Das Gebäude ist bis heute repräsentativ. Die Hauptverwaltung des »Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes« (DHV) am Holstenwall in Hamburg am Rande der Neustadt wurde 1927 bis 1931 von Ferdinand Sckopp und Wilhelm Vortmann im norddeutschen Backsteinexpressionismus erbaut.1 Das im Krieg fast unzerstörte Bürogebäude gilt als erstes Hamburger Hochhaus und war lange der höchste Profanbau der Hansestadt; nur die fünf stadtbildprägenden lutherischen Hauptkirchen waren größer.2 Der Bauherr DHV verstand sich ausdrücklich als christliche Gewerkschaft. Von 1965 bis 2005 befand sich hier, nach zwischenzeitiger Nutzung als Sitz der englischen Militärregierung, Versicherungszentrale und Polizeipräsidium, die Hauptverwaltung der »Deutschen Angestellten-Gewerkschaft« (DAG).3 Die Bedeutung des Gebäudes für die deutsche Gewerkschaftsgeschichte steht außer Zweifel. In seiner Baugeschichte, erbaut während der »guten« Jahre der Weimarer Republik, spiegelt sich der Bedeutungszuwachs der »Angestellten«.4 Zählte das Deutsche Reich im Jahr 1907 noch 1,5 Millionen Angestellte, waren es bei einer leicht gesunkenen Gesamtbevölkerung im Jahr 1930 mit 3,9 Millionen mehr als doppelt so viele. 65% davon waren kaufmännische Angestellte, nach damaligem Sprachgebrauch »Handlungsgehilfen«. Die große Mehrheit von ihnen war in nichtsozialistischen Gewerkschaften organisiert, der DHV die bei weitem größte. An der politischen Orientierung des DHV ließ die aufwändige bauliche Gestaltung der Hauptverwaltung keine Zweifel aufkommen. Bis heute vorhandene Wappen aus farbigen Kacheln erinnern in den Arkaden des Gebäudes an die Städte Danzig, Kattowitz, Malmedy, Memel, Metz, Posen, Straßburg, Thorn und Tondern, die das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg abtreten musste. In der Ablehnung der Friedensbedingungen bestand zwar kein prinzipieller Unterschied zu den »freien« Gewerkschaften oder der großen Mehrheit der Bevölkerung, aber die besondere bauliche Berücksichtigung war noch einmal ein politischer Akzent. Hinzu kam ein Bronzeelefant des Bildhauers Ludwig Kunstmann, der an die ehemaligen Kolonien erinnert.
Die Zahl der Angestellten fand auch Niederschlag in ihrer gewerkschaftlichen Organisation.5
Der streng berufsständische DHV war mit 400.000 Mitgliedern nicht nur in der Weimarer Republik die größte deutsche und europäische Angestelltengewerkschaft.6 Der SPD-nahe »Zentralverband der Angestellten« (ZdA) im »Allgemeinen freien Angestellten-Bund« (AfA-Bund),7 der mit dem »Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund« (ADGB) kooperierte, kam mit knapp 200.000 Mitgliedern gerade auf die Hälfte, der linksliberale »Gewerkschaftsbund der Angestellten« (GDA) auf knapp 300.000. Während der Weimarer Republik bestanden zeitweilig 91 Angestelltenverbände in den drei Gewerkschaftsverbänden. Die freigewerkschaftlich-sozialistische »Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände« (seit 1921 AfA-Bund) hatte 1921 ein Kooperationsabkommen mit dem ADGB geschlossen. Sie stand |wie die »freien« Gewerkschaften insgesamt der SPD nahe und war ein Dachverband von 14 Einzelgewerkschaften, darunter der mit dem DHV unmittelbar konkurrierende ZdA und der »Bund technischer Angestellter und Beamten« (BUTAB); Angestellte in künstlerischen Berufen waren selbständig organisiert. Insgesamt kamen »freie« Angestelltengewerkschaften 1928 auf 428.000 Mitglieder. Dabei bestand bei allen Gewerkschaften Fluktuation, da Lehrlinge oft nach Abschluss der Lehre austraten. Nur wenig schwächer war der linksliberale GDA, der im gleichen Zeitraum auf knapp 300.000 Mitglieder kam; die tatsächliche Zahl der bei »Hirsch-Duncker« organisierten Angestellten war größer, es bestanden zusätzlich Gewerkschaften für Bank- und Versicherungsangestellte. Erheblich stärker war bei den »national-christlichen« Gewerkschaften der »Gesamtverband der deutschen Angestellten-Gewerkschaften« (GEDAG) mit stabil 550.000 Mitgliedern. Ihm gehörte als bei weitem größte Gewerkschaft der DHV an. Die meisten Angestellten waren in nicht-sozialistischen Gewerkschaften organisiert. Lediglich technische Angestellte (»Werkmeister«) tendierten zur SPD und »freien« Gewerkschaften mit dem BUTAB, der über 100.000 Mitglieder zählte,8 nur 20.000 waren im GEDAG organisiert. Offensichtlich war die soziale Distinktion der technischen Angestellten weniger ausgeprägt.9
Noch 1920 waren »freie« Angestelltengewerkschaften erheblich stärker; die gewerkschaftlichen Verhältnisse der Angestellten entwickelten sich in der Weimarer Republik umgekehrt zur gesamten Organisation der Arbeitnehmer. Die »Freien Gewerkschaften« im ADGB kamen 1928 auf 5,2 Millionen Mitglieder, nur ein Bruchteil waren Angestellte.10 Ein deutliches Übergewicht besaßen Angestellte bei den »Hirsch-Dunckerschen« Gewerkvereinen im »Freiheitlich-Nationalen Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten und Beamtenvereine«, die der DDP nahestanden und 1928 auf knapp 600.000 Mitglieder kamen.11 Die im »Deutschen Gewerkschaftsbund« (DGB) organisierten christlichen Gewerkschaften, die bis 1930 überwiegend Zentrum, DNVP und DVP nahestanden, kamen 1928 auf 1,3 Millionen Mitglieder, die sich auf drei Unterorganisationen verteilten.12 Dies waren der »Gesamtverband der Christlichen Gewerkschaften«, 18 Fachgewerkschaften für Arbeiter mit 600.000 überwiegend katholischen Mitgliedern, der eher unbedeutende »Gesamtverband Deutscher Beamtengewerkschaften« (150.000 Mitglieder), der sich 1926 zudem gespalten hatte, und eben der GEDAG.13 Von einer gewissen Bedeutung waren hier neben dem DHV sein weibliches Pendant, der »Verband der weiblichen Handels- und Büroangestellten« mit bis zu 100.000 Mitgliedern, der »Deutsche Bankbeamten-Verein« mit 86.000 Mitgliedern, der aber 1923 aus dem GEDAG ausgeschieden war. Hinzu kamen als kleinere Gewerkschaften der mit dem BUTAB konkurrierende »Deutsche Werkmeisterbund« mit höchstens 18.000 Mitgliedern, der »Verband Deutscher Techniker« zwischen 4500 und 13.000, der »Reichsverband der Büroangestellten und Beamten« zwischen 2000 und 10.000 sowie der bereits aus strukturellen Gründen politisch konservative »Verband der Gut- und Forstbeamten« mit 10.000 Mitgliedern und weitere, zum Teil sehr kleinteilige Gewerkschaften mit unter 1000 Mitgliedern. Es bestanden erhebliche Schwankungen.
