitätswissen, wenn und soweit es auf das Handlungsfeld »Normativität« bezogen ist; »Normativität« wird dabei verstanden als die Eigenschaft, verpflichtend zu sein.

Diese ihrerseits weite Bezeichnung »Normativität« hat den Vorteil, dass sie nicht an einem engen, vom staatlichen Recht ausgehend konzipierten Rechtsbegriff festhält.82 Sie ist strukturell offen für andere modi der Erzeugung von Verbindlichkeit. Zusammen mit der Weite des Wissensbegriffs macht diese Offenheit den Begriff des Normativitätswissens geeignet für vergleichende oder globalgeschichtliche Forschungen, die auf einen anderen als den Normenbegriff aus einer kulturellen Tradition angewiesen sind: Indem »Normativitätswissen« alles bezeichnet, was der Herstellung von Normativität dient und zugleich auch die Ergebnisse dieses Prozesses, kann der Begriff alles erfassen, was unter den unterschiedlichsten Umständen dazu gedient haben mag. Er schließt damit religiöse Normativität ein, rechtliche, aber auch alltägliche soziale Normen und Praktiken. Er ist damit weit, aber zugleich befreiend.83

4. Spezialfall Normativitätserzeugungswissen

Wie einleitend skizziert, gehört zum Normativitätswissen auch das, was man »Normativitätserzeugungswissen« nennen könnte, also das Wissen, das für die Erzeugung von Normativität als solcher relevant ist: das sich also nicht auf das »Was«, sondern auf das »Wie«, auf die Herstellung von Normativität selbst richtet. Dieses Wissen kann sich darauf beziehen, wie Normen hervorgebracht werden, die Bindungskraft beanspruchen können, und wie solche Bindungsansprüche in Verfahren realisiert werden. Es kann explizit oder implizit sein. Explizit wäre es z.B. im Fall der Methodenlehre, also den im System selbst festgelegten Operationalisierungsregeln; implizit, wenn es um die Normen hinter den Normen geht, also z.B. um Konventionen, also die praxeologisch zu erfassenden Normen. Normativitätserzeugungswissen ist gewissermaßen das Betriebssystem des Rechts.

Die Unterscheidung und damit Hervorhebung des Normativitätserzeugungswissens als Spezialfall von Normativitätswissen erscheint sinnvoll, weil dieses für die rechtshistorische Forschung von besonderer Bedeutung ist. Denn die Veränderung von Recht in bestimmten Handlungsfeldern hängt eben nicht allein von Veränderungen in diesen Handlungsfeldern ab, sondern mindestens auch von den Grundannahmen darüber, wie überhaupt Normativität hergestellt wird. Auch diese Grundannahmen und die Bedingungen des Handelns sind dem Wandel unterworfen. Wenn sich beispielsweise die medialen oder materialen Bedingungen ändern, kann dies Veränderungen des Normativitätswissens nach sich ziehen, wie es anhand von Kulturtechniken wie etwa der Epitomierung oder auch des Buchdrucks gezeigt worden ist.84 Die Aufmerksamkeit für diese häufig verborgenen Faktoren muss an die Seite der leichter zu erfassenden Veränderungen der äußeren Bedingungen treten, also etwa der ökonomischen Faktoren, der Machtverhältnisse etc.

Erst in ihrem Zusammenspiel dürften sie Veränderung verständlich machen. Wenn – um ein anderes Beispiel zu nennen – im Laufe des 19. Jahrhunderts an vielen Orten der Welt und in vielen Handlungsfeldern gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu beobachten sind, so dürfte dies nicht allein auf |ökonomischen, soziologischen, ideologischen Faktoren und veränderten Wertvorstellungen beruhen. Es dürfte mindestens auch auf einer grundlegenden Verlagerung eines auf Ungleichheit beruhenden jurisdiktionszentrierten Normativitätsregimes bis zur europäischen Sattelzeit hin zu einem auf Gleichheit beruhenden, normzentrierten Normativitätsregime der Moderne beruhen – deswegen bediente man sich nun der juridischen Handlungsform »Gesetzgebung«. Über das Schutzniveau selbst sagen die Veränderungen in der Form der Herstellung des Schutzes allerdings wenig aus; es konnte zwar »modern« und höher scheinen, entgegen dem ersten Anschein vielleicht aber sogar weniger hoch sein.85

Das verweist darauf, dass historisches Normativitätserzeugungswissen durchaus eigenen Reproduktions- und Transformationslogiken folgen kann. Es hat selbst eine kontingente Geschichte, die sich gewissermaßen im Inneren oder im Vollzug der Veränderungen der Normativitätsregime beispielsweise in Bezug auf Eigentum, Dependenz, Sicherheit ereignet. Es dürfte nicht zuletzt diese Inkongruenz der Veränderungsdynamiken sein, die für die gleichzeitige Stabilität und Dynamik der Historischen Normativitätsregime sorgt.

VI. Normerzeugung als Prozess der Translation von Normativitätswissen

Wenn Rechtsgeschichte sich als Prozess der Normerzeugung durch die Aufnahme, Neuschöpfung und Transformation von Normativitätswissen begreifen lassen soll, stellt sich die Frage, wie man sich diesen Prozess näher vorzustellen hat. Im‍‍‍ Anschluss an informationswissenschaftlich inspirierte Arbeiten beispielsweise von H.P. Glenn und deren Kombination mit der in der kulturwissenschaftlichen und wissensgeschichtlichen Forschung etablierten Vorstellung der »Translation« lässt sich Normerzeugung als Prozess der Translation von Normativitätswissen verstehen.

