Recht sprechen über »besondere Gebilde« – die koloniale Gerichtsbarkeit und das Reichsgericht

[Court Rulings with Regard to »Special Territorial Entities« – Colonial Jurisdiction and the German Reichsgericht]

Jakob Zollmann Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH jakobzollmann@yahoo.fr

Einleitung: Kontinuität und Verflechtung

Vor deutschen Gerichten hatte die Kolonialzeit schon angefangen, lange bevor 1884 oder später in Afrika oder Asien die Flagge des Deutschen Reichs gehisst wurde. Und so richtig es sein mag, das formale Ende der deutschen Kolonialherrschaft über Territorien in Afrika, Asien und dem Pazifik mit der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrags 1919 anzusetzen (der in Artikel 119 die Anerkennung des deutschen »Verzichts« auf Kolonien festschrieb), so unzweifelhaft blieben doch deutsche Behörden mit Kolonialfragen betraut – und sei es mit der Abwicklung der »deutschen Schutzgebiete« und der Versorgung ihrer ausgewiesenen deutschen Siedlerschaft.1 Nämliches lässt sich von deutschen Gerichten sagen, die weiterhin »koloniale« Sachverhalte zu bearbeiten und vorherige Gerichtsentscheidungen mit kolonialen Bezügen zu beachten hatten.2 Die europäischen Kolonien und so auch die deutschen »Schutzgebiete« prägten die Rechtsprechungspraxis nicht allein während der deutschen Kolonialzeit, sondern auch davor und darüber hinaus. Auch anhand der rechtshistorischen Quellengattungen deutscher Gerichtsentscheidungen und den ihnen zu Grunde liegenden Verfahrens- und (kolonialen) Gerichtsorganisations-Normen lässt sich daher die Einsicht des Afrika-Historikers Frederick Cooper belegen: »Das Koloniale erwies sich eben nicht als ein zeitlich abgegrenztes, gleichsam säuberlich auszuscheidendes Element der Weltgeschichte.«3 Vielmehr lassen sich Kontinuitäten nachverfolgen, die die Unterscheidungen in vorkoloniale, koloniale und postkoloniale Epochen zu hinterfragen geeignet sind.4

Diese (post-)koloniale Einsicht in die (fortdauernden) Wirkungszusammenhänge der Rechtsprechung mit kolonialen Bezügen soll im Folgenden anhand der Rechtsprechung deutscher oberster Gerichte, insbesondere des Reichsgerichts, illustriert werden. Teil I beleuchtet eine Reihe von kolonialen Rechtsfragen, die vor deutschen Gerichten verhandelt wurden, bevor das Deutsche Reich in den Kreis der Kolonialmächte eintrat. Teil II analysiert den Aufbau der »Nichteingeborenengerichtsbarkeit« in den deutschen Kolonien als ein Element der kolonialstaatlichen Ordnung, das in der Gerichtshierarchie bis hinauf zum Reichsgericht in Leipzig reichte. Teil III geht auf die konkreten Entscheidungen der Senate des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt) ein, denen koloniale Sachverhalte und Rechtsfragen zu Grunde lagen. Diese Entscheidungen zeigen, wie die Kolonien als »besondere Gebilde«5 in der deutschen Rechtsprechung einerseits exotisiert, andererseits normalisiert wurden um (kolonial)politischen Zielsetzungen im Kaiserreich zu entsprechen.

I. Kolonialhandel in Deutschlands proto-kolonialer Zeit – Kolonialwaren und die deutsche Rechtsprechung

War den Rechtsprechungsinstanzen der älteren westeuropäischen Imperien der Umgang mit kolonialen Sachverhalten und speziellen Kolonialrechten im 18. und 19. Jahrhundert eine Alltäglichkeit,6 so gab es auch in den deutschen Staaten vor der Reichseinigung 1871 und vor dem Beginn der deutschen Kolonialherrschaft ab 1884 vereinzelt Gerichtsentscheidungen, die sich auf Sachverhalte |in europäischen Kolonien in Asien, Afrika oder Amerika bezogen. Vor deutschen Gerichten war die Kolonialzeit also längst schon angebrochen, noch bevor die Kolonialenthusiasten begannen, für deutschen Kolonialbesitz, ein »deutsche[s] Indien«, ein deutsches »Cochinchina« zu werben7 – ja vor diesen Gerichten wurde verhandelt, was in ihren Augen besonders für koloniale Erwerbungen sprach: Einnahmen aus der Kolonialwirtschaft und aus den kolonialen Absatzmärkten; Einnahmen, die jedoch von den Behörden anderer europäischer Mächte verzollt wurden, wie die deutschen Befürworter direkten kolonialen Engagements nicht müde wurden zu bedauern. Im 19. Jahrhundert waren auch deutsche Richter insofern »worldly provincials«, als sie aus ihrer Rechtsprechungspraxis ebenso um die globale Expansion und Verflechtung europäischer Märkte, europäischer Wissenschaft und europäischer Machtprojektionen wussten, wie um die deutschen Beteiligungen an diesen transozeanisch-(proto)kolonialen und vor allem transimperialen Netzwerken.8 In den Jahrzehnten vor den deutschen Kolonialerwerbungen waren hanseatische Firmen wie C. Woermann oder Jantzen & Thormälen mit mehr als zwanzig Faktoreien in Afrika, von Liberia bis zur Kongo-Mündung, vertreten und erlangten dort mitunter eine regional dominierende Stellung im Handel. Auch die Firma Godeffroy hatte eine »Quasi-Monopol«-Stellung im Handel mit Samoa und Tonga in der Südsee inne.9

Insbesondere die hanseatischen Gerichte hatten daher immer wieder Streitigkeiten zu entscheiden, in die Hamburger oder Bremer Kaufleute oder Kapitäne verwickelt waren. Etwa weil sie Waren in »Batavia« oder anderen Kolonien abgeholt, aber nicht rechtzeitig am »richtigen« Bestimmungsort in Europa gelöscht hatten,10 oder weil strittig blieb, wie »eine Rumladung von Havana nach Hamburg zu berechnen« war.11 Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht der vier Freien Städte (Hamburg, Lübeck, Bremen und Frankfurt am Main) in Lübeck war für diese Rechtsstreitigkeiten die letzte Instanz. Wie Peter Oestmann betont, bildeten seehandelsrechtliche Streitigkeiten (sie hatten immer »Auslandsbezug«) ein »Kerngebiet« des Oberappellationsgerichts.12 Es galt Bernhard Windscheid und anderen Rechtsgelehrten – auf Grund der herausragenden juristischen Qualität seiner Entscheidungen – als »wohl erste[r] deutsche[r] Gerichtshof«.13 In dessen »praxisnahe[r], durch das Handelsrecht geprägte[r] Rechtsprechung«14 lassen sich freilich allenfalls Bruchstücke kolonialer Diskurse ausmachen – nicht zuletzt ist es die Selbstverständlichkeit, mit der die »abgründigen Wanderwege der Kolonialwaren«,15 oft Genussmittel wie Kaffee, Tee, Tabak, Zucker, Kakao, Rum oder Gewürze, aber auch Reis, Baumwolle, Elfenbein, Felle oder Palmöl, juristisch in eine »Mikro-Ökonomie der Globalisierung« in Deutschland eingeflochten wurden.16

Desgleichen hatte das 1871 als neue oberste deutsche Appellationsinstanz gegründete Reichsoberhandelsgericht17regelmäßig Streitigkeiten mit kolonialen Bezügen zu entscheiden. Kolonialer Klageanlass war auch hier ausnahmslos der Seehandel: Geklagt wurde etwa wegen Frachtrisiken, Gewichtsmaßen oder der Berechnung von Frachtgebühren oder Kapitänszulagen aus oder in koloniale Häfen Hollands oder Großbritanniens.18 Dabei muss in Betracht gezogen werden, dass »Hamburg sich [nach der Reichsgründung] schnell zu dem europäischen Handelsumschlagplatz entwickelte« und die Kolonialwaren, insbesondere Kaffee, dabei eine zentrale Rolle spielten. Allein in Hamburg waren »von 1880 bis 1928 um die 750 Unternehmen« im Kaffeegroßhandel tätig, die auch für den innereuropäischen Transithandel mit Kaffee eine bedeutende Rolle spielten. Von der Ernte bis zum Konsum waren mindestens |16 Handels- und Verarbeitungsstufen erforderlich.19 Diese komplexe Organisation des Handels mit Kaffee – aber auch anderen Kolonialwaren – ließ Streitigkeiten entstehen, die mitunter bis vor die höchsten deutschen Gerichte ausgetragen wurden.20

Der in der Forschung seit langem etablierte »Gemeinplatz« eines Zusammenhangs zwischen Liberalismus, Kolonialismus und Kapitalismus21 bedurfte zu seiner institutionellen Absicherung auch der nationalen Gerichtsbarkeit. Da für die zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen die Produkte und Märkte kolonialer Territorien gegen Ende des 19. Jahrhunderts weiter an Bedeutung gewannen, spielten für die Beilegung solcher Streitigkeiten mit kolonialem Sachverhalt zwischen Kaufleuten unterschiedlicher Nationalität darüber hinaus kaufmännische – mitunter aber auch internationale – Schiedsgerichte (arbitrage/arbitration) eine wachsende Rolle.22