Diese betrafen aber zu keinem Zeitpunkt den DHV, der nicht nur die größte christliche und nichtsozialistische, sondern auch eine der größten Gewerkschaften im Deutschen Reich und im internationalen Maßstab war. Er wurde als größte Angestelltengewerkschaft Europas, sogar der Welt bezeichnet. Dabei nahm er nur männliche christliche Angestellte auf, doch seine Mitgliederzahl war, anders als bei vielen Gewerkschaften, auch gegenüber Inflation und Weltwirtschaftskrise konstant. In der Weimarer Republik konnte er einen Zuwachs verzeichnen. Eine Besonderheit war die beschränkte Mitgliedschaft. Weiblichen Hand|lungsgehilfen stand allerdings als Schwestergewerkschaft der gleichfalls mitgliederstarke »Verband der weiblichen Handels- und Büroangestellten« offen.14 Schwerwiegender war der offene Antisemitismus des Verbandes: »Juden und im bewussten Gegensatz zum Deutschtum stehende Angehörige anderer Nationen oder Rassen können keinerlei Mitgliedsrechte erwerben.«15
Stand der DHV in der Tradition eines »Sozialismus der dummen Kerls«16? Sieht man von der beschränkten Mitgliedschaft ab, war der DHV im zeitgenössischen Kontext durchaus eine »normale« Gewerkschaft, politisch konservativ, aber nicht gewerkschaftsfeindlich oder »gelb«. Er nahm an Tarifverhandlungen teil und war eindeutig auf der Arbeitnehmerseite angesiedelt. Zur gewerkschaftlichen Arbeit gehörte die effektive Überwachung von Ladenschlusszeiten und Sonntagsruhe, er befürwortete ein Verbot der Sonntagsarbeit.17 Der Hauptunterschied zu den »freien« Gewerkschaften war dabei, dass die religiöse Bedeutung des Sonntags betont wurde.18 Der DHV befürwortete Arbeitszeitverkürzungen und lehnte, in Übereinstimmung mit anderen Gewerkschaften, »Lehrlingszüchterei«,19 die Verwendung von Lehrlingen als billige Arbeitskräfte ohne Aussicht auf Weiterbeschäftigung nach Abschluss der Lehre, ab. Gewerkschaftliche Selbsthilfe wurde in großem Umfang betrieben.
Der DHV wurde am 7. September 1893 in Hamburg »im Hinterzimmer einer mittleren Bierwirtschaft« in der Schauenburger Straße 44 durch 23 junge Handlungsgehilfen gegründet.20 Erster Vorsitzender war der Pfarrerssohn Johannes Irwahn.21 Es war eine Initiative in Anschluss an die »Kaiserliche Botschaft« von 1881.22 Die Zahl der Handlungsgehilfen war rasant angestiegen, in einer Stadt wie Hamburg besonders; insgesamt hatte sie sich im Deutschen Reich von 1887 (468.591) bis 1907 (835.303) fast verdoppelt. Es war eine neue Schicht entstanden; nur wenige Handlungsgehilfen hatten die Aussicht, einmal selbständiger Kaufmann zu werden.23 Die Sozialdemokraten waren in diesem Milieu zunächst erfolgreich. Mit dem betont als »Kampfverein der Handlungsgehilfen gegen die Sozialdemokratie« gegründeten DHV verloren die Sozialdemokraten erheblich an Einfluss. 1909 warb der DHV als »größter kaufmännischer Verein der Welt«. »Deutschnational« verstand sich nicht parteipolitisch; bei Bedarf wurde auch Zusammenarbeit mit dem Zentrum gesucht. Es bestand Nähe zu Organisationen wie dem »Alldeutschen Verband«, dem »Bund der Landwirte« und dem »Deutschen Schulverein«, die sich auch in Doppelmitgliedschaften manifestierte, aber kein politischer Gleichlauf; Interessenkonflikte, etwa über angemessene Lebensmittelpreise, bestanden. Zur frühen Gewerkschaftsarbeit gehörten »Überwachungsausschüsse«24 für das zum 1. Oktober 1900 in Kraft getretene Ladenschlussgesetz25 und erfolgreiche Kandidaturen für Kaufmannsgerichte ab 1904.26 Der DHV war von evangelischen Mitgliedern dominiert, verstand sich aber überkonfessionell. Antikatholische Tendenzen bestanden nicht; auf katholische Funktionäre wurde Wert gelegt. Er besaß viele Mitglieder mit aktiver kirchlicher Bindung und hochkirchlichen Ausrei|ßern.27 Innerhalb des katholisch geprägten DGB war er die größte Einzelgewerkschaft. Wie bereits aus dem Namen hervorging, war der DHV »großdeutsch«, bestand also auch in Österreich, ab 1920 in der Tschechoslowakei (späteres »Sudetenland«); dort war er aus verschiedenen Gründen aber von erheblich geringerer Bedeutung. Das Interesse an »Volks-« und »Auslandsdeutschen«28 als Mitgliedern war keine Besonderheit des DHV, die meisten größeren Gewerkschaften besaßen vergleichbare Organisationen.29 Ein wichtiges soziales Bindeglied der Mitglieder war Standesstolz, die Abgrenzung gegenüber dem »Proletariat«. Freihandel und Frauenemanzipation wurden abgelehnt, doch in der praktischen Gewerkschafsarbeit spielte dies eine Nebenrolle. Der DHV wurde in seiner Gründungsphase stark vom christlich-sozialen Gedankengut Adolf Stoeckers beeinflusst;30 auch Antisemitismus gehört zu diesem zweifelhaften Erbe. Dabei wurde nicht klar zwischen religiösem oder »biologischem« Antisemitismus unterschieden; darin bestand eine Parallele zum studentischen Antisemitismus.31 Stoecker und die antisemitischen Parteien hatten bei Gründung des DHV ihren Zenit überschritten, ab 1905 trat dort der Antisemitismus in den Hintergrund.32 1909 musste der erste Vorsitzende Wilhelm Schack33 nach einem Sexskandal zurücktreten.34
Unter dem ab 1911 amtierenden Nachfolger Hans Bechly35 trat an Stelle der antisemitischen die sozialpolitische Agitation.36 Die Verbandsarbeit war seitdem von einer pragmatischen Linie geprägt. »Aber die größere Sachlichkeit und Rationalität in der Argumentation bedeutete nicht die Preisgabe der antisemitisch-deutschnationalen Vorstellungen.«37