1. Reproduktion und Transformation als Translation

Die großen Fragen nach der Reproduktion und Transformation von Recht in Zeit und Raum haben die Rechtsgeschichte natürlich schon seit langem beschäftigt. Sie sind lange Zeit vor allem unter den Stichworten Rezeption, Transfer, Transplant oder eben als Entwicklung, Evolution, Tradition etc. analysiert und mit bestimmten expliziten oder impliziten Theorien des Wandels in Verbindung gebracht worden. Diese Theorien stammten aus Geschichtsphilosophie, Rechtsphilosophie, Psychologie, Biologie, Kulturtheorie, Soziologie, Ökonomie. Früher benutzte man dafür Worte wie »Geist«, »Wesen«, »Natur« und den schillernden Begriff der »Rechtstradition«, heute bezieht man sich explizit auf Theorien, vor allem auf ökonomische, institutionen-, system- oder evolutionstheoretische.

Aus einer wissensgeschichtlichen Perspektive bietet es sich an, die Reproduktion von Recht in Raum und Zeit schlicht als einen Prozess der Translation von Normativitätswissen zu beschreiben. Das bietet nicht nur die Chance, metaphysische Eintragungen zu vermeiden oder intellektuell zu kapitulieren, indem man einfach auf die black box der »Rechtskultur« verweist. Der Blick auf »Translation« als kulturelle Übersetzung kann vielmehr auf eine bereits recht gut etablierte Forschungsdiskussion zurückgreifen und deren theoretisches Potential für die Rechtsgeschichte mobilisieren.86 Denn Kulturgeschichte und Translationswissenschaften beschäftigen sich bereits seit langer Zeit mit der Analyse der Phänomene kultureller Translation,87 und für Teile der Wissenschaftsgeschichte waren Phänomene der Translation von Wissen sogar ein wesentlicher Anstoß für die Zuwendung zur Wissensgeschichte.88

Auch für die Rechtsvergleichung, Rechtswissenschaft und die Rechtsgeschichte ist diese Perspektive inzwischen als fruchtbar identifiziert und erprobt worden,89 zumal sie auf zahlreiche hoch|sensible Beschreibungen von Regelungstraditionen aufbauen kann, die vielleicht nicht unter Nutzung der Terminologie, aber der Sache nach genau diese kulturellen Übersetzungsprozesse quellennah anhand des Juristenrechts nachzeichnen. Viele Studien zeigen detailliert die Lokalisierungs- und Regionalisierungsphänomene, also die Konstitution von Bedeutung durch die Auswahl und Übersetzung derjenigen Autoritäten, die man für die Lösung des konkreten Falls oder der anstehenden Frage für einschlägig hielt.90

Besonders deutlich wird dies in der europäischen Frühen Neuzeit und in deren Kolonialsphären, da der materiale Rechtsbegriff dieser Jurisdiktionskultur eine solche Konkretisierung geradezu forderte, entsprechende Instrumente und Lehren bereitstellte und kulturelle Praktiken hervorgebracht hatte, durch die das arbitrium fast grenzenlos werden konnte.91 In den Kolonien werden deswegen auch in diesem Fall manche Charakteristika der frühneuzeitlichen europäischen Rechtsgeschichte gleichsam wie unter dem Vergrößerungsglas sichtbar, freilich zugleich immer auch mit der Gefahr der Verzerrung des Bildes. Auch für die konstitutive Phase von Nationalstaatlichkeit in Lateinamerika oder Asien sind inzwischen wichtige Einzelstudien entstanden, die diese Prozesse der Normerzeugung durch Konkretisierung normativer Angebote unter lokalen Umständen deutlich machen und diese Phänomene als Translationsprozesse aufarbeiten.92

Ein besonderer Wert der Perspektive der Translation liegt darin, dass sie geradezu dazu zwingt, nicht von einer Wandlung »von etwas« und damit potentiell essentialistisch, sondern prozedural von einer Kette immer neuer Akte der Erzeugung von Normativitätswissen auszugehen. Da in diesem Akt der Erzeugung von Normativitätswissen selbst das gesamte Normativitätswissen aktiviert wird, weil die Praktiken der Normerzeugung ihrerseits zum Normativitätswissen gehören, handelt es sich um einen Prozess, der performativ ist: In dem Akt der Erzeugung von Normativitätswissen verändert sich dieses selbst.

2. Theorie und Praxis

Rechtsgeschichte als Translation von Normativitätswissen zu schreiben, kann deswegen auch dabei helfen, die immer wieder zu findende, reduktionistische und dysfunktionale Entgegensetzung von »Theorie« und »Praxis« zu überwinden.93 Denn nicht selten wird Rechtsgeschichte vor allem als Geschichte der »Theorie« angesehen, also als Geschichte von Ideen, Normen, Institutionen, Dogmen, Wissenschaft – eine Geschichte, deren Quellen vor allem Bücher und staatliches Recht seien. Gegen diese Form der Rechtsgeschichte gerichtet, zum Teil auch aus ihr heraus, hatte sich vor inzwischen fast einem halben Jahrhundert eine Sozialgeschichte von Recht etabliert, die auf sog. Dokumente der Praxis blickte, oft auf Justizakten, und die eine ganz andere Welt offenzulegen schien. So kam es dazu, dass man immer wieder lesen kann, »Theorie« und »Praxis« seien zwei voneinander zu trennende Ebenen; auch trifft man vielfach auf die Unterscheidung zwischen einer »Geschichte der Praxis«, einer »Normengeschichte« und einer »Wissenschaftsgeschichte«. Diese traditionelle, habituell und institutionell gestützte Trennung, vor allem aber das Ausspielen der einen gegen die andere, ist in der rechtshistorischen Forschung mit recht pragmatischen Argumenten kritisiert worden.94 Tatsächlich ist diese Unter|scheidung auch nur forschungsgeschichtlich zu erklären und führt, näher besehen, in zahlreiche Widersprüche hinein.95