Das dahinter stehende Ideal einer freien, friedlichen und regelgeleiteten internationalen (Handels-)Ordnung, die auch Waren aus den Kolonien einbeziehen würde, musste jedoch regelmäßig hinter die Wechselfälle der internationalen (Handels-)Politik zurücktreten. Denn die Ein- und Ausfuhr von Kolonialwaren war stets auch politisches Streitobjekt zwischen den involvierten Regierungen, die damit die Bedeutung eines ungehinderten und direkten Zugangs zu den kolonialen oder erst noch zu kolonisierenden Territorien weiter unterstrichen – der sogenannte Scramble for Africa ging auch auf diese Streitigkeiten zurück. Strittig waren Ein- und Ausfuhrzölle, die erhoben oder nicht erhoben, gesenkt oder erhöht werden konnten, je nachdem, wie es die wirtschaftspolitische ›Vernunft‹ oder die im Wettstreit miteinander liegenden Interessenvertreter gegenüber einer der beteiligten Regierungen durchzusetzen wussten.23

So wurden auch in Deutschland Kolonialwaren zum Thema für – im Parlament kontrovers diskutierte – Gesetzesvorlagen. Reichskanzler Otto von Bismarck etwa sah sich 1876 im Reichstag mit der Frage konfrontiert, wie das Deutsche Reich auf die Erhöhung der russischen Einfuhrzölle reagieren werde. Er bekannte, dass er die Zollpolitik Russlands für einen »Irrweg« hielt, der auf das Land selbst zurückfallen werde und bestätigte, dass als »stärkste[r] Posten Kolonialwaren« betroffen waren. Denn »wir [haben] für Kolonialwaren jährlich für etwa 54 Millionen [M] nach Rußland eingeführt. Wenn die nun einer so viel höheren Besteuerung unterliegen sollen, so wird der russische Konsument sie entweder tragen oder die Kolonialwaren entbehren müssen. Dadurch wird unser Zwischenhandel, der Transithandel, vielleicht in gewissem Maße betroffen, indem in Zukunft vielleicht weniger Leute in Rußland Kaffee trinken, aber unsere Produzenten schädigt das nicht wesentlich [Hamburg war damals noch nicht Teil des deutschen Zollgebiets, sondern wurde erst 1888 angeschlossen].«24 Ein solches auf Kosten der deutschen Kolonialwirtschaft betriebenes Abwiegeln von Schwierigkeiten im Verhältnis zu Russland, das der Reichskanzler nicht in die Arme Frankreichs treiben wollte,25 fiel dem bekennenden Kolonialskeptiker Bismarck nicht schwer. Im komplexen Zusammenspiel von Außen- und Innenpolitik erschienen ihm die kolonialen Handelsinteressen in Deutschland vorerst als zu vernachlässigende Größe.

Wenige Jahre später aber waren deutsche Kaufleute mit Interessen in West-Afrika zutiefst besorgt über Gerüchte, dass französische, britische und portugiesische Kolonialbehörden ihnen den Zugang zu den afrikanischen Märkten durch Zölle erschweren oder gar blockieren würden. Angesichts der wirtschaftlichen »Depression« und einer weltweiten Abkehr vom Freihandel schenkte Bismarck ab 1880 diesen Sorgen mehr Gehör. Er war schließlich 1884 sogar bereit, insbesondere gegen britische Interessen, deutsche Handelsinteressen in bestimmten Gebieten Afrikas (Togo, Kamerun und »Deutsch-Südwestafrika« [DSWA] genannt) staatlichen »Schutz« zu gewähren in der Hoffnung, so der Erschließung neuer Absatzmärkte gedient zu haben – wobei er stets betonte, dass diese »Schutzgebiete« keine staatlichen Kolonien seien. Ganz |sicher war er nicht plötzlich zu einem »enthusiastic imperialist« geworden;26 vielmehr blieb der Reichskanzler seiner grundsätzlichen »Kolonialphobie« insofern treu, als er sich auch weiterhin staatlichem Kolonialengagement zu verweigern gedachte.27 Im Reichstag erläuterte er seine Vorstellungen nebulös:

»Unsere Absicht ist, nicht Provinzen zu gründen, sondern kaufmännische Unternehmungen, aber in der höchsten Entwicklung, auch solche, die sich eine Souveränität, eine schließlich dem Deutschen Reich lehnbar bleibende, unter seiner Protection stehende kaufmännische Souveränität erwerben, zu schützen in ihrer freien Entwicklung«.28

Die Formulierung von der »kaufmännischen Souveränität« umschrieb den Grundsatz, dass die Kaufleute vor Ort Institutionen selbst errichten und durch ihren Kolonialhandel finanzieren und damit eher dem vormodernen »Company State« der Niederländischen oder Englischen »Ostindischen Kompagnien« entsprechen sollten.29 Bismarck hielt es für »nicht richtig«, solche Gebiete »von deutschen Beamten verwalten zu lassen und dort Garnisonen zu errichten«30 oder gar kolonialstaatliche Gerichte einzusetzen, die in die deutsche Gerichtshierarchie einzugliedern seien.

Zwar hatte er mit diesen Schutzgebiets-/Protektorats-Plänen in der Südsee einigen Erfolg, wo sich etwa die Jaluit-Gesellschaft bereitfand, für die Rechte auf Ausbeutung von Produkten der Marshall-Inseln die Kosten der Souveränitätsausübung unter einem deutschen »Schutzbrief« zu übernehmen.31 Doch wohlwissend um die mit solchen Plänen auf sie zukommenden Kosten (die sie sich sparen wollten), drängten deutsche Kaufleute in Afrika auf ein stärkeres staatliches Engagement. Im September 1884 forderten mehrere Inhaber deutscher Firmen, die an Afrikas Westküste Niederlassungen besaßen, vom Reichskanzler nicht nur die Einsetzung eines deutschen Gouverneurs, sondern die Ausübung deutscher Jurisdiktion über die deutsche Einflusssphäre in Südwestafrika und Kamerun. Aus der Sicht der deutschen Rechtsanwender im Kolonialhandel schien die Anwendung der gewohnten Normen – das deutsche Recht – erstrebenswert. Insbesondere das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch und das deutsche Strafrecht sollten so bald als möglich Geltung erhalten. Als Appellationsinstanz könne, so ihr der hanseatischen Tradition folgende Wunsch, das Hanseatische Oberlandesgericht (HansOLG) in Hamburg dienen32 – war es doch mit kolonialen Sachverhalten längst vertraut.

Entgegen seiner eigenen Überzeugung wurden noch unter Bismarck auch die juristischen Grundlagen für eine formale staatlich organisierte Kolonialherrschaft geschaffen und mit dem seit 1885 diskutierten und 1886 verkündeten Schutzgebietsgesetz (SchGG) insbesondere die Frage der »Gerichtsbarkeit« in den Schutzgebieten geregelt. Schon unter den Zeitgenossen kam die Vermutung auf: »Zu Beginn der Kolonialbewegung […] war sich die Reichsregierung selbst nicht klar über ihre Stellung zu den […] Überseegebieten.«33 Zwar durfte es deutsche Kolonien unter Bismarcks Reichskanzlerschaft nicht geben, doch ab 1890 sollte es unter seinen Nachfolgern anders kommen in den Schutzgebieten – dieser Begriff blieb zwar bis 1919 amtlich gültig, doch selbst unter Juristen wurde noch in den 1890er Jahren der Begriff »Kolonie« gebräuchlich.34 Innerhalb von kaum zehn Jahren wurde eine durch das deutsche Kolonialrecht – das heißt: die Summe der auf die Kolonien bezogenen Reichsgesetze, Verordnungen, Verfügungen und speziellen Runderlasse der Gouverneure – gelenkte rudimentäre deutsche Verwaltungshierarchie in den Schutzgebieten errichtet. Bald schloss sie auch ein spezielles Kolonialgerichtswesen mit ein.

II. »Nichteingeborenengerichtsbarkeit« – die koloniale Gerichtsorganisation und das Reichsgericht

Unzweifelhaft war die »Eingeborenenpolitik« das »Herzstück«, der »Grundpfeiler« jeder Kolo|nialherrschaft.35 Der Umgang mit den und die Erwartungen an die Kolonisierten oder erst noch zu kolonisierenden Bevölkerungsteile waren im Selbstbild der Kolonialherren, ob Beamte oder Siedler, zentral für die eigene als »kolonial« bezeichnete Tätigkeit.36 Daneben aber gab es den unvermeidbaren Zwang für die Kolonialherren, sich selbst, den Kolonialstaat, zu organisieren. Das vorrangige Mittel zu diesem Zweck war das Recht – in der Kolonie wie im »Mutterland«. Dabei ging es nicht mehr, wie zuvor, allein um Fragen des Handels- und Seerechts. Vielmehr wurden durch die Normen – ob verfassungs-, staats- und verwaltungsrechtlich, zivil-, straf- oder verfahrensrechtlich – Erwartungen an zukünftiges Handeln der Beamten und Siedler formuliert und diese zur Beachtung verpflichtet. Die Zweifel daran, ob diese kolonialstaatliche Organisation in effizienter Weise gelingen würde, waren Teil der oben erwähnten Kolonialskepsis Bismarcks. Hatte er doch den Kolonialenthusiasten vorgehalten, Kolonien seien allenfalls gut als »Versorgungsposten für Beamte« und Deutschland verfüge nicht über eine »geschulte Bürokratie, die ferne Länder verwalten könne.«37

Mit der hier folgenden Analyse der »Nichteingeborenengerichtsbarkeit«38 wird ein Element der kolonialstaatlichen Ordnung herausgegriffen, das in seiner Wirksamkeit weitgehend auf die Siedler- und Beamtenbevölkerung in den Kolonien und im »Mutterland« beschränkt sein sollte; wohingegen die Kolonisierten, wenn sie gezwungen waren mit dem Kolonialstaat in Kontakt zu treten – vor allem in strafrechtlichen Angelegenheiten –, einer Art administrativen Gerichtsbarkeit durch die Verwaltungsbeamten der »Bezirksämter« und der Polizei unterworfen wurden.39 Die Mehrzahl der Kolonisierten wandte sich daher kaum je an die hier analysierte koloniale Gerichtsorganisation. Auch kamen die Kolonisierten in den resultierenden Urteilen und den zeitgenössischen wissenschaftlichen Analysen zur kolonialen (Europäer-)Gerichtsbarkeit selten vor. Wie die Einbeziehung von Gerichten im »Mutterland« bis hin zum Reichsgericht in Leipzig zeigt, war es mitunter nicht einmal notwendig, zur Erörterung kolonialer und speziell kolonialrechtlicher Fragen vor Gericht als Kläger oder auch Angeklagter die Kolonien je betreten zu haben.