Auch wenn sicher überproportional viele DHV-Mitglieder gegenüber der Monarchie sentimentale Gefühle aufbrachten und der Revolution skeptisch begegneten, dominierte ein konservativer Vernunftrepublikanismus, der für die frühe Weimarer Republik nicht untypisch war. Die Möglichkeit einer Restauration war ausgeschlossen, dem Kampf gegen Revolution und Anarchie wurde Priorität eingeräumt. Auch aus eigennützigen Gründen gab sich der DHV pragmatisch, akzeptierte früh die Republik und nannte sich ab 1921 ganz offiziell »Gewerkschaft der deutschen Kaufmannsgehilfen«. Und er handelte im kollektiven Arbeitsrecht wie andere Gewerkschaften auch. Er besaß Tariffähigkeit, nicht nur aufgrund seiner beeindruckenden Größe, sondern auch wegen der grundsätzlichen Bejahung des Arbeitskampfes. Viele Tarifverträge wurden gemeinsam mit den freien Gewerkschaften, insbesondere dem AfA-Bund, ausgehandelt und unterzeichnet, allein 1929 über 1.000.38 Streik wurde als »letztes Mittel« restriktiver gehandhabt als von »freien« Gewerkschaften, im Fall des Arbeitskampfes etwa gegen Akkordarbeit oder untertarifliche Entlohnung dann aber gemeinsam mit diesen.39 Für die »Sozialpolitische Abteilung« des DHV war das kollektive Arbeitsrecht »Grundlage des heutigen sozialen Zusammenlebens«.40 Auch um Abwanderung zu den »freien« Gewerkschaften zu verhindern, wurde die sozialpolitische Arbeit betont, dazu gehörten Mitbestimmungs- und Gewinnbeteiligungsmodelle. Der DHV profitierte von der Weimarer Republik wie keine zweite Gewerkschaft, was auch an seiner Doppelrolle als »Völkischer Verband und nationale Gewerkschaft«, so der Titel der von Iris Hamel bei Fritz Fischer an der Universität Hamburg 1964/65 entstandenen ersten wissenschaftlichen Monographie,41 lag. Sozialpolitisch bestanden zwischen DHV und »freien« Gewerkschaften zahlreiche Übereinstimmungen, doch die »poli|tisch-weltanschauliche« Konzeption des DHV war »diametral entgegengesetzt«.42 Für viele Angestellte war der DHV durch seine Mischung aus konventionellen Gewerkschaftsforderungen und Nationalismus attraktiv, die Ablehnung des Klassenkampfes war standesbewussten Angestellten bei der Abgrenzung vom »Proletariat« hilfreich. Der Erfolg des DHV kann als Symptom für die Abstiegsängste des Bürger- und Kleinbürgertums gesehen werden, für das Gefühl, »etwas Besseres« zu sein.43 Entsprechend lautete eine frühe Selbstbeschreibung des DHV: »Den großen Teil des deutschen Mittelstandes, den unser Stand bildet, vor der Proletarisierung, vor dem Untergang zu bewahren.«44
Als monokausale Erklärung griffe dies aber zu kurz. Allein aus politischen Sympathien sind die wenigsten Beitritte zu Gewerkschaften erfolgt, auch nicht in den »freien« Gewerkschaften, bei denen auch ein bestimmtes »Milieu« hinzukam. Zum Teil bestand aber auch ein Desinteresse der »freien« Gewerkschaften und der SPD an der besonderen Situation der Handlungsgehilfen.45
Zum DHV gehörte ein weitgefächertes Milieu mit gemeinsamer Freizeitgestaltung (Sport, Gesang, Reisen). Das Bildungsangebot (»Fichte-Gesellschaft«46) war hochwertig und stand qualitativ und quantitativ den freien Gewerkschaften nicht nach.47 In der Jugendarbeit, die unter dem romantischen Namen »Fahrendes Volk« firmierte, bestanden personelle und inhaltliche Überschneidungen mit der Bündischen Jugend, zahlreihe Elemente des »Wandervogel« wurden sichtbar aufgegriffen. Daneben wurde aber auch traditionelle Gewerkschaftsarbeit betrieben, so bestanden zahlreiche Lehrlingsgruppen; allerdings war hier, wie auch bei anderen Gewerkschaften, eine hohe Fluktuation zu beobachten. Der DHV war zudem unternehmerisch tätig. Das war eine weitere Gemeinsamkeit mit den »freien« Gewerkschaften, auch wenn eine ideologische Begründung wie »Gemeinwirtschaft« damit nicht verbunden war. Umgekehrt arbeiteten Unternehmen der freien Gewerkschaften wie die Versicherungsgesellschaft »Volksfürsorge«, die »Bank der Deutschen Arbeit« oder die Konsumgenossenschaft »Produktion« nach den gleichen kaufmännischen Maßstäben wie »kapitalistische« Unternehmen. Auch der DHV bot mit dem 1913 gegründeten »Deutschen Ring« Versicherungen an.48 Zu weiteren Unternehmen gehörten die 1899 gegründete »Deutschnationale Kranken- und Begräbniskasse«, 1930 in der »Deutschen Angestellten Krankenkasse« (DAK)49 aufgegangen und die 1918 gegründete »Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten« (GAGFAH).50 In engem Zusammenhang mit der Bildungsarbeit stand die verlegerische Tätigkeit, insbesondere über die »Hanseatische Verlagsanstalt« Hamburg,51 die innerhalb der »Konservativen Revolution« Bedeutung besaß.52 Verbunden war die Buchgemeinschaft »Deutsche Hausbücherei«; in der Sache bestand kein Unterschied zu den »freien« Gewerkschaften und der »Büchergilde Gutenberg«. 1928 wurden der »Georg Müller Verlag«, 1931 der »Albert Langen Verlag«, beide in München, vom DHV erworben.53 Durch die »Verlagsfusion Langen-Müller« war ein »nationaler« Verlagskonzern von erheblicher Bedeutung entstanden; hier erschien etwa »Volk ohne Raum« von Hans Grimm,54 ein Autor des »Albert Langen Verlages«. Der nationalistische Bestseller, von Kurt Tucholsky 1928 in der Weltbühne als »Grimms Märchen« verspottet,55 war aber wahrscheinlich mehr wegen seines Namens als seines Inhalts be|kannt. Verlagsarbeit wurde aber als politisches Kampfmittel verstanden. Über die »Deutsche Hausbücherei« hieß es in einer Selbstdarstellung:
»Sie bringt keine Werke volksfremder Bücherschreiber. Deutschen kann nur von Deutschen geholfen werden. Sie will keine Welt-, sondern Nationalliteratur unter Einschluss des germanischen Nordens. […] Nicht jedes in deutscher Sprache geschriebene Buch ist auch ein deutsches Buch; nicht jeder in deutscher Sprache schreibende Schriftsteller ist auch ein deutscher Schriftsteller.«56
Zu diesen »deutschen Schriftstellern« zählte Ernst Jünger, der über Hans Grimm zur »Hanseatischen Verlagsanstalt« gekommen war,57 dessen kultureller Horizont selbst in seiner nationalistischen Phase aber deutlich weiter war.58 Den Verlagsvertrag über seinen politischen Großessay »Der Arbeiter« unterzeichnete Jünger im DHV-Hochhaus in Hamburg am 9. März 1932.59