Die Kritik ließe sich freilich noch viel grundlegender formulieren. Denn nur eine Rekonstruktion der zeitgenössischen politischen Sprache verleiht einen Zugang zur Bedeutung von Praxis – und diese politische Sprache lässt sich nun einmal in vielen Texten konzentriert finden, die zur sog. »Theorie« gezählt werden, oft aber eben aus der »Praxis« stammen. Grotius, um nur ein berühmtes Beispiel zu nennen, schrieb gerade als Praktiker.96 Vor allem aber haben die performativen, kontextuellen, post-positivistischen Rechtstheorien, die Recht als soziale und kulturelle Praxis verstehen, mit überzeugenden Gründen auf die Unmöglichkeit der Trennung von »Theorie« und »Praxis« aufmerksam gemacht. Es gibt kaum eine Theorie ohne Praxis und keine Praxis ohne ein Mindestmaß an »Theorie«. Fasst man diese Überlegungen zusammen, so besteht das Geschäft der Rechtsgeschichte in nichts anderem als in der Interpretation verschiedener Praxisformen, allesamt Teile eines großen historischen Sprachspiels, das es zu entschlüsseln gilt97 – und für dessen Entschlüsselung man auf unterschiedliche Medien zurückgreifen muss. »Theorie« und »Praxis« lassen sich also nicht trennen, und auch die häufig zitierte Unterscheidung von ›law in the books‹ und ›law in action98 und der Verweis, Ersteres sei bloße Theorie, werden‍‍‍ dieser unauflöslichen Verflochtenheit beider Dimensionen nicht gerecht.99 Beide als Teil von Normativitätswissen anzusehen hilft dabei, diese Dichotomien zu überwinden.

3. Glokalisierungen

Eine wissensgeschichtliche Perspektive, die Normerzeugung als Translation von Normativitätswissen ansieht, kann schließlich dabei helfen, ethnozentrische oder diffusionistische Perspektiven zu überwinden, wenn es um die Reproduktion von Recht im Raum geht. Sie bietet damit eine geradezu unentbehrliche Voraussetzung für jede Form von Globalrechtsgeschichte.100

Das gilt zunächst im Blick auf die Begriffsbildung. Die große Erzählung der Rechtsgeschichte arbeitet mit dem, was man in Anlehnung an die anthropologische Forschung »emische Begriffe« nennen kann, also Begriffe, die aus der und für die Teilnehmerperspektive formuliert sind. Diese »Eigenbegrifflichkeit«101 ist deswegen für die beobachtete Gemeinschaft genauso wichtig und aussagekräftig, wie sie für einen Vergleich ungeeignet ist. Sie hilft gerade nicht, andere Formen der Normerzeugung zu analysieren. Dafür bedarf es einer Sprache, die möglichst wenig voraussetzungsvoll ist, deren Begriffe also keine impliziten Präferenzen für bestimmte kulturelle Systeme und damit verbundene Kategorien wie »Recht« und »Nicht-Recht« oder für Dynamiken wie die am westlichen Selbstbild konzipierte »Modernisierung« enthalten. Sie müssen vielmehr offen für unterschiedliche kulturelle Systeme sein – wie es |die Vorstellung einer Translation von Normativitätswissen ist.

Rechtsgeschichte als Geschichte der Translation von Normativitätswissen zu betreiben hat schließlich auch einen heuristischen, wenn man so will, geradezu disziplinierenden und damit epistemische Risiken vermindernden Effekt.102 Denn die Konzentration auf die Prozesse der Wissenserzeugung führt zwangsläufig zu einer Priorisierung des Lokalen und damit einer Rekonstruktion auch transnationaler oder globaler Geschichte aus der lokalen Perspektive. Denn mit der Rekonstruktion von Translationsprozessen werden zwangsläufig lokale Quellenbestände zum privilegierten Objekt und zur bevorzugten Methode; es geht ja gerade um eine Rekonstruktion der Bedingungen und Voraussetzungen des Handelns, hier also der Translationsleistung. Natürlich erledigen sich damit keineswegs die ebenfalls seit langem und in jüngerer Zeit wieder intensiver diskutierten Fragen nach dem Verhältnis von Global- und Lokalgeschichte. Doch diese Perspektiven ergänzen einander, vielleicht sogar derart, dass man mit Recht behaupten kann, dass gute Globalgeschichte nur gute Lokalgeschichte sein kann – und umgekehrt.103 Eine Globalrechtsgeschichte wird damit zu einer Geschichte von unzähligen Translationsvorgängen von Normativitätswissen an unterschiedlichen Orten. Sie kann zu dem Bild einer Glokalisierung von Wissen in Bezug auf Normativität für bestimmte Handlungsfelder – also zum Beispiel Dependenzregime, Diversitätsregime, Eigentumsregime – und in Bezug auf die Herstellung von Normativitätswissen selbst führen. Das dürfte helfen, Ähnlichkeit und Differenz, die Dynamik dieser Prozesse der Herausbildung von Regimen, letztlich auch das Vorhandensein einer polysemen Sprache des Rechts auf internationaler Ebene zu erklären.

VII. Ausblick

Was ergibt sich aus dem Rückblick, der Historisierung der Forschungstradition, der Defizitanalyse und den Schlaglichtern auf die Möglichkeit, Rechtsgeschichte als Geschichte der Translation von Normativitätswissen zu schreiben?

Das Hauptanliegen dieses Beitrags bestand darin, auf das Potential einer wissensgeschichtlichen Perspektive auf die Rechtsgeschichte hinzuweisen und einige Grundbegriffe dafür vorzustellen. Eine Motivation für diesen Vorschlag lag darin, dass die toolbox der deutschen Variante der europäischen Rechtsgeschichte an ihre Grenzen gerät, wenn sie globalhistorische Perspektiven entwickeln möchte. Die Überlegungen reichen allerdings weiter und schlagen letztlich eine Methodik der Rechtsgeschichte vor, die nicht allein für die Globalrechtsgeschichte, sondern für die Rechtsgeschichte insgesamt vielversprechend erscheint; der Beitrag ist hoffentlich also ein Beispiel für die häufig postulierte produktive Irritation von Nationalgeschichten durch Globalgeschichte.