So richtig also die generelle Feststellung sein mag, die »Rechtswelten der Kolonialherren und der Kolonisierten [hätten] sich im Alltag kaum« berührt,40 so wichtig ist es, mit der neueren historischen Forschung zu unterstreichen, dass es gleichwohl immer wieder Fälle gab, in denen auf Grund der fortgesetzten Handlungsmacht von Kolonisierten die »Rechtswirklichkeit vor Ort […] die Utopie der Segregation [unterlief].« So hat Ulrike Schaper gezeigt, »wie stark die kamerunische Bevölkerung die koloniale Rechtspraxis mitgestaltete« und die »unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten jenseits institutioneller Grenzziehungen als Teile einer Lebenswelt und Angebote innerhalb eines Handlungsraumes wahr[nahmen].«41 Auch aus Deutsch-Ostafrika (DOA), darauf verweist Stefanie Michels, sind Fälle überliefert, in denen Askari (afrikanische Soldaten der deutschen »Schutztruppe«) gegen Deutsche klagten: »Sie benutzten dafür die ›Nicht-Eingeborenengerichtsbarkeit‹, die in den Kolonien aufgebaut worden war, für eigene Zwecke.«42 Dass dies möglich war, räumte auch das offiziöse Deutsche Kolonial-Lexikon ein: »Der Gerichtsstand für Nichteingeborene bestimmt sich nach § 2 SchGG [d.h. das »Gericht des Schutzgebietes« für Europäer gem. § 3 Nr. 1 SchGG]. Diese gesetzliche Vorschrift ist auch für Eingeborene maßgebend, wenn sie gegen einen Weißen gerichtlich vorgehen wollen.«43

Das Schutzgebietsgesetz von 1886 (RGBl. 75) regelte in zwei von seinen nur vier Paragraphen Fragen der »Gerichtsbarkeit«. So schränkte § 2 SchGG die Kaiserlichen Befugnisse (die »Schutzgewalt«, § 1 SchGG) auf den Gebieten des bürgerlichen, Straf- und Gerichtsverfahrensrechts ein, in dem er diese Rechtsmaterien dem 1879 erlassenen Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit (KGG) überließ. Durch das SchGG erhielten daher die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen des preußischen Allgemeinen Landrechts (ALR, und ab 1900 das BGB) und des Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB), |auf die § 3 KGG verwies, Geltung in den Schutzgebieten. In all diesen Rechtsmaterien blieb daher – so der Staatsrechtler Georg Meyer kategorisch – die Gesetzgebung »den gesetzgebenden Organen des Reiches vorbehalten«.44 Des Weiteren sprach § 2 SchGG mit Blick auf das »gerichtliche Verfahren« in Zivil- und Strafrechtssachen für die in den Schutzgebieten lebenden Europäer (vgl. § 3 Nr. 1 SchGG; aber nur sie, nicht die »Eingeborenen«, § 3 Nr. 4 SchGG) davon, »daß an Stelle des Konsuls der vom Reichskanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte und an Stelle des Konsulargerichts das nach Maßgabe der Bestimmungen über das letztere zusammengesetzte Gericht des Schutzgebietes tritt.«

Die Möglichkeit einer »Berufung und Beschwerde« gegen Entscheidungen dieser »Gericht[e] des Schutzgebietes« war in § 3 Nr. 4 SchGG angedacht. Konnte doch »[d]urch Kaiserliche Verordnung« das Hanseatische Oberlandesgericht als »Berufungs- und Beschwerdegericht« für koloniale Rechtsstreitigkeiten (zwischen Europäern) bestimmt werden – ganz so, wie es sich die hanseatischen Kaufleute 1884 gewünscht hatten. Dagegen wurde das 1879 gegründete Reichsgericht im SchGG nicht explizit erwähnt, wenn auch unstreitig war, dass es als Revisionsinstanz des HansOLG diente. Gleichwohl war das Reichsgericht schon 1885 in den verwaltungsinternen Debatten, die zur Verabschiedung des SchGG führten – gewissermaßen als Drohung – präsent. Denn Bismarck und seinen Beratern war es ursprünglich wichtig gewesen, dass »der Instanzenzug aus den Kolonien nicht zum Reichsgericht führen [würde], da eine Kompetenz des höchsten deutschen Gerichts nur durch [ein von der Reichsleitung eigentlich zu vermeidendes] Reichsgesetz zu begründen sei.« Bismarck wollte nicht nur keine Kolonien im engeren Sinne, sondern er wollte das Parlament aus allen außenpolitischen Angelegenheiten, wozu er auch die Schutzgebiete zählte, heraushalten. Diese sollten kein »parlamentarischer Exerzierplatz« werden. Dagegen argumentierte der Staatssekretär des Reichsjustizamts Schelling für die Verabschiedung eines Gesetzes, eben des späteren SchGG. Unter anderem verwies er auf die Möglichkeit, dass, wenn Gerichte in Deutschland als übergeordnete Instanzen Rechtsstreitigkeiten aus den Schutzgebieten zu entscheiden hätten, sie legitimerweise auch prüfen könnten, ob die bis dahin erlassenen Kaiserlichen Verordnungen zum Recht in den Schutzgebieten überhaupt verfassungsrechtlich gültig seien. Die Richter könnten dies – so Schelling – gegebenenfalls bestreiten. »Damit würden sich Kaiser und Reichskanzler dem […] keinesfalls geringen Risiko aussetzen, beispielsweise vom Reichsgericht staatsrechtlich bloßgestellt oder sogar in einen ›kleinen Verfassungskonflikt‹ getrieben zu werden.«45 Angesichts dieser ›Drohung‹ mit verfassungsrechtlichen Weiterungen, die ihm noch aus der »Konfliktszeit« mit dem preußischen Abgeordnetenhaus (1862–1866) in Erinnerung waren,46 willigte Bismarck 1885 in den Entwurf eines vom Reichstag zu verabschiedenden SchGG ein – selbst wenn dies seinen ursprünglichen Intentionen zu den »Schutzgebieten« widersprach.

Als Berufungsinstanz in Konsulargerichtsstreitigkeiten war zwar das Reichsgericht mit den rechtlichen Angelegenheiten deutscher Staatsangehöriger in kolonialen Kontexten befasst (§§ 18, 31, 36 KGG, 1879), doch betraf dies noch nicht die deutschen Kolonien. So nahm das Reichsgericht 1887 ein Urteil des deutschen »Konsulargerichts Sansibar« zur Berufung an; ein Territorium, das damals noch unabhängiges Sultanat war, aber zunehmend zwischen die widerstreitenden deutschen und britischen Kolonialinteressen in Ostafrika geriet.46 Angesichts der Tatsache, dass deutsche Kolonialkaufleute bis 1914 unbestreitbar den größeren Teil ihres Umsatzes in den Kolonien anderer europäischer Mächte machten, passte es ins Bild, wenn eine der frühen Entscheidungen des Reichsgerichts mit genuin kolonialem Sachverhalt (1888) sich auf die »britische Kolonie Trinidad« bezog: Zu klären war die Frage, ob dort »deutsche Warenzeichen […] einen Schutz« genössen oder nicht.47

