Das Buch mit dem sperrigen Titel ist Mechthild Isenmanns von Markus Denzel in Leipzig betreute wirtschaftsgeschichtliche Habilitationsschrift von 2016. Die Autorin führt in Fragestellung, Quellen- und Literaturlage ein und gliedert ihr Werk dann in die drei Hauptteile, nämlich A: eine allgemeine Überlegung zu den Familiengesellschaften vom 14.–17. Jahrhundert (30 Seiten), B: eine Serie von Fallstudien (gut 250 Seiten) und C: eine Analyse (gut 50 Seiten). Ein knappes Resümee und die nötigen, sorgfältig gearbeiteten Verzeichnisse schließen sich an.
Der Schwerpunkt des Buchs liegt also auf den Fallstudien. Sie behandeln Konflikte in und zwischen den bekannten Nürnberger und Augsburger Kaufmannsfamilien Imhoff, Meuting, Paumgartner, Arzt, Behaim, Viatis und Peller und einigen anderen. Dies sind die großen Namen, um die es immer geht, wenn die oberdeutschen Unternehmen jenseits der Fugger und Welser behandelt werden. Die Auswahl überrascht also nicht. Ob kleinere Gesellschaften ihre Konflikte anders lösten, bleibt offen; oft wäre ihnen wohl, wenn sie so hartnäckig gestritten hätten wie manche der großen, das Geld ausgegangen. Die besondere Stärke der Arbeit sind diese Fallstudien: Aus dem überreichen Archivmaterial schält Isenmann einzelne Konflikte heraus. Sie sind es, die aus rechtshistorischer Sicht besondere Aufmerksamkeit verdienen, auch wenn nicht alle, die das Buch zur Hand nehmen, der Autorin in die Details der verästelten Verwandtschaftsverhältnisse usw. folgen werden. Die schiere Menge von spannenden Quellenfunden, die Isenmann in ihren Fußnoten ausbreitet, ist beeindruckend; die reichen Nürnberger und Augsburger Archive erweisen sich wieder einmal als Fundgrube für alle Fragen der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handels- und Wirtschafts(rechts)geschichte.
Teil B besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen. Unter B I. geht es auf gut 80 Seiten um einen konkreten Konflikt zwischen Zentrale und Faktorei in der Familie Imhoff. Teil B II. differenziert dann nach vier Typen von Verwandtschaftsbeziehungen, nämlich Vater–Sohn, Onkel–Neffe, Brüder sowie Schwiegervater–Schwiegersohn. Das ist eine spannende Einteilung, denn damit wirft Isenmann die Frage auf, ob es Konfliktverhalten und -verläufe gab, die diesen Konstellationen entsprachen. Stritten Brüder miteinander auf eine Weise, die in generationenübergreifenden Verhältnissen so nicht auftrat? Setzte der reiche Kaufmann X sich mit seinem Sohn anders auseinander als mit seinem Neffen oder seinem Schwiegersohn? Das wäre eine nicht nur psychologisch, sondern auch rechtshistorisch spannende Baustelle, die sofort Folgefragen provoziert. Nur eine sei ausgesprochen: Haben nahe Verwandte größere oder geringere Hemmungen, einander vor Gericht zu ziehen?
Doch diesen Weg verfolgt die Autorin nicht weiter; für allgemeine Aussagen über das Verhalten von bestimmten Typen von Verwandten wären die Fallzahlen wohl auch zu klein und die konkreten Konflikte zu individuell. Aber die nebeneinander gelegten Resultate der Einzelfälle setzen sich zu einem rechtshistorisch wertvollen Bild zusammen: einem Kontext von Konfliktlagen und Lösungsversuchen vor, neben und nach gerichtlichen Auseinandersetzungen. So werden Schichten sichtbar, die man ausblendet (und ausblenden muss), wenn man sich auf Auseinandersetzungen vor Gericht konzentriert.