Das dürfte nach aller Erfahrung auf einige Skepsis in der Zunft stoßen. Doch der Versuch erscheint vielleicht etwas weniger vermessen, wenn man auf die Erfahrungen der Wissenschaftsgeschichte, teilweise auch der Kunstgeschichte, blickt, die sich in einer breiten Diskussion ähnliche Fragen nach ihren wissenschaftlichen Konzepten und Praktiken stellen.104 Vor allem die Wissenschaftsgeschichte befindet sich bereits seit gut zwei Jahrzehnten in einem bemerkenswerten Prozess der Öffnung und Erweiterung, dessen Ausgangslage erstaunliche Parallelen zur Situation der Rechtsgeschichte aufweist. So lag ein wesentliches Anliegen der Zuwendung der Wissenschaftsgeschichte zum Wissen darin, den Wissenschaftsbegriff zu de-europäisieren und damit die modernisierungstheoretische Orientierung der klassischen Wissenschaftsgeschichte zu überwinden; ähnliches |gilt für die Kunstgeschichte und deren global turn. Im Zuge dessen wurde die Bedeutung praktischen Wissens betont und vor allem in der Wissenschaftsgeschichte nach einer Terminologie gesucht, mit der die Prozesse der dezentralen Wissensproduktion, des Transfers und der Translation beschrieben und analysiert werden können. Der Anstoß zu dieser Neuorientierung kam nicht zuletzt durch die Rezeption praxeologischer Theorieangebote, die Renaissance der Studien Ludwik Flecks und Hans-Jörg Rheinbergers Überlegungen zur Historischen Epistemologie.105 In ähnlicher Weise sind in den letzten beiden Jahrzehnten auch jenseits der‍‍‍ Wissenschaftsgeschichte eine Reihe von wichtigen Überlegungen vorgelegt und praktisch umgesetzt worden, in denen »Wissen« zum Teil sogar als neuer Bezugsrahmen historischer Forschung bezeichnet wurde106 – jenseits älterer Debatten um die »Wissensgesellschaft«, um die historische Bedeutung von Wissen etwa für Imperiengeschichte oder die Geschichte der Staatsbildung, die natürlich weiterhin relevant sind.107

Der Rückblick auf die Forschungstradition und deren Grenzen sollte deutlich machen, dass auch die Rechtsgeschichte von einer solchen kritischen Reflexion und Revision ihrer Grundbegriffe profitieren könnte. Denn sie folgt mit ihren wissenschaftlichen Traditionen und Praktiken einem Paradigma des Juristenrechts, das zutiefst voraussetzungsreich ist, der Welt der Nationalstaatlichkeit entstammt und in eine teleologische Struktur eingebunden ist. In ihre Grundbegriffe und Praktiken sind Rechtsvorstellungen und Kampfbegriffe des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wie die des »Juristenrechts« eincodiert, und viele Ergebnisse rechtshistorischer Forschung lassen sich in die auf dieser Grundlage geschriebene große Erzählung nicht einbinden. Auch die Norm- und Praxisbegriffe werden in ihr in geradezu erstaunlicher Weise wenig reflektiert. Rechtshistorische Forschung muss sich deswegen kultur-, sozialwissenschaftlich und rechtstheoretisch informieren, ihre eigenen Traditionen kritisch reflektieren und auf dieser Grundlage ihre eigenen Begriffe bilden. Die‍‍‍ inzwischen fundamentale, von ganz unterschiedlicher Seite stammende Kritik an den die große Erzählung auch der Rechtsgeschichte tragenden »gefährlichen Prozessbegriffen«108 macht diese Notwendigkeit offensichtlich.

Eine wissensgeschichtliche Perspektive auf die Rechtsgeschichte könnte nicht nur dazu beitragen, dass wir unsere Tradition gewissermaßen »exotisieren«, sondern auch einen neuen intellektuellen Bezugsrahmen bereitstellen und damit der gegenwärtigen Tendenz zur Zerstreuung der Forschung in eine Fülle unverbunden nebeneinanderstehender und zum Teil inkommensurabler Einzelbeobachtungen entgegenwirken.109 Diese Perspektive ist natürlich nicht so eingängig wie die üblichen großen Linien und Erzählungen es sind, an deren Endpunkt unser selbstgewisses Heute steht. Sie würde aber ein komplexeres und vielleicht sogar ganz anderes Bild der Vergangenheit unserer normativen Ordnungen erkennen lassen. Vor allem würde sie nicht mehr eine Vorgeschichte nationalstaatlicher Ordnungen des 19. und 20. Jahrhunderts erzählen, also eine Vorgeschichte des Rechts der Moderne – und damit wahrscheinlich eine Geschichte des Gestern.110 Sie würde Rechtsgeschichte vielmehr gesprächsfähig machen111 für |das Nachdenken über die »postmoderne Kondition des Rechts«,112 an der sich die Rechtswissenschaft heute abarbeitet und in der sich durch die Digitalisierung unserer Kultur gerade das dramatisch verändert, was in diesem Beitrag als »Normativitätserzeugungswissen« bezeichnet worden ist.