Aus dem oben Gesagten ergeben sich zwei für die Gerichtsorganisation und die »Ausübung der Gerichtsbarkeit« (§ 2 SchGG) maßgebliche Prinzipien des deutschen Kolonialrechts: Erstens die |Trennung zwischen Reichsdeutschen (sowie anderen Europäern und diesen rechtlich gleichgestellten Bevölkerungsteilen; dies konnte im Einzelfall auch sogenannte »civilisirte Neger«, etwa aus den USA oder Jamaika einschließen49) und »Eingeborenen«, »Farbigen« oder was dergleichen an (Rechts-)Begriffen für die Kolonisierten gebräuchlich war, durch das Kolonialrecht.50 Nur für Europäer galten die eingeführten allgemeinen deutschen Gesetze sowie die speziellen Verordnungen für die Kolonie(n), über deren Anwendung deutsche Gerichte in den Kolonien zu urteilen hatten. Dagegen sollte die Rechtsprechung der einheimischen Bevölkerung »im Allgemeinen« im Rahmen ihrer »bestehenden Sitten und Gewohnheiten« fortbestehen, so sagten es etwa die deutschen »Schutzverträge« an der Küste Kameruns den Duala zu.51 Nicht zuletzt ging es auch darum, die Kolonialherrschaft abzusichern durch diesen Rückgriff auf vorkoloniale »Sitten und Gewohnheiten« – was die (versuchte) Einbeziehung »traditioneller Herrscher« (oder solchen Männer, die man dazu machte) und ihrer Gerichtsbarkeit einschloss. Zumindest aber sollten diese Herrschaftsversuche durch solche Rückgriffe erleichtert werden. Mit dieser kategorialen Zweiteilung, der ein kultureller Relativismus zu Grunde lag, ist auch das deutsche Recht in den Kolonien zu einem Teil der europäischen »Geschichte der Akzeptierung des Fremden wie der zunehmenden Distanzierung ihm gegenüber« geworden.52 Zu Recht ist in der Forschung von einer prinzipiell »dualen Kolonialrechtsordnung« in Deutschlands Kolonialreich die Rede.53 Ungeachtet dieser scheinbar eindeutigen Trennung und Zweiteilung lag in ihr jedoch von Beginn an ein schon zeitgenössisch nicht unterschätztes Konfliktpotential. Denn oftmals war die zuständige Gerichtsbarkeit für »weiße« und »farbige« Rechtssuchende den Beteiligten, ob Kolonialbeamten, Siedlern oder Kolonisierten, nicht ohne weiteres klar.54 Darüber hinaus gab es eine nicht zu leugnende »Interaktion zwischen den kolonialen Gerichten und lokalen Gerichten«,55 die noch verkompliziert wurde durch die »Gemischte Gerichtsbarkeit«, wenn »Angehörige beider Rassen miteinander in Rechtsverkehr treten«56 – ungeachtet aller gegenteiligen Bestrebungen des Kolonialgesetzgebers konnte daher auch das »›Deutsche Kolonialrecht‹ [wie jedes andere Kolonialrecht] einen mischrechtlichen Charakter« nicht verleugnen.57

Das zweite Prinzip bildete die Kontinuität des Rechts für die deutsche Bevölkerung: Der deutsche Kolonialgesetzgeber ging von dem Gesichtspunkt aus, »daß der Kolonist in seine neue Heimat sein gewohntes bürgerliches Recht [oder andere Rechtsgebiete] mitnehmen und unter ihm leben soll.« Daraus folgte, dass in den Kolonien das Reichsstrafgesetzbuch und »die dem bürgerlichen Recht angehörenden Vorschriften der Reichsgesetze und daneben die innerhalb Preußens im bisherigen Geltungsbereiche des preußischen Allgemeinen Landrechts in Kraft stehenden allgemeinen Gesetze« zur Anwendung kamen (so § 19 Nr. 1 KGG i.V.m. § 3 SchGG [1900]).58 Für die kolonisierte Bevölkerung sollte zwar grundsätzlich ebenfalls die Kontinuität der Geltung ihrer »Sitten und Gewohnheiten« maßgeblich bleiben (s. oben). Doch wurden diese fortwährend neu ausdefiniert (»erforscht«) und kolonialpolitischen und moralischen Erfordernissen unterworfen und abgeändert, ohne dass die Gouverneure in ihrer »Eingeborenen-Verordnungstätigkeit« ernsthaften Einschränkungen unterlegen hätten.59

Der so ausgestaltete koloniale Rechtspluralismus hatte vor allem das eine Ziel: die privilegierte Stellung der Kolonisatoren und die Unterordnung |der Kolonisierten zu zementieren. Im Sinne des Soziologen Trutz von Trotha lassen sich die Motive für diese Rechtspolitik einordnen als Teil jener »Utopie staatlicher [okzidentaler] Herrschaft« in den Kolonien, die sich den deutschen Akteuren im kolonialen Alltag als »voraussetzungsreiche Prozesse der Akkumulation von Machtchancen und der Verfestigung von Macht« darstellte. Angesichts der oftmaligen machtpolitischen Schwäche der Kolonialverwaltung gegenüber der erst noch zu kolonisierenden Bevölkerung verstand es sich von selbst, dass diese versuchte »Verfestigung von Macht« von jeweils unsicherem, offenem Ausgang war.60

Mit der Reform des Schutzgebietsgesetzes 1888 (RGBl. 71) wurde die Zuständigkeit des Hanseatischen Oberlandesgerichts (und, da dessen Entscheidungen vor dem Reichsgericht angefochten werden konnten, auch dieses) in der kolonialen Gerichtsorganisation weitestgehend eingeschränkt, indem durch Kaiserliche Verordnung »als Berufungs- und Beschwerdegericht ein Konsulargericht oder ein Gerichtshof im Schutzgebiet bestimmt« werden konnten (§ 3 Nr. 9 SchGG [1888]). Dagegen hatte in der vorhergehenden Gesetzgebungsdebatte 1888 der Entwurf des Zentrums-Abgeordneten und Oberlandesgerichtsrats Viktor Rintelen ausdrücklich die Berufung »gegen Entscheidungen der Gerichte der Schutzgebiete« an das »Reichsgericht [wo er selbst kurze Zeit tätig gewesen war] oder ein anderes deutsches Gericht« als Möglichkeit vorgesehen.61 Doch die Reichsleitung setzte sich in § 3 Nr. 9 SchGG mit ihrer Intention durch, das Mutterland und die Schutzgebiete in mehr oder weniger unverbundene ›Gerichtskreise‹ zu trennen und damit die »Kaiserdiktatur« aus § 1 SchGG weiterhin so wenig wie möglich einzuschränken. Die in § 3 Nr. 9 SchGG formulierte Kaiserliche Ermächtigung, die gerichtliche Zuständigkeit Gerichten in den Schutzgebieten zu übertragen, wurde in den folgenden Jahren genutzt. Es ergingen eine Reihe von Kaiserlichen Verordnungen über die »Rechtsverhältnisse« in den einzelnen Schutzgebieten.62 Das abermals reformierte Schutzgebietsgesetz von 1900 (RGBl. 812) stellte in § 4 S.1 unmissverständlich klar: »Die Eingeborenen unterliegen der im §. 2 geregelten Gerichtsbarkeit [für Europäer] und den im §. 3 bezeichneten Vorschriften [den deutschen Gesetzen wie BGB, RStGB, etc.] nur insoweit, als dies durch Kaiserliche Verordnung bestimmt wird.« Weiter bestimmte § 6 Nr. 6, dass durch Kaiserliche Verordnung

»die nach dem Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit begründete Zuständigkeit des Reichsgerichts einem Konsulargericht oder einem Gerichtshof in einem Schutzgebiet übertragen und über die Zusammensetzung des letzteren Gerichtshofs sowie über das Verfahren in Berufungs- und Beschwerdesachen, die vor einem dieser Gerichte zu verhandeln sind, mit der Maßgabe Anordnungen getroffen werden [kann], daß das Gericht aus einem Vorsitzenden und mindestens vier Beisitzern bestehen muß«.

Diese Kaiserliche Verordnung erging wenige Monate später und sie legte in § 8 I fest:

»Die nach dem Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900 begründete Zuständigkeit des Reichsgerichts wird für das Schutzgebiet von Togo der Gerichtsbehörde zweiter Instanz im Schutzgebiete von Kamerun, für das Schutzgebiet von Kiautschou dem Kaiserlichen Konsulargericht in Schanghai, für das Inselgebiet der Karolinen, Palau und Marianen der Gerichtsbehörde zweiter Instanz im Schutzgebiete von Deutsch-Neu-Guinea, für die übrigen Schutzgebiete der in einem jeden derselben errichteten Gerichtsbehörde zweiter Instanz mit der Maßgabe übertragen, daß das Gericht aus dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz ermächtigten Beamten und vier Beisitzern besteht.«63 |

In der Rechtspraxis mussten demnach erhebliche Abweichungen gegenüber der Situation in Deutschland auch in Verfahrensfragen hingenommen werden; einige ergaben sich aus der Natur der Sache: An Stelle des Konsuls im KGG trat der vom Reichskanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Kolonialbeamte, an Stelle des Konsulargerichts das nach Maßgabe der Bestimmungen des KGG gebildete Gericht des Schutzgebietes (§ 2 SchGG).64 Weitere Regelungen über Abweichungen von den im Deutschen Reich üblichen Verfahren konnten ebenfalls über den Verordnungsweg ergehen.