Von Anfang an betrieb der DHV eine anspruchsvolle juristische Veröffentlichungspolitik. Die Schriften richteten sich an Mitglieder. Politische Agitation war die Ausnahme. Von 1922 bis 1931 wurde die juristische Fachzeitschrift »Der Kaufmann in Wirtschaft und Recht« publiziert. Neben den von Karl Bott60 herausgegebenen populärwissenschaftlichen »Hamburger Kaufmannsbüchern« mit volkswirtschaftlichen und rechtswissenschaftlichen Inhalten bestanden weitere Schriftenreihen mit praktischem Bezug ohne ideologischen Beifang und Autoren wie Philipp Allfeld61 und Emil Sehling;62 Hochschullehrer waren als Autoren aber die Ausnahme. Eine besondere Nähe zum DHV besaß das »Institut für öffentliches Recht und Arbeitsrecht« der Universität Marburg, kleiner als die bekannteren Institute in Jena, Köln oder Leipzig.63 Seine Mitglieder Friedrich André64 und Felix Genzmer65 nahmen einen betont »berufsständischen« Standpunkt ein, zu ihren Schülern gehörten Hans Gerber, Edgar Tatarin-Tarnheyden66 und der »sozialpolitische Mitarbeiter« des DHV Hermann Kandeler.67 In seiner Dissertation betrachtete er Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als »öffentliche Körperschaften«, eine Minderheitenposition, selbst im betont berufsständischen68 DHV.
Als Kandeler 1924 einen Widerspruch der »gewollten Tarifunfähigkeit« zur Schlichtungsverordnung vom 30. Oktober 1923 feststellte, wurde dies auch außerhalb des DHV geteilt.69 »Gewollte Tarifunfähigkeit« betraf alle Gewerkschaften und war ein Kernproblem des kollektiven Arbeitsrechts der Weimarer Republik.70 Zunehmend hatten Arbeit|geberverbände durch ihre Satzungen Tarifverträge ausgeschlossen. Umstritten war, ob trotzdem ein Schlichtungsverfahren durchführbar war. Als der »Arbeitgeberverband für Velbert und Umgebung« den Tarifabschluss von einem Quorum der Mitgliederversammlung abhängig machte, sprach sich der Schlichtungsausschuss Barmen am 5. September 1924 dagegen aus; der Schiedsspruch wurde durch den Schlichter Ernst Mehlich (SPD)71 für verbindlich erklärt. Dies war das einzige Mal, dass ein Schiedsspruch, der die gewollte Tarifunfähigkeit ablehnte, für verbindlich erklärt wurde. Hans-Carl Nipperdey befürwortete dagegen prominent die »gewollte Tarifunfähigkeit«;72 auch staatliche Schlichter nahmen zunehmend diesen Standpunkt ein. Die Entscheidung des Schlichtungsausschusses Neumünster gegen den das Quorum für Tariffähigkeit verfehlenden »Arbeitgeberverband für Rendsburg und Umgebung« wurde vom staatlichen Schlichter in Lübeck nicht für verbindlich erklärt, ebenso eine ähnlich gelagerte Kölner Entscheidung gegen die »Arbeitgeber der Metall- und Feuerstein-Industrie«. Im Reichsarbeitsministerium wies Schlichter Ewald Kuttig73 alle Zuständigkeit von sich, als sich die »Vereinigung Braunschweigischer Metallindustrieller« im laufenden Verfahren tarifunfähig erklärte; gegen die »Norddeutsche Gruppe des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller Abteilung Seeschifffahrtswesen« hatte Schlichter Paul Grabein74 sämtliche Angestelltenverbände zur Rücknahme ihrer Anträge bewegt. Der Einschätzung der »Sozialpolitischen Abteilung« des DHV dürften die »freien« Gewerkschaften kaum widersprochen haben:
»Die gegenwärtige ungünstige Wirtschaftslage hat zur Folge, daß gewisse Kreise der Arbeitgeber versuchen, die sozialen Einrichtungen, die in jahrzehntelanger Entwicklung unter stärkstem Einfluß der Kräfte der Arbeitnehmerschaft entstanden sind, zu beseitigen oder in ihrer Bedeutung herabzumindern.«75
Der DHV gab ein Gutachten in Marburg in Auftrag. Ausdrücklich wurde betont, dass das dortige Institut »bisher in Streitfragen zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft noch nicht eingegriffen hat, so dass es als absolut unvoreingenommen gelten kann.«76
Wichtigster Autor des Gutachtens war Hans Gerber,77 der als Vertreter des Öffentlichen Rechts bekannt ist, doch in seiner Bedeutung für das Arbeitsrecht der Weimarer Republik keineswegs unterschätzt werden darf. Geboren 1899 im thüringischen Altenburg, studierte er nach dem Abitur Rechtswissenschaften in Jena und schloss sich dabei dem national-sozialen »Verein Deutscher Studenten« an, der ähnlich wie der DHV in Anschluss an die »Soziale Botschaft« gegründet worden war.78 1913 wurde Gerber bei dem Strafrechtler Heinrich Gerland79 zum Dr. iur. promoviert. Nach dem Kriegsdienst war er ab 1919 Herausgeber der »Jungdeutschen Stimmen« des »Jungdeutschen Ordens«80 und wurde Referent der Berliner Verwaltung des DHV; seine Gutachter- und Referententätigkeit, auch in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit setzte er bis 1933 fort. 1923 habilitierte sich Gerber in Marburg bei Felix Genzmer am »Institut für öffentliches Recht und Arbeitsrecht« und wurde 1927 außerplanmäßiger Professor in Marburg, im gleichen Jahr dann Professor in |Tübingen. 1934 wurde Gerber auf den Lehrstuhl für öffentliches Recht und Arbeitsrecht in Leipzig berufen. Er trat die Nachfolge von Erwin Jacobi an, der seinen Lehrstuhl wegen »nichtarischer Herkunft« verloren hatte; es bestand jedoch weiterhin Kontakt zum Lehrstuhlvorgänger.81 1934 wurde Gerber Vorsitzender des evangelischen »Gustav-Adolf-Vereins«, 1941 erhielt er einen Lehrstuhl in Freiburg, den er 1945 zunächst verlor. In den Nachkriegsjahren war Rudolf Smend ein wichtiger Förderer, der Tätigkeiten im »Evangelischen Hilfswerk« vermittelte;82 es kam auch zur Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit in Freiburg. 1957 wurde Gerber emeritiert und verstarb 1981 in Bad Krozingen.