Auf diese Basis stützt Isenmann ihre »Analyse« (Teil C). Zunächst identifiziert sie fünf Konfliktfelder wie Streit um Abrechnungen, Betrug und Verschwendung, die sicher gut gewählt sind, aber nicht überraschen. Dann folgen fünf heterogene |Handlungsfelder (Ausbildung, Heiratspolitik, Gesellschaftsverträge und -versammlungen sowie Testamente), welche die Autorin als Konfliktvermeidungsstrategien verstehen will. In einem Buch, das die »Konfliktlösung« im Titel trägt, ist das vermutlich nötig, aber auf all diesen Feldern waren Konfliktvermeidung und -beilegung sicher nur ein Motiv unter anderen. Die Ausbildung zu einem erfolgreichen Kaufmann hatte bestimmt nicht das primäre Ziel, friedliebenden Nachwuchs heranzuziehen, und die Motive der Testamentserrichtung von Batholomäus Viatis senior (316–319) waren vielfältig, aber eher dazu angetan, Konflikte anzuheizen als sie zu vermeiden. Die Versuchsanordnung »Strategien der kaufmännischen Konfliktlösung« birgt von vornherein die Gefahr, Kaufleute für friedliebender zu halten als sie wirklich waren. In zwei (erst nach Isenmanns Buch erschienenen) Beiträgen haben Philipp Höhn und ich argumentiert, dass Kaufleute Konflikte oft auch köcheln oder sogar eskalieren ließen, wenn das gerade vorteilhaft war.1
Diese Überlegungen sind nicht als Kritik am Ansatz des Buchs gemeint, sondern als Einladung, darüber nachzudenken, wie auf Isenmanns Material künftig aufgebaut werden kann. Auch räumlich und zeitlich weist die Arbeit über sich hinaus. Wegen der engen Kontakte über die Alpen, die auch zu Einflüssen in beide Richtungen geführt haben müssen, wüsste man gern mehr über Oberitalien. Nach Nordwesten, Richtung Frankfurt, Köln und in die Niederlande bestanden ebenfalls gute Handelsverbindungen; vor dem Hintergrund der inzwischen zahlreichen wichtigen, aber insgesamt stärker an den Institutionen orientierten Arbeiten von Dave De ruysscher und seinen Schülern liegt ein Vergleich mit Antwerpen nahe, und in den Hanseraum und auch Richtung Prag, Breslau und Krakau hatten die Nürnberger ebenfalls gute Kontakte. Wurden die entsprechenden Konflikte in diesen Wirtschaftsräumen anders ausgetragen? Geht man auf dem Zeitstrahl zurück, so fragt man sich, ob sich im 15. Jahrhundert eine neue Art des Streitens und Verhandelns etabliert hat oder ob wir nur besser informiert sind, weil nach 1400 viel mehr aufgeschrieben wurde als im Jahrhundert davor. Am meisten leuchtet die Grenze in der anderen Richtung des Zeitstrahls ein; durch den Dreißigjährigen Krieg hat sich die Welt völlig verändert. Von 1600 an öffnete sich allmählich die Bühne für einen neuen Typus noch größerer, weltweit agierender Zusammenschlüsse, in denen die Bedeutung der Familien sank und die des Kapitals stieg.2 Deshalb ist der zeitliche Rahmen mit den 200 Jahren vor dieser Wende gut gewählt. Für alle Fragen, die mit den Nürnberger und Augsburger Handelsgesellschaften in dieser Zeit zusammenhängen, wird das Buch von Mechthild Isenmann mit seinen detailreichen, spannend zu lesenden Fallstudien zur Materialsammlung, zum Wegweiser zu den Archivbeständen und insgesamt zum Referenzwerk werden.
* Mechthild Isenmann, Strategien, Mittel und Wege der inner- und zwischenfamiliären Konfliktlösung oberdeutscher Handelshäuser im 15. und ›langen‹ 16. Jahrhundert (VSWG-Beiheft 249), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2020, 450 S., ISBN 978-3-515-12574-1
1 Albrecht Cordes, Philipp Höhn, Konfliktlösung im Fernhandel, in: David von Mayenburg (Hg.), Konfliktlösung im Mittelalter. Handbuch zur Geschichte der Konfliktlösung in Europa, Bd. 2, Berlin 2021, 283–293, und dies., Fernkaufleute, in: Wim Decock (Hg.), Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit. Handbuch zur Geschichte der Konfliktlösung in Europa, Bd. 3, Berlin 2021, 295–303.
2 Ron Harris, Going the Distance. Eurasian Trade and the Rise of the Business Corporation, 1400–1700, Princeton 2020; dazu Albrecht Cordes, Die Organisationsrevolution von 1600/1602, in: Rg 28 (2020) 303–306, http://dx.doi.org/10.12946/rg28/303-306.