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Notes

1 Aufgrund der Weite des Themas musste ich vor allem in den Abschnitten zur Forschungsgeschichte weitgehend auf Nachweise verzichten; um interdisziplinäre Anschlussfähigkeit zu erleichtern, habe ich insbesondere im Teil II eine radikal vereinfachende Darstellung gewählt. Ich verweise für detailliertere Darstellungen und viele Literaturhinweise auf vorherige Publikationen, in denen einige der hier im Zusammenhang präsentierten Überlegungen entwickelt worden sind. Sie beginnen mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Tradition der sog. europäischen Rechtsgeschichte, vgl. Duve (2012), bilanzieren Möglichkeiten einer transnationalen Rechtsgeschichte, vgl. Duve (2014), und die rechtshistorische Forschung der letzten Jahrzehnte im deutschen Sprachraum, vgl. Duve (2018a). Der wissensgeschichtliche Ansatz wurde erörtert, erprobt und fortentwickelt in Duve (2018c); Duve (2020a); Duve (2021); Duve (2020b). Wichtige Inspirationen waren Scattola (2006); Glenn (2014); Schuppert (2014); Schuppert (2015a); Schuppert (2017); Schuppert (2019b); Schuppert (2021); Vesting (2015) – von Vesting auch das Zitat, Rz. 65. Die Debatte aus dem Bereich der Wissenschafts- und Wissensgeschichte habe ich nicht zuletzt durch Lorraine Daston, Jürgen Renn, Matteo Valleriani kennengelernt. Einen Bezug der Wissensgeschichte zur Rechtsgeschichte stellte in einem Kolloquium am MPI für – damals – europäische Rechtsgeschichte im Jahr 2013 Jürgen Renn her, vgl. Renn (2014). Die Überlegungen zu Normativitätsregimen haben wir in einer Arbeitsgruppe am MPI diskutiert, ein Entwurf dieses Beitrags wurde auf einer Sitzung des Seminar zu Methoden der Rechtsgeschichte am Department »Historische Normativitätsregime« am MPI für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie im März 2021 besprochen. Anlass für diesen zusammenfassenden und in mancher Hinsicht einführenden Überblick war die Einladung von Gunnar Folke Schuppert und Ino Augsberg zur Teilnahme an einer Tagung »Wissen und Recht«, aus der eine größere Publikation hervorgehen soll. Ich danke beiden, dass sie der Publikation meines Beitrags in der Rg zugestimmt haben. Wie man sieht: Erzeugung von Wissen ist ein sozialer Prozess – die intellektuelle Haftung bleibt individuell.

2 Normativitätswissen kann man – in Anlehnung an eine Beschreibung kulturellen Wissens – bezeichnen als Gesamtmenge der Propositionen, die die Mitglieder einer epistemischen Gemeinschaft für wahr halten bzw. die eine hinreichende Anzahl von Texten als wahr setzt. Es kann sowohl implizites als auch explizites Wissen umfassen und sich auf als gesichert geltende Fakten, begriffliche und theoretische Konstruktion sowie kulturelle Denk-, Orientierungs- und Handlungsmuster erstrecken und ist in der Regel auf eine Vielzahl unterschiedlicher Medien, Akteure und Institutionen verteilt; auch Werte gehören dazu. Wissen wird dabei zu Normativitätswissen, wenn und soweit es auf das Handlungsfeld »Normativität« bezogen ist; »Normativität« wird dabei verstanden als die Eigenschaft, verpflichtend zu sein. Zum Begriff vgl. ausführlicher unten, Abschnitt V.

3 Historische Normativitätsregime lassen sich definieren als Beobachtungen von mehr oder weniger stabilisierten historischen Arrangements von Diskursen, Praktiken, Regeln, Normen und Prinzipien und deren kontingenten Bedingungen, die bei der Herstellung, Vermittlung und Durchsetzung von generalisierbaren Verhaltenserwartungen in Bezug auf ein bestimmtes Handlungsfeld relevant sind. Zum Begriff ausführlicher unten, Abschnitt V.

4 So beispielsweise das Ergebnis der Studie von Pihlajamäki (2017). Zur Wechselwirkung von Medium und Inhalt z.B. Hespanha (2008); Meyer (2020); Bragagnolo (2020).

5 Normativitätserzeugungswissensregime sind somit Normativitätsregime besonderer Art, die das »intellektuelle Betriebssystem« von (anderen) handlungsfeldbezogenen Normativitätsregimen darstellen. Allerdings sollte das nicht zu dem Schluss verführen, dass jedem Normativitätsregime ein bestimmtes Normativitätswissensregime zugeordnet ist und umgekehrt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Normativitätswissensregime durchaus ihren eigenen Reproduktions- und Transformationslogiken folgen, die gerade nicht an die Grenzen eines handlungsfeldbezogenen Normativitätsregimes gebunden sind. Zum Begriff vgl. ausführlicher unten, Abschnitt V.

6 Die folgenden, vor allem der Herausarbeitung einiger Linien dienenden Ausführungen sind mit Blick auf die deutschsprachige Tradition geschrieben. Natürlich ist diese nicht von anderen zu trennen, weist aber doch zahlreiche Besonderheiten auf; sie ist z.B. der italienischen enger verwandt, unterscheidet sich allerdings deutlich z.B. von der spanischen und französischen. Für ausführliche Nachweise vgl. die in Anm. 1 zitierten Arbeiten.

7 Bellomo (1993).

8 Rosenberg (2003).

9 Die Interpretation dieses Prozesses als closure bei Glenn (2014) unter Bezug auf Lawson (2001).

10 Zur Formulierung des »Juristischen Absolutismus« und dessen Bedeutung Grossi (1998).

11 So der programmatische Titel der berühmten, von Eichhorn, Savigny und Göschen gegründeten Zeitschrift, deren erster Band 1815 erschien, digital verfügbar unter http://hdl.handle.net/hdl:11858/00-001M-0000-002E-3FD5-0.

12 Stolleis (2011a).

13 Hespanha (2015).

14 Vgl. z.B. Meyer (2006); Thier (2007); Dusil (2018).

15 Bellomo (2005) 35ff.

16 Simon (1988).

17 Vgl. dazu Haferkamp (2018).

18 Rückert (1995). Die Formulierung »Bekenntnisbuch« bei Landau (2010) 50.

19 Schmitt (2011) [1950], Vorwort, 6.

20 Genzmer (1961).

21 Zimmermann (1998).

22 Landau (2013), Vorwort, 13 und an anderen Stellen.

23 Haferkamp (2019) 907 in seinem prägnanten Überblick über die Entwicklung. Auf die Prägung der Wieacker’schen Periodisierung durch Kantorowicz’ »Epochen der Rechtswissenschaft« von 1914 weist hin Landau (2010) 54.