Im November 1925 lag das »in Einvernehmen« mit den Marburger Professoren Fritz André, Felix Genzmer und Rudolf Schulz-Schäffer83 erstellte »Gutachten über die Frage der gewollten Tarifunfähigkeit von Arbeitgeberorganisationen« vor.84 Der Meinungsstreit wurde objektiv dargestellt. Das Ergebnis war ausdrücklich gegen Nipperdey und weitere »privatrechtlich befangene Rechtsgelehrte« wie den Bonner Handelsrechtler Heinrich Göppert,85 Lehrer von Ernst Rudolf Huber. Gerber war keine antiindividualistische Volte zu schade:
»Es muss aber einseitig privatrechtlich befangenen Rechtsgelehrten immer wieder gesagt werden, dass die im Sinne eines weltanschaulichen Individualismus vorgenommene Verselbständigung ein bedenklicher Irrtum ist.«86
Die »bürgerliche Freiheit« war bei Gerber »im Bereich des Privatrechts ein jederzeit (siehe Mieterschutzgesetzgebung!) widerrufbares und abänderbares Geschenk der staatlichen Gemeinschaft an ihre Glieder«.
Auch wenn in der Bildungsarbeit des DHV der deutsche Idealismus eine große Rolle spielte und der hochkirchlichen Strömungen nahestehende Gerber eine »Jugendschrift« Wilhelm von Humboldts aus der »Berlinischen Monatsschrift« 1792 zitierte,87 war für ihn das Bestehen einer »natürlichen« Freiheit88 »im ursprünglichen Sinne der Grund- und Freiheitsrechte«89 allein eine Frage von Weltanschauung und Politik: »Das sind alles politische Erwägungen über die gerechte Ausgestaltung des von uns gezeigten Verhältnisses und setzen dieses so, wie klargelegt, voraus.«
Dabei bejahte Gerber ein »unbedingtes Wesen des Staates«; »staatliches Eingreifen vom Willen der Tarifparteien abhängig« zu machen, erniedrige »den Staat in altbekannter Weise zum Nachtwächter und Büttel von Privatinteressen«.90 Eine Aussage des aus dem Umfeld Nipperdeys stammenden Juristen Erich Lange,91 der die Satzungsautonomie der Koalitionen mit der Autonomie der »Landesfürsten« im Mittelalter verglichen hatte, war für Gerber Steilvorlage, die Tarifautonomie mit »mittelalterlichen Zuständen« in Verbindung zu bringen:
»Wenn wir also nicht wollen, dass das nach schwerem Ringen wieder geeinte und mit letzten Opfern in seiner Einheit erhaltene Deutschland aufs Neue in sich zerbricht durch die Autonomie der modernen Landesherren, Ritter, Grafen und Städte, Ritterbündnisse und Städtebündnisse – dann mögen wir aufmerken, daß nicht das, was heute auf der Grundlage des geltenden Tarifrechts unmöglich ist, durch eine neue Formulierung im geplanten Arbeitstarifgesetze Wirklichkeit werde!«92
Das perhorreszierte »einartige« Recht des Mittelalters war ein damals beliebtes rechtspolitisches |Argument.93 Anders als Kandeler befürwortete Gerber aber grundsätzlich die privatrechtliche Organisationsform der Koalitionen. In einem Gutachten für den mit dem DHV kooperierenden »Verband der weiblichen Büro- und Hausangestellten« hatte Wilhelm Silberschmidt94 dagegen den privatrechtlichen Charakter der Schlichtung betont.95 Gerbers Ergebnis lag auf Linie der »Arbeitnehmerseite«. Rechtspolitisch bestand kein Unterschied zwischen »freien« und »nationalen« Gewerkschaften. Das eigenwillige, aber sachliche Gutachten kann als Indiz für das Potential des DHV als »deutsche Tories«, als konservative, aber die Republik bejahende Gewerkschaft gesehen werden. Dies ist aber letztlich eine kontrafaktische Fragestellung; eine erste Maßnahme des ab 1928 amtierenden DNVP-Vorsitzenden Alfred Hugenberg war die Entmachtung der aus dem DHV stammenden Parteifunktionäre.96
Der DHV war seit 1911 offiziell parteipolitisch nicht festgelegt.97 Die Eigenbezeichnung »deutschnational« wurde in der Weimarer Republik behalten, doch exklusive Nähe zur »Deutschnationalen Volkspartei« nie gesucht, wenn auch der DHV als »Vorfeldorganisation« in den ersten Jahren der DNVP eine wichtige Rolle spielte.98 Bevorzugt wurde aktiver Lobbyismus, etwa in Form finanzieller Unterstützung von Abgeordneten. Gegenüber SPD, von Bedeutung wegen der Konkurrenzsituation zum »AfA-Bund«, und KPD bestand ein Unvereinbarkeitsbeschluss,99 die Nähe zur DVP war größer als zur DNVP. Nicht ohne Stolz verwies der Verband nach den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 auf Abgeordnete in fünf Fraktionen, allerdings auch in der NSDAP.100 1931 kam der DHV nach eigenen Angaben auf 1.088 Parlamentarier (Reichs- und Landtage einschließlich preußischer Provinziallandtage), davon 210 der NSDAP. In der DNVP spielte der DHV seit 1929 keine Rolle mehr. Das Verhältnis zwischen DHV und NSDAP war ambivalent. Ab 1921 bestand innerhalb der Gewerkschaft der explizit rechtsstehende »Ring der Getreuen«, der allerdings immer Minderheit blieb. Hakenkreuze, die sich vor 1918 zuweilen auf Werbematerial des DHV befanden, wurden in der Weimarer Republik nicht benutzt. Ein früher Nationalsozialist im DHV war Franz Stöhr,101 der 1925 erstmals in den Reichstag gewählt wurde; innerhalb der NSDAP stand er dem linken »Strasser-Flügel« nahe, dessen Rolle komplex ist.102 Vom extremen rechten Rand hielt sich der DHV eher fern, seine Spitze tendierte schließlich zu den Abspaltungen der Hugenberg-DNVP (»Christlich-sozialer Volksdienst«, »Volkskonservative«). Der DHV befürwortete die Diktatur des Reichspräsidenten und die Politik Schleichers. Am 9. April 1933 erfolgte die Selbstgleichschaltung des Vorstandes, am 10. April 1933 die Entmachtung von Vorstandsmitglied Max Habermann, eines überzeugten und exponierten Gegners |des Nationalsozialismus. Kurzzeitig hoffte der DHV, »Träger des Angestelltengedankens« in der »Deutschen Arbeitsfront« (DAF) zu werden, doch dies erwies sich als illusorisch. Das Gewerkschaftsvermögen fiel an den DAF, die offizielle Auflösung war am 20. Februar 1934. Der »Deutsche Ring« warb in Anzeigen bald ausdrücklich um SA-Männer.103