Wesentlicher als diese Verfahrensabweichungen war für die Rechtswirklichkeit jedoch die grundlegende Tatsache, dass eine Trennung zwischen Verwaltung und Rechtsprechung zwar sachlich anerkannt, personell aber in der rund dreißig Jahre währenden deutschen Kolonialherrschaft nicht immer umgesetzt wurde. Der vom Gouverneur ernannte Bezirkshauptmann, der über keine richterliche Vorbildung verfügen musste, fungierte regelmäßig zugleich als »Richter«, sowohl über die Kolonisierten, als auch über die Europäer. So war weder die Unabhängigkeit eines Verwaltungsbeamten noch des Richters zu gewährleisten. Allen mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit betrauten Beamten der Schutzgebiete stand das Recht zu, »für ihren Gerichtsbezirk bzw. einen Teil desselben polizeiliche Vorschriften zu erlassen und die Nichtbefolgung derselben mit Geldstrafe bis zu 150 Mark zu bedrohen [§ 4 KGG].«65 In den 1890er Jahren fungierte als Berufungsinstanz gegen solche ›Urteile‹ der Gouverneur/Landeshauptmann der Kolonie persönlich.66

Mit der Ausweitung und Dezentralisierung der deutschen Siedlungsgebiete in den Kolonien Deutsch-Ostafrika und -Südwestafrika – den beiden deutschen Kolonien, die naturräumlich und klimatisch für geeignet befunden wurden, eine nennenswerte Zahl von europäischen Siedlern aufzunehmen67 –, wuchsen die Anforderungen an die Gerichtsorganisation. Eine Aufteilung des Schutzgebietsterritoriums in mehrere Gerichtsbezirke wurde notwendig. 1896 bestanden in Kamerun, DOA und DSWA je zwei oder drei Gerichtsbezirke, wobei nun versucht wurde, Richteramt und Bezirkshauptmannschaft getrennt zu besetzen.68 In DSWA etwa übernahm beim Gouvernement in Windhoek der juristisch ausgebildete Paul Richter (der »Doppelrichter«) die zweite Instanz eines »Obergerichts«. Die »Denkschrift« der Kolonialverwaltung für das Jahr 1898 vermerkte dann auch: »Die Thätigkeit an den drei Gerichten erster Instanz [wie auch am Obergericht DSWAs] war während des Berichtsjahres überall eine gesteigerte.«69 – insbesondere stieg die Anzahl der Strafverfahren.70 Auch das Reichsgericht selbst anerkannte, dass in den Schutzgebieten »die Reichsgewalt organisiert und […] auch deutsche, nach deutschen Gesetzen erkennende Gerichte geschaffen worden sind« (RGZ 84, 259, 261). Da nach der Reichsverfassung die Justizhoheit bei den Einzelstaaten lag, die Schutzgebiete aber nicht zum |Bundesgebiet gemäß Artikel 1 Reichsverfassung gehörten, hatten alle Gerichte der Schutzgebiete »den Charakter von Reichsgerichten«.71 Die Urteile wurden im Namen des Kaisers, des obersten kolonialen Gerichtsherrn, gesprochen, der, ebenso wie die Gouverneure, zugleich über das Gnadenrecht verfügte.

Im Einzelnen gliederte sich die deutsche koloniale »Nichteingeborenengerichtsbarkeit« in folgende Instanzen:72

–der Kaiserliche Bezirksrichter

–(das Kaiserliche Bezirksgericht)

–der Oberrichter

–(das Kaiserliche Obergericht)

–[das Reichsgericht]

Die Gerichtsbarkeit wurde in erster Instanz durch den Bezirksrichter und das Bezirksgericht ausgeübt. Der Bezirksrichter war zuständig für die den Amtsgerichten durch das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie die den Zivilprozess- und Konkursordnungen (ZPO; KO) zugewiesenen Sachen. Hinzu kamen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die durch Reichsrecht oder die in Preußen fortgeltenden allgemeinen Landrechte den Amtsgerichten übertragen waren. Nötigenfalls konnte der Bezirksrichter für seinen Bezirk seemannsamtliche Befugnisse erhalten, so bei Schiffsunfällen oder bei der Ausstellung von Flaggenzeugnissen gemäß § 8 SchGG. Außerdem war er, soweit nichts anderes bestimmt wurde, der Standesbeamte.73 Für die Strafrechtspflege war er vor allem für die Voruntersuchungen, Beschlagnahmung, Durchsuchungen und die Entscheidung über die Festnahme verantwortlich.

Das Bezirksgericht bestand aus dem Bezirksrichter und zwei (Zivilverfahren) oder vier (Strafsachen) Beisitzern.74 Nur in diesen Konstellationen konnten Verfahren geführt werden, die gemäß der ZPO und dem GVG den Zivilkammern vorbehalten waren (§ 10 Z.1 KGG). Unter Verweis auf § 2 SchGG i.V.m. § 10 Nr.1 KGG bestätigte das Reichsgericht 1914, dass die »Kaiserlichen Bezirksgericht[e]« in den Kolonien »mit der Zuständigkeit der Landgerichte in erster Instanz ausgestattete Gerichte« seien (RGZ 84, 259, 260). Den Zivilkammern waren als erstinstanzlichen Gerichten höherer Ordnung alle Prozesssachen zugewiesen, die in Deutschland nicht den Amtsgerichten zustanden: also alle Streitwerte über 300,- M, sowie Ehesachen, Handelssachen oder Klagen aus dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. In Strafsachen übernahm das Bezirksgericht die Funktion des Landgerichts in erster Instanz und war zweitinstanzlich zuständig für Beschwerden gegen Entscheidungen des Bezirksrichters in Strafsachen (§ 10 II KGG).75

Der Oberrichter entschied allein über Rechtsstreitigkeiten in Zivil- und Konkurssachen, wenn die angefochtene Entscheidung in erster Instanz nicht unter Mitwirkung von Beisitzern ergangen war. Das Obergericht bestand aus dem Oberrichter und vier Beisitzern. Es war zuständig in allen Angelegenheiten, in denen nach dem KGG (1900) die Zuständigkeit des Reichsgerichts gegeben war. Demnach hatte es die Bedeutung einer endgültigen Beschwerde- und Berufungsinstanz in Zivil- und Strafsachen über Entscheidungen der Bezirksgerichte. Erste und letzte Instanz war es auch bei Wiederaufnahmeverfahren in Strafsachen. Für den Fall, dass ein Oberrichter nicht ernannt war, wurden dessen Befugnisse durch den Gouverneur wahrgenommen. Ein Umstand, der die nach wie vor nicht vollzogene Trennung von Verwaltung und Justiz auch den Zeitgenossen vor Augen führte.76 Anwaltszwang herrschte we|der vor den Bezirksgerichten noch vor dem Obergericht.

Das Reichsgericht selbst erhielt seine Zuständigkeit aus § 136 I GVG (1877) für die Fälle »des Hochverraths und Landesverraths, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser oder das Reich gerichtet« waren. Derartige Vorkommnisse aus den Kolonien sind allerdings nicht überliefert. Als zu Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 in Kamerun der nicht der Europäer-Gerichtsbarkeit unterstehende König Manga Bell wegen »Hochverraths« (er hatte die Rechtmäßigkeit einer administrativen Anordnung in Frage gestellt) angeklagt wurde, war es de facto der Gouverneur, der ihn alsbald zum Tod durch den Strang verurteilte.77

Inwieweit das Reichsgericht über den ihm »angegliederten« Disziplinarhof auf Grund des Reichsbeamtengesetzes (1873) sowie das von diesem geordnete Disziplinarverfahren auch auf Verfahren gegen Kolonialbeamte einwirkte, bedarf noch näherer archivalischer Untersuchung. Fest steht, dass mit dem Kolonialbeamtengesetz (KolBG, 1910) eine eigene »Disziplinarkammer für die Schutzgebiete« mit Sitz in Potsdam (erste Instanz) und der »Disziplinarhof für die Schutzgebiete« mit Sitz in Berlin (zweite Instanz) installiert wurde.78

Wie oben ausgeführt, hatte die Reichsleitung ab 1888 von der Festlegung einer speziellen obersten kolonialen Appellationsinstanz im Deutschen Reich abgesehen. Doch die Diskussion darüber ging auch nach 1900 weiter. So wurde etwa neben dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg auch ein deutsches Konsulargericht oder ein oberstes Gericht in den Schutzgebieten angeregt, doch war eine Einigung hierüber nicht zu erzielen. Der Bonner Doktorand Fritz Seelbach machte den Vorschlag, einem Senat des Berliner Kammergerichts die kolonialen Revisionen zu übertragen. Die von ihm angeführten Argumente zeigen, in welchem Maße bis 1904 das preußische Recht die Rechtswirklichkeit der afrikanischen Kolonien durchdrungen hatte: 1. »in den Kolonien [kommt] immerhin ein beträchtliches Stück Preußisches Recht […] zur Anwendung« (das Argument lief darauf hinaus, dass die obersten preußischen Richter ›ihr‹ Recht am besten anzuwenden wüssten); und 2. wäre es hilfreich, wenn in diesem Senat Kolonialjuristen mitwirken würden. »Dieses ist aber für Leipzig [als dem Sitz des Reichsgerichts] schwer, für Berlin als Sitz der Kolonialabteilung [des Auswärtigen Amts] dagegen leicht durchführbar.«79 Erfolg war diesen Überlegungen nicht beschieden.