24 Vgl. zum Strafrecht den Überblick von Härter (2018); zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Stolleis (2017); zur Geschichte des öffentlichen Rechts Stolleis (2014); zur Kulturgeschichte der Verfassung Stollberg-Rilinger (2008); zur Bedeutung des kirchlichen Rechts und einer öffentlich-rechtlichen Perspektive auf die »westliche« Rechtsgeschichte vgl. Berman (1991); zur Geschichte von Gerichtsbarkeit und Verfahren Oestmann (2015).

25 Vgl. für ausdrückliche Reflexion z.B. die Überlegungen von Stolleis (2011b).

26 Wieacker (1967) 169.

27 Wieacker (1985).

28 Wieacker (1967) 69.

29 Nur hingewiesen sei auf die recht intensive Debatte um Wieackers Werk in Behrends/Schumann (Hg.) (2010) sowie im Anschluss an die grundlegende Kritik von Winkler (2014), mit ausführlichen und zum Teil sehr kritischen Rezensionen z.B. von R. Zimmermann, H.-P. Haferkamp und P. Landau.

30 Zu großen Erzählungen in der Rechtsgeschichte vgl. Rückert (2008).

31 Ehrlich (1989) [1913], der übrigens bereits von der Bedeutung »praktischen Wissens« spricht, a.a.O., 16.

32 Vgl. zu Governancekollektiven, Regelungsstrukturen und der Nutzung der Governancetheorie für eine für‍‍‍ eine Regelungswissenschaft Schuppert (2011), Schuppert (2015b), sowie die Beiträge in Esders/Schuppert (2015).

33 Vgl. zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik Dilcher (2017) sowie für die »junge« geisteswissenschaftliche Ausrichtung Liebrecht (2018); zur Germanistik während des NS Schäfer (2015).

34 Vgl. den Überblick bei Hespanha (2018); Hespanha (2019).

35 Grundlegend dazu Costa (1969).

36 Eine gute Zusammenfassung bei Agüero (2007).

37 Agüero (2016).

38 Vgl. Mejía Quiroga (i.E.); Dias Paes (2021); Sirotti (i.E.).

39 Collin (2016), insbesondere 145ff.

40 Dazu der Überblick bei Schennach (2019).

41 Duve (2004); Zamora (2017); Zhang (2017).

42 Vgl. dazu konzeptionell Duve (2020a) sowie anhand der Technik der Epitomierung Meyer (2020).

43 Vgl. dazu Bertram (Hg.) (2005); Fantappiè (2008).

44 Insbesondere in Politikwissenschaft und Internationalen Beziehungen ist der Begriff intensiv diskutiert worden, vgl. den Überblick bei Haas (2012); mit inhaltlichen Erweiterungen Cross (2013). Eine interessante Anpassung der Konzeption für das Internationale Recht durch Cardenas/d’Aspremont (2020); Bianchi (2019); Bogdandy/Urueña (2020) nutzen das Konzept in einer für die hier beschriebenen Zwecke anschlussfähigen Weise in ihrer Arbeit zum lateinamerikanischen transformativen Konstitutionalismus; auf epistemische Gemeinschaften bezieht sich ebenfalls Glenn (2014) 41.

45 In der Wissenschaftsgeschichte wird die Bezeichnung epistemische Gemeinschaften auch benutzt für »families of editions, grouped according to‍‍‍ their content, that eventually came to shape knowledge within and by way of the European educational framework«, vgl. Valleriani u.a. (2019).

46 Duve (2020c); Duve (2021).

47 Streng genommen bedarf es gar nicht der Unterscheidung zwischen epistemischen Gemeinschaften und Gemeinschaften der Praxis, da letztere auch als epistemische Gemeinschaften angesehen werden können, vgl. mit Gründen, die den hier vorgetragenen Überlegungen sehr nahestehen Adler (2019), insbes. 298ff. Doch die ausdrückliche Nennung mag die Bedeutung der in der Rechtsgeschichte häufig gerade nicht berücksichtigten Gemeinschaften der Praxis und die Sensibilisierung für Rechtserzeugung als Akte sozialer Praxis unterstreichen. Das gilt umso mehr, als die Fixierung der Rechtsgeschichte auf bestimmte Autoren – auch ein Erbe der Prägung durch das Juristenrecht – immer wieder dazu verleitet, die Bedeutung der Normerzeugung in der wissenschaftlichen, forensischen, anwaltlichen oder alltäglichen Praxis zu unterschätzen.

48 Schuppert (2017) 59ff. spricht von Regelungskollektiven.

49 Vgl. dazu jetzt die Beiträge in Gialdroni u.a. (Hg.) (2020).

50 Vgl. zu den Beispielen die Diskussion im Fokus »Multinormativität« der Rechtsgeschichte – Legal History 25 (2017); zur Wertegeneralisierung als Folge von Handlungen vgl. Joas (1999).

51 Vgl. z.B. mit Bezug auf die Rechtsgeschichte Losano (2000).

52 Gertenbach u.a. (2010).

53 Zu Kommunikationsgemeinschaften vgl. auch Schuppert (2015a) 296ff., zu »epistemic communities« a.a.O. 228ff. und Schuppert (2019a) 65ff. Die Begriffe sind aber natürlich nah, vgl. auch Pogner (1999).

54 Zu territorialen und deterritorialen Gemeinschaften vgl. auch Schuppert (2015a) 283ff., zu Kommunikationsgemeinschaften a.a.O., 296ff.; zu dem Beispiel der Naturrechtslehren Duve (2020c); Duve (2021).