Der DHV wurde nach 1945 zunächst nicht wiederbegründet; wegen seiner antisemitischen Vergangenheit war er den Alliierten suspekt. Zahlreiche frühere Mitglieder nahmen aber aktiv am gewerkschaftlichen Neubeginn teil. Der in Haft verstorbene Max Habermann104 hatte sich im Widerstand mit Wilhelm Leuschner und Jakob Kaiser für die Einheitsgewerkschaft eingesetzt. Hans Bechly rief zum Beitritt zu der neugegründeten DAG auf und verließ 1948 mit dieser den DGB;105 gerade die Angestellten sollten in den ersten Nachkriegsjahren die Einheitsgewerkschaft faktisch opponieren. Aber auch in der DGB-Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) waren zahlreiche ehemalige DHV-Mitglieder. 1950 kam es zu einer Wiederbegründung des DHV (»DHV-neu«) im Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB), der wie alle konfessionellen Gewerkschaften in der Bundesrepublik randständig blieb. Die 1933 zwangsweise in die DAF überführten Immobilien des wohlhabenden DHV wurden auf DAG und DGB, später auch HBV neu verteilt; in Hannover etwa fiel das »Haus der Kaufmannsgehilfen« an den DGB.106 Das DHV-Haus in Hamburg wurde 1945 von der britischen Militärverwaltung beschlagnahmt und diente auch als Sitz der Versicherungsgesellschaft »Neue Welt«, wie der »Deutsche Ring« bis 1953 firmierte, und der »Deutschen Angestellten-Krankenkasse«, die Übertragung 1956 an die DAG war umstritten. 1958 entschied das Landgericht Hamburg endgültig für die Rückerstattung des Grundstücks an die Vermögensverwaltung der DAG. In den 1950er Jahren kam es zu mehreren Rechtsstreitigkeiten um frühere Immobilien des DHV.107 Auch ein »DHV – neu« war vor einigen Gerichten überraschend erfolgreich, dessen Bedeutungslosigkeit konnte es jedoch nicht verhindern. In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik erinnerte die Großgewerkschaft DAG außerhalb des DGB an eine Sonderrolle der Angestellten in den Gewerkschaften, an ein Sonderbewusstsein der Angestellten als vermeintliches Stiefkind der organisierten Arbeitnehmer. Dass diese Gewerkschaft ihren Sitz in der alten Hauptverwaltung des DHV hatte, die durch ihre Architektur ein Standesbewusstsein der Angestellten verkörperte, war kein Zufall, auch wenn der DAG sicher zu keinem Zeitpunkt das politische Erbe des DHV antrat. Mit dem Aufgehen der DAG in der neuen Großgewerkschaft ver.di im DGB endete endgültig 2001 ein berufsständischer Sonderweg der Angestellten, für den der DHV wie keine andere Gewerkschaft stand. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, dass nach 1945 an das politische Erbe des DHV nicht angeknüpft wurde. Dennoch wäre es zu eng, den Erfolg des DHV im Milieu der Angestellten allein aus seiner politischen Rolle zu erklären. In der Weimarer Republik äußerte sich die Sonderrolle dieser Gewerkschaft weniger in politischen Aktionen als in dem Gutachten von Hans Gerber, das in seiner extrem berufsständischen und paternalistischen Begründung für die Koalitionsfreiheit der Bundesrepublik kaum als Vorbild oder auch nur Bezugspunkt geeignet ist. Allerdings: Gerbers Argumentation war politisch konservativ, aber nicht radikal oder extremistisch, er setzte sich mit anderen Ansichten fair auseinander und im Ergebnis, der Ablehnung der gewollten Tarifunfähigkeit, war er dicht bei Hugo Sinzheimer,108 aber weit von Hans Carl Nipperdey entfernt. Und auch in der praktischen Gewerkschaftsarbeit war der DHV ein|deutig auf der Arbeitnehmerseite positioniert und arbeitete mit den anderen Gewerkschaften durchaus pragmatisch zusammen. Insofern lässt sich die Frage »Auch eine Gewerkschaft?« für den DHV bejahen. Die 1930 stolz beworbenen Reichstagsabgeordneten des DHV decken ein Spektrum ab, das sich von dem aktiven Widerstandskämpfer Otto Gerig, 1944 ermordet im KZ Buchenwald, bis zu dem ausgesprochenen »Täter« und langjährigen Gauleiter Albert Forster, 1952 in Warschau als vielfacher Mörder hingerichtet, erstreckt. Dies dürfte die politischen Strömungen der Angestellten in der Weimarer Republik ziemlich exakt beschreiben. Der DHV war als Gewerkschaft beliebt, weil sich die Mehrheit der Angestellten in ihm wiedererkennen konnte.
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* Dem Andenken meines Lehrers Michael Stolleis, verstorben am 18. März 2021, der in der Diskussion des diesem Beitrag zugrundeliegenden Vortrags auf der 5. Tagung der »Initiative Arbeitsrechtsgeschichte« in Frankfurt am Main am 6. Dezember 2019 wichtige Anregungen gab. Die Vortragsform wurde weitgehend beibehalten, das Schrifttum ist auf dem Stand vom 31. März 2022.
1 Meyhöfer (2007) 93f.
2 Skrentny (1986) 37.
3 Halberstadt (1991).
4 Kocka (1969); Kocka (1977); Schulz (2000). Anders akzentuiert auch Stegmann (1972) 365ff.
5 Übersicht auch bei Schulz (2000) 24ff.
6 Brockhaus (1925) 711.
7 Palberg-Landwehr (1993).
8 Der BUTAB war ein 1919 gegründeter Gewerkschaftsverband für technische und verwaltende Angestellte und gehörte dem AfA-Bund an. Zu diesem etwa Sander (2009) 169ff. Die Mitgliederzahl wird hier für das Jahr 1919 mit 106.000 angegeben; Sander (2009) 170.