Aber auch von anderen wurde »die Krönung des Gebäudes mit einem obersten Gerichtshofe, der die Einheitlichkeit unserer überseeischen Rechtsentwicklung gewährleisten soll«,80 eingefordert. Vehementere Anläufe unternahm das Reichskolonialamt ab 1909 selbst, da die Steuerverfahren durch die Diamantenfunde in DSWA zu einer erheblichen Steigerung der Streitwerte beigetragen hatten. Insbesondere das Reichsschatzamt drängte darauf, diese Verfahren nicht den mit Beisitzern (die häufig Kaufleute waren) besetzten kolonialen Obergerichten letztinstanzlich zu überlassen. Um die aus dieser »ungeeigneten Besetzung mit […] [einem Richter und] vier Laien« resultierende »Unzulänglichkeit der Rechtsprechung der Obergerichte in den Kolonien« zu korrigieren,81 sah der Gesetzentwurf einen obersten »Reichs-Kolonialgerichtshof« für die Europäer vor. Er sollte Zivil- und Strafsachen entscheiden. Doch scheiterte dieser Versuch an einer Vielzahl von Kritikpunkten: Zu gering schien die Zahl der zu erwartenden Fälle, zu hoch die veranschlagten Kosten; selbst im Bundesrat hatten sich die Gesandten nicht auf einen Sitz des Gerichts einigen können – Berlin oder Hamburg, später auch ein »Kolonialsenat« beim Reichsgericht in Leipzig standen zur Debatte. Auch die geplante Besetzung des Gerichts mit einem höheren Verwaltungsbeamten rief ob der Gefahr einer Verwischung von Judikative und Exekutive scharfen Widerspruch hervor. Die »mit zunehmender Härte zwischen Parlament und Regierung« geführte Diskussion eines neuerlichen Entwurfs der Reichsleitung zur Errichtung eines Kolonialgerichtshofs von 1913 verzögerte die Abstimmung bis in den Sommer 1914 hinein.82 Zuvor schon hatte der Reichsgerichtsrat Lobe öffentlich beklagt, |es bestünde durch die Einsetzung eines eigenen »Kolonialgerichtshofs«, und damit eines »dritte[n] [Reichs-] Revisionsgericht[s]« (neben Reichsgericht und Reichsmilitärgericht), eine »große Gefahr für die Einheit der Rechtsprechung« in Deutschland. Lobe betonte auch, es sei angesichts der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem »Mutterland« und den Kolonien »oft nur Zufallsache«, ob eine Klage in den Kolonien oder in Deutschland erhoben würde. In seiner erstaunlich sarkastisch formulierten Generalkritik des Regierungsentwurfs (die vorgeschlagene Besoldung i.H.v. lediglich 1500 M p.a. sei ein »Taschengeld«) plädierte er daher dafür, zur Wahrung der »Einheit der Rechtsprechung« den »Kolonialgerichtshof ans Reichsgericht in Leipzig an[zu]gliedern«.83 Der Kriegsausbruch ließ sämtliche Bemühungen um einen eigenständigen »Kolonialsenat« hinfällig werden. Im Ergebnis wird in der Forschung festgehalten, dass die Kolonialgerichte »bis zum Untergang des deutschen Kolonialreichs keiner reichsrechtlichen Kontrolle« unterlagen.84

III. Das Reichsgericht in »kolonialen« Strafsachen – vier Entscheidungen im Kontext

Auch wenn ein deutsches »Reichskolonialgericht« bis 1914 nicht zu Stande kam, so kann doch das Stichwort der »fehlenden Kontrolle« dazu anregen, der Frage nachzugehen, in welchem Rahmen kolonialrechtliche Fragen vor dem höchsten deutschen Gericht, dem Reichsgericht, verhandelt und entschieden wurden; ob also doch eine höchstrichterliche »Kontrolle« einzelner mit den deutschen Kolonien in Verbindung stehender Sachverhalte im Kaiserreich stattfinden konnte. Zwar ist mit Marc Grohmann davon auszugehen, dass Fragen zu den »[k]oloniale[n] Kompetenzen […] weder die politischen noch die [rechts-]wissenschaftlichen Debatten des Kaiserreichs«85 dominierten. Doch abgesehen von derartigen Relevanzkriterien genügt ein Blick in das »General-Register« der Entscheidungssammlung des Reichsgerichts oder ein Sucheintrag in der elektronischen Datenbank um festzustellen, dass – entgegen der Intentionen der Reichsleitung – die deutschen Kolonien, beziehungsweise das Handeln der deutschen Kolonialbeamten, Eingang in die höchstrichterliche Rechtsprechung des Deutschen Reichs gefunden haben – und insofern durchaus höchstrichterlich kontrolliert wurden; wenn auch nicht die Gerichtsentscheidungen in den Kolonien selbst.

Innerhalb von geschätzten 15000 veröffentlichten Entscheidungen in 173 Bänden allein zum Zivilrecht zwischen 1879 und 1945 wurden etwa dreißig Entscheidungen mehrerer Zivilsenate des Reichsgerichts von 1888 bis 1932 mit »kolonialem« Sachverhalt in den »RGZ«-Bänden 22 bis 137 veröffentlicht. Soweit ersichtlich, wurden lediglich vier Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen mit kolonialem Bezug für veröffentlichungswürdig gehalten (innerhalb von insgesamt 78 Bänden, veröffentlicht zwischen 1880 und 1945).86 Sie werden weiter unten analysiert – hinzu kommen zwei Entscheidungen mit Bezug auf die britische Kolonie Südafrika. Der Inhalt all dieser Entscheidungen zeigt, dass wesentliche Fragen des deutschen Kolonialrechts und der Kolonialpolitik auch vor dem Reichsgericht verhandelt wurden. Insofern ist es missverständlich, wenn es in der Forschung heißt, das Reichsgericht habe »grundsätzlich keine Entscheidungsbefugnis für die deutschen Kolonialgebiete bes[essen]«.87 Denn auch wenn die vorherigen Urteile, gegen die Revision vor dem Reichsgericht eingelegt wurde, von Gerichten in Deutschland gefällt wurden (oft in Berlin, da dort das Reichskolonialamt seinen Sitz hatte), so waren die beteiligten Richter doch befugt, Streitfragen und Sachverhalte aus den deutschen Kolonien zu entscheiden, und mussten dafür |deutsches Kolonialrecht interpretieren. Darüber hinaus sind mehrere Fälle überliefert, in denen individuelle Kläger den »Landesfiskus von Togo« oder Deutsch-Südwestafrika drittinstanzlich vor dem Reichsgericht auf Zahlung verklagten (RGZ 54, 113 [1903]; RGZ 86, 6 [1914]; RGZ 95, 318 [1919]), oder umgekehrt der »Landesfiskus von Deutsch-Südwestafrika« (Rück-)Zahlungen von Privaten einklagen wollte (RGZ 81, 237 [1913]). Ex officio war das Reichsgericht daher eine (bisher überhörte) gewichtige Stimme in den kolonialen Debatten des Kaiserreichs.88

Zunächst sei eingeräumt, dass die oben genannten Zahlen angesichts der Gesamtmenge von Entscheidungen als eine quantité négligeable erscheinen mögen. Es ist wichtig, als Historiker des deutschen Kolonialismus den eigenen sense of proportionality nicht zu verlieren.89 Zugleich ist zu betonen, dass die hier behandelten Entscheidungen des Reichsgerichts keinesfalls alle Entscheidungen mit Bezug auf die deutschen Kolonien sein müssen. Dem Abdruck in der erwähnten Entscheidungssammlung ging ein internes Auswahlprozedere unter den Reichsgerichtsräten voraus. Übrig blieben jene Entscheidungen, die in der maßgeblichen Textsammlung »Entscheidungen des Reichsgerichts« abgedruckt wurden: »Die Herausgabe besorgte im Namen der Mitglieder [des Reichsgerichts] eine Redaktionskommission, in die aus jedem Senat ein Senatsvertreter abgeordnet wurde. Welche Urteile für die Veröffentlichung bestimmt werden, entscheidet jedoch allein der Senat, der sie erlassen hatte; ohne dessen Genehmigung dürfen auch keine Kürzungen usw. für den Druck vorgenommen werden.«90 Die tatsächliche Rechtsprechung des Reichsgerichts war deutlich umfangreicher: »allein im Jahr 1908 über 4000 Revisionen plus rund 1500 Beschwerden«.91 Schätzungsweise wurden weniger als 10% der Entscheidungen des Reichsgerichts in die Sammlung aufgenommen.92

Darüber hinaus ließe sich ebenso gut nach zeitgenössischen kolonialen/kolonialpolitischen Streitthemen fragen, die (für die Rechtsgeschichte: leider) nicht vor das Reichsgericht gebracht wurden – woran sich die (selten zu beantwortende) Frage anschließt, warum das nicht der Fall gewesen ist. Um hier nur ein Beispiel anzuführen: Seit deutsche Männer sich Mitte des 19. Jahrhunderts im südwestlichen Afrika niedergelassen hatten, hatten sie mit dort ansässigen Frauen auch Familien gegründet und waren mitunter (von deutschen Missionaren) kirchlich getraut. Die formale deutsche Kolonialherrschaft seit 1884 hatte an dieser Praxis und der Gültigkeit afrikanisch-deutscher Ehen zunächst nichts geändert. Gemäß des Bundes-Staatsangehörigkeitsrechts von 1870 erlangten Kinder deutscher Väter deren Staatsangehörigkeit.93 Sie waren mitunter zur Ausbildung nach Deutschland geschickt worden. Doch eine Verordnung des stellvertretenden Gouverneurs von DSWA, Tecklenburg, vom Januar 1903 bestimmte, dass Kinder von afrikanischen Müttern und deutschen Vätern (selbst wenn diese bei der Geburt miteinander verheiratet waren) fortan »als Eingeborene zu betrachten« seien. Dieser kolonialpolitisch viel diskutierte Kampf gegen die »Mischehe« setzte sich auch nach dem Ende der Kriege in DSWA und DOA fort. 1908 verkündete eine Verordnung des Gouverneurs von DSWA, dass deutsche Väter von »Mischlingskindern« das aktive wie passive Wahlrecht für den neu gegründeten Landesrat, ein beratendes Siedlerparlament in der Hauptstadt Windhoek, verlören.94 In beiden Fällen schien eine einfache lokale Verwaltungsverordnung auszureichen, um Gesetzesrecht, bzw. eine Kaiserliche Verordnung zur Bildung von kolonialen Selbstverwaltungskörperschaften abzuändern oder gar ganz auszuhebeln. Diese Selbstgefälligkeit der deutschen kolonialen Verwaltungsbehörden war Kritikern schon lange ein Dorn im Auge und |die Rufe nach einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung von kolonialen Verwaltungsakten und Verordnungen wurden lauter.95 Dennoch bleibt festzustellen, dass – soweit ersichtlich – die hier geschilderte von den Kolonialbehörden angeordnete eklatante Verweigerung der Rechte von deutschen Reichsangehörigen (der Kinder ebenso wie der Väter) nie vor dem Reichsgericht angefochten wurde; ungeachtet auch der Tatsache, dass die »aufstrebende Zunft der Kolonialjuristen« die »›Rassenmischehe‹-Frage« nach 1910 »heftig« diskutierte.96