55 Grossi (1995); Stolleis (2008b).

56 Vgl. zu der langen und wechselvollen Geschichte der Begriffsverwendung und den vielfältigen Bedeutungen umfassend Seinecke (2015).

57 Oestmann (2002).

58 Vec (1998).

59 Vgl. insbesondere Stollberg-Rilinger (2008).

60 Vgl. einführend z.B. Vesting (2015), insbesondere Rz.60ff., 191ff.; Buckel u.a. (Hg.) (2020), insbesondere zu Neuem Rechtsempirismus, Nachpositivistischem Rechtsdenken; vgl. auch Kuntz (2016).

61 Die Terminologie knüpft an die Unterscheidung von Hart (1961) an, die deutsche Übersetzung als »Regel« folgt der Ausgabe bei Suhrkamp 2009.

62 Schröder (2021).

63 Praxeologie meint eine häufig wissenschaftssoziologische und zumeist machtanalytische, empirische Arbeitsweise, die der Beschreibung von Praktiken dient. Das Ziel liegt darin, kommunikative und körperliche Praktiken und deren implizite gesellschaftliche Logik – und nicht in erster Linie mentale Prozesse, Theorien oder Ideen – in den Fokus zu nehmen, vgl. Frietsch (2013) 311. Eng verbunden – wenn nicht sogar gleichbedeutend damit – ist die Praxistheorie, insbesondere die in der Wissenschaftsforschung entwickelte, deren Hauptabsicht darin liegt, die Erzeugung wissenschaftlicher Ergebnisse nicht mehr nur aus der Logik einer Theorie, die sich immer weiter entwickelt, zu verstehen, sondern auch aus einer Logik der Praxis, zum Teil sogar als Ethnographie der Forschungspraxis, vgl. den Überblick von Hillebrandt (2009) 369. Einen Überblick aus der Perspektive der Frühneuzeitforschung gibt z.B. Füssel (2019). Zur Globalgeschichte und dem »practice turn« vgl. z.B. Epple (2018).

64 Eine Sonderstellung hat sicherlich Latours La fabrique du droit aus dem Jahr 2002, in deutscher Sprache nun Latour (2016). Vgl. im übrigen z.B. Gephart (2012); Hespanha (2008); Vesting (2011–2016); Vismann (2000), Vismann (2012). Zur Rechtsästhetik grundlegend Damler (2016a) sowie auf ein konkretes Feld, das Konzernrecht, gewendet Damler (2016b); ein Beispiel für den Einfluss sinnlicher Wahrnehmung auf die Interpretation des weltberühmten völkerrechtlichen Vertrags von Tordesillas bei Duve (2017a).

65 Daston (2017) 139.

66 Duve (2017b).

67 Etwas ausführlicher zu dieser zugespitzten Kritik Duve (2017b); grundlegend Seinecke (2015), der die‍‍‍ Problematik der Polysemie und anderes hervorragend herausarbeitet und den Begriff in einer interessanten und der hier vertretenen Position nahen Wendung retten möchte; mir scheint allerdings die m.E. entscheidende praxeologische Dimension nicht mehr in den Begriff einzubringen zu sein.

68 Vgl. dazu aufschlussreich die Liste der Arten des Wissens bei Hoffmann-Riem (2016) 307 ff.

69 Herzog (2015).

70 Ferlan (2018).

71 Zaballa Beascoechea (2018).

72 Vgl. zu der klassischen Perspektive auf diesen Prozess z.B. Sellert (1998).

73 Headley (2008).

74 Vgl. dazu Duve (2020b). Beispiele etwa zur Translation deutschen Verfassungsrechts in die chinesische Kultur bietet Li (2019).

75 Landwehr (2007) 801.

76 Vgl. Renn/Hyman (2012); ein systematischer Überblick auch bei Abel (2014).

77 Müller-Wille u.a. (2017) 3, mit Hinweis auf Neumann (2013).

78 Hier zitiert Landwehr (2007) 806; Hildbrand (1996) 86f.

79 Neumann (2013).

80 In besonders anschaulicher Weise hat James Boyd White die Vorstellung von »legal knowledge« 2002 im Blick auf die US-amerikanische Rechtspraxis, beschrieben als »an activity of mind, a way of doing something with the rules and cases and other materials of law, an activity that is itself not reducible to a set of directions or any fixed description. It is a species of cultural competence, like learning a language; this may in fact be the closest analogy we have, for what a lawyer knows at the center is how to speak and write the language of the law, in actual situations in the world – how to use legal language to create legal meaning«, White (2002) 1399.

81 Die Kriterien, nach denen normative Information von normativem Wissen unterschieden werden kann, sind höchst vielfältig und voraussetzungsreich. Einen Überblick über einige Verwendungsformen und Abgrenzungen gibt, insbesondere im Blick auf die rechtshistorische Mediävistik, Dusil (2018) 3ff. Seine Grundentscheidung für einen bestimmten, später weiter ausdifferenzierten Wissensbegriff steht im Zusammenhang mit seinem an Arbeiten vor allem von Christoph Meyer, Andreas Thier und anderen anschließenden Interesse an der Ordnungsbildung in mittelalterlichen Rechtstexten, siehe z.B. Meyer (2006); Patzold (2013); Thier (2007); Thier (2011).

82 Zu einer für die Zwecke einer Rechtsgeschichte als Geschichte von Normativitätswissen befreienden Normativitätsvorstellung, die von taxonomischen Absichten und der Geltungsproblematik entlastet ist und sich intensiv mit vielen der hier angeschnittenen Fragen beschäftigt, vgl. Möllers (2015).

83 Zu der emanzipatorischen Funktion der Wissensgeschichte und ihrem heuristischen Wert vgl. auch Jordheim/Shaw (2020).

84 Meyer (2020); Bragagnolo (2020).

85 Vgl. zu den Schutzregimen Meccarelli (2016); in Lateinamerika beispielsweise dürfte die Etablierung eines auf Rechtsgleichheit gerichteten Rechtssystems zum Teil sogar eine deutliche Schlechterstellung indigener Völker nach sich gezogen haben, vgl. Duve (2018b).