9 Dazu auch Stegmann (1972) 367.
10 Huber (1981) 1119.
11 Huber (1981) 1122.
12 Huber (1981) 1120.
13 Huber (1981) 1121.
14 Der Organisationsgrad weiblicher Angestellter war bereits im Kaiserreich sehr hoch; hierzu mit bis heute berechtigtem Hinweis auf Desiderate der Forschung nur Nienhaus (1981) 320ff.
15 Hamel (1967) 53.
16 August Bebel zugeschrieben, tatsächlich aber von dem österreichischen Politiker Ferdinand Kronawitter; Bahr (1894) 21. Ferner Bebel (1894).
17 Hierzu Heckmann (1986); dies spielte seit dem Inkrafttreten der »Verordnung, betreffend das Inkrafttreten der auf die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe bezüglichen Bestimmungen der Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891« (RGBl. 1892, 339) jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle.
18 Hamel (1967) 25, 53f. u.ö.; zeitgenössisch Hörbrand (1926).
19 Hamel (1967) 17f. Vom sozialistischen zeitgenössischen Standpunkt: Deutsch (1904).
20 Dazu Hamel (1967) 25ff.
21 Johannes Wilhelm Heinrich Irwahn (1868–1948), Kaufmann, Sohn eines Pastors (Leiter Hamburger Stadtmission) in Rothenburgsort, Neffe des Bürgerschaftsabgeordneten Friedrich Raab, 1893 bis 1896 erster Vorsteher des DHV. Vgl. Kimmel (2009a).
22 Tennstedt (1981) 663.
23 Vgl. etwa Sozialpolitische Abteilung (1925).
24 Hamel (1967) 17.
25 D. i. Gesetz betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900 (RGBl. 321). Hierzu insgesamt etwa Spiekermann (2004).
26 Hamel (1967) 115. Zu den Kaufmannsgerichten Collin (2016); nunmehr auch Vogt (im Druck).
27 Fenske (2009) 32f.
28 Zur Auslandsarbeit des DHV in den USA etwa Wilhelm (1998) 52ff.
29 Vgl. etwa den 1922 gegründeten »AfA-Bund Polnisch-Oberschlesien« mit Sitz in Kattowitz.
30 Kupisch (1970).
31 Kampe (1988).
32 Bergsträsser (1928) 133ff.
33 Wilhelm Schack (1869–1944), 1896–1909 Vorsitzender des DHV, Rücktritt nach Sexaffäre; Hansen/Tennstedt (Hg.) (2010); Kimmel (2009b).
34 Kasischke (1997) 400ff.
35 Hans Bechly (1871–1954), 1911–1933 Vorsitzender des DHV, nach 1945 Mitbegründer DAG. Umfassend noch immer Hamel (1967) 117–122; zeitgenössisch Thiel (1931).
36 Hamel (1967) 54ff.
37 Hamel (1967) 119.
38 Nerger/Zimmermann (2006) 8.
39 Beispiele aus Hannover (Streik bei den Continental-Gummiwerken gegen Akkordarbeit und Streik gegen den Einzelhandel wegen untertariflicher Bezahlung) bei Anders/Riesche (1985) 32ff.
40 Gerber (1926) 6 (Vorwort).
41 Hamel (1967) 7. Zu der Rolle von Fritz Fischer vor 1945 etwa Vordermayer (2022).
42 Hamel (1967) 54.
43 Vgl. auch den Beitrag von Keiser in diesem Fokus, 173–182.
44 Mitteilungen des Deutschen Handlungsgehilfen-Verbandes vom 1. November 1894, hier zitiert nach Hamel (1967) 10.
45 Nipperdey (1990) 379.
46 Zu der 1916 gegründeten »Fichte-Gesellschaft« insbesondere Gossler (2001) 81ff.
47 Hamel (1967) 123ff.
48 Deutscher Ring (1963).
49 Böge/Stein (1999) 79ff.
50 Börsch-Supan (1993). Zu der GAGFAH-Siedlung »Fischtalgrund« in Berlin (1929; Paul Schmitthenner, Heinrich Tessenow u.a.), exemplarisch für die Bautätigkeit der GAGFAH, Rave/Knöfel (1968) Nr. 146.4–29.
51 Lokatis (1992).
52 Mohler/Weissmann (2005) 280.
53 Insgesamt hierzu Meyer (1989).
54 Grimm (1926). Zu diesem Autor auch Lattmann (1969).
55 Wrobel [d.i. Tucholsky] (2001). Dort aber auch: »Anzumerken, daß Grimm ein im tiefsten Kern anständiger Mann ist; die üble Ausnutzung, die der Roman durch deutsch-nationale Annexions-Politiker erfahren hat, mag ihm selber nicht sehr behaglich sein […].« Wrobel (2001) 358.
56 Undatierte Werbung, zitiert nach Meyer (1989) 15.
57 Meyer (1989) 148.
58 Ähnlich wie hier Lokatis (2019) 11.
59 Lokatis (2019) 12.
60 Karl Bott (1883–1964), aus der Lehrlingsarbeit des DHV, Funktionär für kaufmännische Berufsausbildung beim DHV, Dr. rer. pol. h.c., ab 1907 zahlreiche Veröffentlichungen (»Der große Bott«) auch lange nach 1945 zur kaufmännischen Büroorganisation; Generaldirektor Hanseatische Verlagsanstalt. Vgl. Meyer (1989) 35f.
61 Allfeld (1924). Philipp Allfeld (1852–1940), Professor für Straf- und Völkerrecht in Erlangen, große Bedeutung im Urheberrecht; Struwe-Urbanczyk (2017).
62 Sehling (1924). Emil Sehling (1850–1928), Professor für Kirchenrecht, Handels- und Privatrecht in Erlangen; heute in erster Linie als Kirchenrechtler bekannt (Edition der Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts), allerdings auch rege Tätigkeit im Handelsrecht, Vorlesungen ab 1919 auch an der Handelshochschule Nürnberg; Arend (2011).
63 Dubischar (1990) 83.
64 Friedrich (Fritz) André (1859–1927), seit 1922 Direktor am Institut für öffentliches Recht und Arbeitsrecht Marburg, romanistischer Rechtshistoriker; Auerbach (1979) 76–77.
65 Felix Genzmer (1878–1959), Professor für Öffentliches Recht in Marburg, germanistischer Rechtshistoriker; Kuhn (1964).
66 Vgl. Tatarin-Tarnheyden (1930), erstmals im Sammelwerk »Die Grundrechte« von Hans Carl Nipperdey; vgl. auch Bender (2021) 286. Zu diesem Autor auch Otto (2013).