Hatten die oben erwähnten (für Deutschland: vorkolonialen) höchstrichterlichen Entscheidungen mit Bezug auf Kolonien stets eindeutig handelsrechtliche Fragen zu klären und waren auch die ersten ›kolonialen‹ Fälle des Reichsgerichts in den 1880er Jahren vor den Zivilsenaten verhandelt worden, so ergab sich mit der Aufrichtung der formalen staatlichen deutschen Kolonialherrschaft erstmals die Möglichkeit, dass strafrechtliche Materien aus kolonialen Sachverhalten oder strafbewehrten kolonialen Normen vor Gerichten in Deutschland und schließlich vor dem Reichsgericht ausgetragen wurden. Tatsächlich war die koloniale ›Normenproduktion‹ in Berlin und in den deutschen Kolonialhauptstädten bis zum Ersten Weltkriegs enorm angeschwollen. In der Forschung ist von der »Unübersichtlichkeit der deutschen Kolonialgesetzgebung« die Rede. Es dauerte Jahre, bis eine mehr oder weniger einheitliche Veröffentlichungspraxis die tausenden von kolonialen Normen einer (juristischen) Öffentlichkeiten zugänglich machte. »Das von der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts bzw. vom Reichskolonialamt herausgegebene ›Deutsche Kolonialblatt‹, das als gemeinsames Amtsblatt für die deutschen Kolonien in Afrika und in der Südsee diente, umfasste von 1890 bis 1922 […] 32 Bände mit insgesamt etwa 22000 Seiten.«97

Die in der deutschen Rechtsprechung zu den Kolonien relevantesten ›Spezialgesetze‹ waren naheliegender Weise das Schutzgebiets- und das Konsulargerichtsbarkeitsgesetz. Aber auch das Schutztruppengesetz von 1896 oder das Kolonialbeamtengesetz von 1910 (RGBl. 881) sowie deren Sekundärnormen gaben Fragen auf, die bis hin zum Reichsgericht zu klären waren. Daneben stand aber auch immer wieder in Frage, inwieweit allgemeine reichsrechtliche Regelungen in den Kolonien anwendbar seien. Eine archivalische Untersuchung zu den nichtveröffentlichten RGSt-Fällen, soweit sie nach mehr als hundert Jahren überhaupt noch möglich ist, steht noch aus.98 Daher sollen im Folgenden die erwähnten vier abgedruckten Entscheidungen analysiert und kontextualisiert werden.

Auffällig ist zunächst, dass in drei von vier Fällen die Anklagebehörde im weitesten Sinne auf die Wahrung des Rufs der Kolonialverwaltung zielte. In der ersten Strafrechts-Entscheidung mit kolonialen Bezügen hatte sich der II. Strafsenat 1902 mit der Anwendbarkeit des § 196 RStGB99 auf koloniale Verhältnisse beschäftigen müssen. In einer Beleidigungsklage gegen den sozialdemokratischen Vorwärts wegen zweier kritischer Artikel100 über das Verhalten des »deutschen ostasiatischen Expeditionsheers« (11.01.1901) in China (es war darin von den deutschen Soldaten als »Kannibalen und Hunnen« die Rede) stand nicht infrage, ob dieses Expeditionsheer eine »bewaffnete Macht« im Sinne des § 196 sei. Vielmehr zweifelte die Verteidigung die »amtliche« Vorgesetztenstellung des preußischen Kriegsministers zum Expeditionsheer an.101 Nur aus dieser heraus war er gemäß § 196 RStGB berechtigt, den Strafantrag zu stellen (RGSt 35, 227 [1902]). Hatte die Verteidigung ausgeführt, es fehle an einem Vorgesetztenverhältnis zum Expeditionskorps, weil dessen »Bildung […] von vornherein der gesetzlichen Grundlage entbehrt habe«, so erwiderte das Reichsgericht mit einer minutiösen Auflistung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über den Krieg in China: Gesetz über den Nachtragshaushalt (1901), Kaiserliche Ordre, |»Kabinetsordre«. Aus diesen Normen schloss der II. Strafsenat auf die »Verpflichtung zur Fürsorge für die Erhaltung des Expeditionskorps«, welche wiederum »untrennbar« von der Verpflichtung sei, »gegen Mißstände einzuschreiten, welche in dem Verhalten der Truppen im Auslande zu Tage treten.« (RGSt 35, 227, 230) Zuletzt verwiesen die Reichsgerichtsräte auf die Reichstagssitzungen selbst, in denen der Kriegsminister »kriegsgerichtliches Einschreiten« in Aussicht stellte. War er aber dazu berechtigt (was in dieser Sitzung auch »von sozialdemokratischer Seite« im Reichstag, so der implizite Hinweis des Reichsgerichts, nicht in Abrede gestellt worden war102), so kam dem Minister »insoweit auch die Eigenschaft eines amtlichen Vorgesetzten im Sinne des § 196 StGB’s zu« (RGSt 35, 227, 231). Für die Verteidiger des Vorwärts zeigte sich einmal mehr: das Presserecht [des Kaiserreichs] in puncto Beleidigung war scharf, die Beweislast für Unschuld oder Wahrheit war den Redakteuren zugeschoben.«103 Staats- und kolonialrechtliche Erwägungen boten vor dieser Schärfe so wenig Schutz wie andere juristische Argumente. Gegen die (teils »vergeblich« versuchte) Skandalisierung deutscher Kolonialgewalt in der Presse, die seit den 1890er Jahren das Thema immer wieder aufgegriffen hatte,104 setzte die Reichsverwaltung das Strafrecht. Und dieses Strafrecht, so der Historiker Thomas Nipperdey, blieb »[a]n den Grenzen zum Politischen«.105

Auch die zweite Entscheidung erwuchs aus einer Reihe von Kolonialskandalen und erörterte im Kontext der umstrittenen Umwandlung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts in ein eigenständiges Reichskolonialamt (1906/07) die fraglich erscheinende Anwendbarkeit des § 353a RStGB auf einen in der Kolonialabteilung tätigen Beamten (RGSt 41, 4–13 [1907]). Im Abschnitt »Verbrechen und Vergehen im Amt« besagte der 1876 nachträglich eingefügte sogenannte Arnim-Paragraph:106

»Ein Beamter im Dienste des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reichs, welcher die Amtsverschwiegenheit dadurch verletzt, daß er ihm amtlich anvertraute oder zugängliche Schriftstücke oder eine ihm von seinem Vorgesetzten ertheilte Anweisung oder deren Inhalt Anderen widerrechtlich mittheilt, wird, sofern nicht nach anderen Bestimmungen eine schwerere Strafe verwirkt ist, mit Gefängniß oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark bestraft. Gleiche Strafe trifft einen mit einer auswärtigen Mission betrauten oder bei einer solchen beschäftigten Beamten, welcher den ihm durch seinen Vorgesetzten amtlich ertheilten Anweisungen vorsätzlich zuwiderhandelt, oder welcher in der Absicht, seinen Vorgesetzten in dessen amtlichen Handlungen irre zu leiten, demselben erdichtete oder entstellte Thatsachen berichtet.«

Der Angeklagte, ein »Geheimer Sekretariatsassistent« in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts, war 1907 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, weil er 1905 ihm anvertraute Schriftstücke widerrechtlich an den »Reichstagsabgeordneten und Schriftsteller M.E.« weitergegeben haben soll – hier gaben sich die Reichsgerichtsräte des II. Strafsenats offensichtlich keine Mühe zu verbergen, dass es sich um den späteren Reichsfinanzminister Matthias Erzberger handelte. Dieser hatte als Kolonialfachmann der Zentrumsfraktion wiederholt über die Korruption in den deutschen Kolonien publiziert.107 »M.E.« erhielt von dem Angeklagten unter anderem Unterlagen »über eine angebliche Etatsverletzung mit wortgetreuer Abschrift einer Verfügung des Oberkommandos der Schutztruppe«. Dessen Verteidigung, »jeder Staatsbürger« habe das Recht, Angelegenheiten, die »die Allgemeinheit beträfen, einem Volksvertreter mitzuteilen«, wollten die Reichsgerichtsräte nicht gelten lassen: »Die Pflicht zur gewissenhaften Amtsausübung verbietet, daß ein Bureaubeamter aus seiner amtlichen Kenntnis vermeintliche Etatsüberschreitungen oder die bei seiner Behörde angezeigten strafbaren Handlungen einem einzelnen Reichstagsabgeordneten mitteilt« (RGSt 41, 4, 12). Vor |allem aber verwarfen sie das eher formalistische, auf § 2, S. 2 RStGB108 aufbauende Argument der Verteidigung, der Beamte der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts könne nicht im Juni 1907 (also nach deren Umbildung in ein eigenständiges Reichskolonialamt im Mai 1907) für ein Verbrechen nach § 353a RStGB verurteilt werden, da er seinen Dienst nicht länger im Auswärtigen Amt versehen würde – aus dem er freilich schon 1906 entlassen worden war. Nach Ansicht des Reichsgerichts trat »keine Straffreiheit ein, wenn ein Beamter bestimmter Gattung, der eine strafbare Handlung verübt hat« in einen anderen »Zweig des Dienstes« der Reichsverwaltung übernommen oder in den Ruhestand versetzt würde (RGSt 41, 4, 6).