86 Vgl. den Überblick in Duve (2012).

87 Vgl. z.B. Burke (2007); Burke (2009a); Burke (2009b); Burke (2012).

88 Müller-Wille u.a. (2017) 10; Secord (2004); Renn/Hyman (2012); Daston (2017).

89 Vgl. z.B. Langer (2004); auch White (1985); White (1990).

90 Vgl. ausführlicher Duve (2020a). Dort unterscheide ich zwei Stufen der Translation: eine erste, in der normative Information zu Normativitätswissen wird, indem sie auf ein Handlungsfeld bezogen wird; eine zweite, in der dieses allgemeine Normativitätswissen für die Lösung eines konkreten Falles erneut in die Realität übersetzt, also konkretisiert wird.

91 Duve (2007); Mejía Quiroga (i.E.).

92 Dias Paes (2021); Sirotti (i.E.); Li (2019).

93 Etwas ausführlicher dazu bei Duve (2020b).

94 Oestmann (2014) und die anschließende Diskussion in Rechtsgeschichte – Legal History 23 (2015), http://rg.rg.mpg.de/de/Rg23/Debatte.

95 Denn rechtshistorische »Normengeschichte« greift natürlich auch auf »Praxis« zu, wenn sie richtigerweise die Herausbildung von Normen nicht mehr – wie lange Zeit üblich – einfach anhand von Gesetzen oder anderen Normsetzungen rekonstruiert, sondern z.B. auch aus der Justizpraxis. Auch »Wissenschaftsgeschichte« ist sinnvollerweise nur als Geschichte institutionalisierter Praxis zu betreiben, jedenfalls dann, wenn man diese nicht in gänzlicher Ablösung von heutigen wissenschaftsgeschichtlichen Standards als weitgehend kontextfreie Geschichte einer Kette von Ideen großer Juristen schreiben will. Die sog. »Praxisgeschichte« schließlich ist so, wie sie betrieben wird, nicht eine Geschichte juridischer Praktiken, sondern mindestens auch eine richtigerweise aus der Praxis geschriebene Geschichte von Gerichtsverfassung und Prozessrecht – man könnte jedenfalls diesen Teil damit durchaus der »Normengeschichte« zuschlagen. Geht es ihr dagegen um die Rekonstruktion von Alltagsleben, Geschlechterrollen, Ehrkonflikten etc., so dürfte es sich um Sozial-, Geschlechter-, Kulturgeschichte etc. handeln. Denn nicht die Quelle, sondern das Erkenntnisinteresse definiert die Zuordnung.

96 Vgl. z.B. Van Ittersum (2006).

97 Vgl. dazu Stolleis (2008a).

98 Vgl. zu den verkürzten Lesarten Halpérin (2011) 45.

99 Keine wirkliche Lösung sind auch Neuschöpfungen wie »jurispractice«, ein Begriff, der zur Beschreibung administrativer Praxis dienen soll, von Lauren Benton definiert als »patterns of strategic behavior that is simultaneously cultural and, through its repetition, institutional in effect.« Denn auch wenn damit ein weiter, auf normengenerierende Praxis gerichteter Begriff verwandt wird, wird eine klare Grenzlinie zu dem Normativitätswissen gezogen, in dessen Horizont gehandelt wird: »norms make spectacularly bad objects of analysis«, betont Benton, und »historians have dull tools with which to uncover supposedly determinative ›normative structures‹ operating in deep background to legal behavior and utterances.« Benton (2018) 276, 275, 280.

100 Ausführlicher dazu Duve (2020b).

101 Landsberger (1926) 355.

102 Ausführlicher dazu bereits Duve (2012); Duve (2020b).

103 So mit interessanten Folgeüberlegungen Wenzlhuemer (2017).

104 Überblicke bei Renn (2015); Daston (2017), Müller-Wille u.a. (2017). Zur verwandten Methodenproblematik in der Kunstgeschichte aufschlussreich z.B. Joyeux-Prunel (2019).

105 Fleck (2011), mit einer Einführung auch zur Renaissance seiner Arbeit; eine neuere Zusammenfassung auch der eigenen Position und der Debatte zur Historischen Epistemologie in Rheinberger (2017).

106 Sarasin (2011); Landwehr (2007); Füssel (2019).

107 Vgl. auch Jordheim/Shaw (2020) und die Beiträge in dem von ihnen herausgegebenen special issue.

108 Joas (2017).

109 Zur »Exotisierung« als Strategie vgl. bereits Koskenniemi (2011); zu der auch durch Internationalisierung und Interdisziplinarität verursachten Zerstreuung der Forschung in unverbundene Einzelbeobachtungen vgl. Duve (2018a).

110 Vgl. zu den nachmodernen, postmodernen etc. Rechtstheorien Buckel u.a. (Hg.) (2020), insbesondere zu Neuem Rechtsempirismus, Nachpositivistischem Rechtsdenken mit weiteren Nachweisen; die Diagnose eines grundlegenden Bruchs auch z.B. bei Douglas-Scott (2013); Auer (2018b).

111 Insbesondere mit den inzwischen recht zahlreichen Ansätzen, Rechtswissenschaft kulturwissenschaftlich, rechtssoziologisch und rechtstheoretisch gerade auch als modus der Wissensproduktion zu verstehen, wie es auf der in Anm.1 genannten Tagung »Wissen und Recht« geschah und z.B. von Schuppert (2019b), Boulanger (2019), letztlich aber wohl auch von Möllers (2015), Auer (2018b) und anderen vorgeschlagen wird.

112 So Auer (2018a), 135ff., die dies als zentrales Thema der Rechtstheorie der ›Berliner Republik‹ ansieht.