67 Kandeler (1925); Kandeler (1927); kritisch dazu Jacobi (1927) 258, 393 u.ö.; vgl. Otto (2008) 155 mit Hinweis auf den damaligen ADGB-Justitiar Clemens Nörpel (mit Kandeler »italienischen oder russischen Zuständen entgegen«). Hermann Kandeler (1901–1990), 1936 Beamter im Reichsmarineamt, 1940 Marineoffizier; vgl. Otto (2021) 302.
68 Brockhaus (1925); Hering (2005).
69 Kandeler (1924).
70 Hierzu etwa Bähr (1989) 154, 180. Sie wurde von Erich Melsbach, Heinrich Potthoff, Rudolf Joerges, Anton Erdel, Walter Kaskel und Hugo Sinzheimer abgelehnt, befürwortet von Hans Carl Nipperdey, Paul Oertmann, Lutz Richter, Heinrich Göppert und Wilhelm Silberschmidt.
71 Ernst Mehlich (1882–1926), Buchdrucker, Gewerkschafter und revisionistischer Sozialdemokrat (auch in der proletarischen Abstinenzbewegung aktiv), nach 1920 bis zu seinem frühen Tod (Eisenbahnunglück) häufig Schlichter, vgl. etwa Bähr (1989) 82–86 u.ö.
72 Nipperdey (1923). Vgl. auch Hollstein (2007) 29.
73 Ewald Kuttig (1888–1946); Oberregierungsrat im Reichsarbeitsministerium, 1929 Ministerialrat; Bähr (1989) 119ff. Hansen/Tennstedt (Hg.) (2018) 108f.
74 Paul Grabein (1869–1945), Dr. phil., Journalist, ab 1921 Referent Schifffahrtsangelegenheiten Reichsarbeitsministerium, Ministerialrat; häufiger Schlichter, Bähr (1989) 125, 209; Mechow (o. J.) 78f.
75 Gerber (1926) 3 (Vorwort).
76 Gerber (1926) 5 (Vorwort).
77 Stolleis (1999) 285ff.; Bullinger (1981); Braun/Grünzinger (Hg.) (2006) 86; Brunner (2020) 151, 163f.
78 Zirlewagen (2014) 250–253.
79 Heinrich Gerland (1874–1944), Professor für Straf- und Prozessrecht in Jena, 1924–1928 MdR (DDP), Schwiegersohn von Otto Schott; Eisser (1964).
80 Mohler/Weissmann (2005) 298f. m.w.N.
81 Otto (2008) 247.
82 Wischnath (1986) 150–153.
83 Rudolf Schulz-Schäffer (1885–1966), 1921 außerordentlicher, 1936 ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht in Marburg; Nagel (2000) 544.
84 Dazu auch Otto (2021) 303–305.
85 Heinrich Göppert (1867–1937), zunächst preußischer Beamter (Geheimer Regierungsrat), 1919–1935 Professor für Arbeits-, Handels- und Wirtschaftsverwaltungsrecht in Bonn; Wolff (2004).
86 Gerber (1926) 55.
87 Humboldt (1903).
88 Klippel (1975).
89 Zu Humboldt in diesem Kontext Klippel (1976) 132f.; Klippel (1990) 206.
90 Gerber (1926) 59.
91 Lange (1925).
92 Gerber (1926) 61.
93 Jacobi (1927), dazu Otto (2008) 164; weitere Nachweise, darunter Molitor und Sinzheimer, bei Blanke (2005) 109. Das Argument war auch noch in der zweiten Jahrhunderthälfte beliebt; ein Vergleich mit der »Verbreitung mittelalterlicher Stadtrechte« für das Recht des nachehelichen Unterhalts etwa bei Gernhuber (1983) 1072.
94 Wilhelm Silberschmidt (1862–1939), Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht; Becker (2005) 176–183.
95 Gerber (1926) 57.
96 Mergel (2003) 346.
97 Stegmann (1972) 366f. m.w.N.
98 Mergel (2003) 328 (»Organisationsstruktur, die der DNVP unterlegt werden konnte«).
99 Wirsching (2014) 17f.
100 »Unsere Reichstagsabgeordneten« in »Deutsche Handelswacht« 1930, 355, hier zitiert nach Anders/Riesche (1985) 9. Nämlich für das Zentrum Otto Gerig (1885–1944, MdR 1923–1933, ermordet im KZ Buchenwald), für die DVP Otto Thiel (1884–1959, MdR 1920–1932) und Frank Glatzel (1892–1958; MdR 1930–1932), für die »Volkskonservativen« von der »Konservativen Volkspartei«, eine verfassungstreue Abspaltung der DNVP, Walther Lambach (1885–1943, 1920–1932 MdR, bis 1930 DNVP), für den »Christlichsozialen Volksdienst« (CSVD) Otto Rippel (1878–1957; MdR 1924–1928 und 1930–1932, bis 1929 DNVP), für die NSDAP Franz Stöhr (1879–1938, MdR 1924–1938, 1930/31 Reichstagsvizepräsident, 1924–1928 noch NSFP, starb nach Suizidversuch) und Albert Forster (1902–1952, MdR 1930–1945, hingerichtet). Bei Stöhr ist von »einem gewissen sozialpolitischen Rang«, so Huber (1981) 1122, die Rede.
101 Franz Stöhr (1879–1938), aus Böhmen, Buchhalter, ab 1906 hauptberuflich DHV-Funktionär, ab 1924 MdR, zunächst für die »Deutschvölkische Freiheitspartei«, ab 1927 NSDAP, 1930/31 Vizepräsident des Reichstags; nach 1933 nur nachgeordnete Funktionen, Vorwurf der Unterschlagung, Freitod. Huber (1981) 1122; Hamel (1967) 239f.
102 Kissenkötter (1979) 130.
103 Abbildung bei Skrentny (1986) 37.
104 Max Habermann (1885–1944), Buchhändler, ab 1906 hauptamtlicher Funktionär DHV, Schriftleiter »Deutsche Handelswacht«, ab 1933 explizite Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, wiederholt inhaftiert, im Widerstand tätig, in Gefangenschaft verstorben; Krebs (1966); Rütters (2009) 81.
105 Hierzu knapp auch Müller (2011) 31ff.
106 Anders/Riesche (1985) 27.
107 Vgl. etwa »Erbschaft mit Saugnäpfchen« in »Der Spiegel«, Ausgabe vom 22. April 1949; Bericht über einen Streit zwischen Hans Bechly und dem früheren DHV-Geschäftsführer Hans Sube über das Gewerkschaftsvermögen.
108 Zur »gewollten Tarifunfähigkeit« Blanke (2005) 181; zeitgenössisch etwa Jacobi (1927) 213 (ausdrücklich gegen Gerber (1926)).