Auch wenn das Namenskürzel »M.E.« für Zeitgenossen leicht aufzulösen war, versuchten die Reichsgerichtsräte, die offenkundige politische Brisanz dieses Falls weitgehend zu dekontextualisieren; kündete der Sachverhalt doch nicht zuletzt vom unbedingten Willen eines engagierten Parlamentariers, die Machenschaften innerhalb der Kolonialverwaltung zu kontrollieren, indem er versuchte, diese publik zu machen. Es war Erzberger, der mit der Skandalisierung der Gewalt in den Kolonien und der Verschwendung öffentlicher Gelder 1906 im Reichstag und in der breiteren Öffentlichkeit die politische Meinungsbildung beeinflusste und damit in der entscheidenden Budgetsitzung die Einsetzung eines Reichskolonialamts sowie den Nachtragshaushalt für die Kriegsführung in DSWA verhindert hatte. Reichskanzler Bülow wusste sich daraufhin nicht anders als mit der vorzeitigen Auflösung des Parlaments und der Ansetzung von Neuwahlen im Januar 1907 zu helfen. Diese führten angesichts eines scharf polarisierenden, teils demagogischen Wahlkampfs – die sogenannten »Hottentottenwahlen« – zu einer bisher ungeahnten Zentralität der »Kolonialfrage« im Deutschen Kaiserreich.109

In Anbetracht dieser plötzlichen und von der Reichsleitung ungeliebten Politisierung und Skandalisierung der Kolonien110 wird man den Fall RGSt 41, 4 sowie das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Berlin I mit einigem Recht als ein juristisches Nachspiel der »Hottentottenwahlen« bezeichnen können (darauf verweist auch die Erwähnung des »Beweismittel[s]« »Die Zukunft, Jahrgang 1906 Nr. 46«; Maximilian Hardens Zeitschrift war wegen ihrer unablässigen Kritik an der Obrigkeit, insbesondere der Aufdeckung des »Eulenburg-Skandals« 1906, vielen höheren Beamten verhasst – ebenso wie der Herausgeber111). Es liegt daher nahe, in der Verurteilung eines kleinen Berliner Kolonialbeamten, dem indirekt vorgeworfen werden konnte, durch sein ›Material‹ zur Möglichkeit der parlamentarischen und publizistischen Skandalisierung beigetragen zu haben, die »auf der ausbildungsspezifischen Konditionierung der Justizbürokratie« beruhende »Klassenjustiz«112 des Deutschen Kaiserreichs am Werk zu sehen. An dem im Arkanbereich der Machtausübung tätigen Subalternen sollte ein Exempel statuiert werden, das dafür Sorge trug, dass 1) die Reihen innerhalb der Kolonialverwaltung geschlossen blieben; 2) ihr Ruf nicht weiter litt; 3) durch die Drohung mit Entlassung und Gefängnisstrafe die Geheimhaltungsvorschriften allen Kolonialbeamten in Erinnerung gerufen; und 4) keine Kritik mehr nach außen dringen würde. In dieser Entscheidung zeigte sich das Reichsgericht einmal mehr als »Vollstrecker von Herrschaftsinteressen, ja Herrschaftsinstrument«.113 Die Details einer solchen politischen Beeinflussbarkeit der wilhelminischen Justiz erfordern freilich weitere archivalische Erforschung.

Auch im dritten Fall, RGSt 44, 204, ging es der Anklagebehörde um die Wahrung des Rufs der Kolonialverwaltung und hier insbesondere der kolonialen Schutztruppen. Der I. Strafsenat verhandelte 1910 die Frage, ob die »Kaiserlichen Schutztruppen in den afrikanischen Schutzgebieten zur ›bewaffneten Macht‹ [im Sinne von § 196 RStGB]« gehören würden. Der Angeklagte war wegen »verleumderischer Beleidigung« (§ 187 RStGB) von Schutztruppenangehörigen in DSWA verurteilt worden. Der Staatssekretär des Reichskolonialamts hatte gemäß § 196 RStGB als »amtliche[r] Vorgesetzte[r]« dieser »bewaffneten Macht« |Strafantrag gestellt. Die Verteidigung argumentierte dagegen, dass Angehörige der Schutztruppen nicht unter die »Beamten oder die bewaffnete Macht« im Sinne des § 196 fallen würden. Das Reichsgericht zitierte zwar ein die »bewaffnete Macht« definierendes Bundesgesetz von 1867 (»Heer, Marine und Landsturm«). Doch wollte es sich auf eine allzu buchstabengetreue Auslegung nicht einlassen. »[D]enn nichts berechtigt zu der Unterstellung, daß das Strafgesetzbuch [1871] den Ausdruck ein für allemal unter Anlehnung an den ursprünglich [1867] bestehenden Zustand ausgelegt wissen will. Hierfür sind vielmehr […] die jeweiligen Verhältnisse maßgebend« (RGSt 44, 204, 205). Diese »Verhältnisse« aber hatten sich (auch juristisch) geändert, da zum Gebiet des Deutschen Reiches (Artikel 1 Reichsverfassung) die Schutzgebiete als »besondere Gebilde hinzugetreten sind«. Das Schutzgebietsgesetz (1886) und vor allem das Schutztruppengesetz (1896), das den Kaiser als »obersten Kriegsherrn« der Schutztruppen auswies, bewiesen »ohne weiteres, daß die Schutztruppen hinsichtlich ihrer öffentlichrechtlichen Natur mit der bewaffneten Macht des § 2 [Gesetz vom 09.11.1867], deren oberster Kriegsherr nach Art. 53 und 63 der Reichsverfassung ebenfalls der Kaiser ist, im wesentlichen auf die gleiche Stufe zu stellen sind.« Für einen Zweifel an der »militärischen Eigenschaft des Dienstes bei den Schutztruppen« bestand für die Reichsgerichtsräte kein Anlass; zumal, wie sie betonten, es in DSWA auch eine von den Schutztruppen getrennte »Landespolizei« gab.114 »Aus alledem ergibt sich der Nachweis dafür, daß gegenwärtig die bewaffnete Macht des Reichs nicht mehr wie ehemals nur in Reichsheer, Kaiserliche Marine und Landsturm sich scheidet, sondern daß als vierter wesentlicher Bestandteil die Kaiserlichen Schutztruppen in den Afrikanischen Schutzgebieten ergänzend und begrifflich gleichwertig dazugetreten sind« (RGSt 44, 204, 207). Die Anwendung des § 196 RStGB war daher begründet, und der deutsche »Obrigkeitsstaat« konnte gegen die »Beleidigung« seiner Soldaten vorgehen – welcher Truppengattung auch immer sie angehörten.115

Auch in der vierten und letzten hier zu erörternden Entscheidung stand die Anwendbarkeit deutscher Normen auf koloniale »Verhältnisse« im Vordergrund. Wiederholt kam es zu Streitigkeiten über die Geltung insbesondere solcher Bestimmungen, die älter als der deutsche Kolonialstaat waren und in denen daher die Anwendbarkeit in den Kolonien nicht geregelt war. So erklärte das Oberlandesgericht Hamburg noch 1907, die Schutzgebiete seien nicht »Deutsches Reich« i.S.d. § 23 ZPO (1879): »Der § 23 will nicht das Prozessieren im Auslande ersparen, sondern will die Rechtsverfolgung in Deutschland, namentlich den Zugriff auf dort befindliches Vermögen erleichtern.«116 Die endgültige Entscheidung über derartige Fragen oblag dem Reichsgericht. Dieses stellte zwar 1914 in einer zivilrechtlichen Entscheidung klar, es wäre – »seit […] die Reichsgewalt [in den Kolonien] organisiert« sei – »ungereimt, wenn reichsinländische Gerichte die Urteile der Schutzgebietsgerichte als ausländische Urteile behandeln (ZPO. § 328)« (RGZ 84, 259, 261). Doch wurde weiterhin von ›Fall zu Fall‹ entschieden. Der Gesetz- und Verordnungsgeber ging zur Vermeidung von Unklarheiten bei der Rechtsanwendung nach 1900 mehr und mehr dazu über, die Geltung einzelner Bestimmungen in den deutschen Kolonien explizit zu erwähnen.117 Die in der Entscheidung RGSt 44, 403 (1911) gegebenen Antworten auf die Frage, ob »die deutschen Schutzgebiete, besonders Deutsch-Südwestafrika, als Ausland anzusehen« seien, waren ein Beitrag des IV. Strafsenats zu der langanhaltenden juristischen Debatte um den möglichen »Auslands-«Charakter der deutschen Kolonien. Diese Frage war seit 1885 unzweifelhaft eine der »dogmatischen Hauptfragen des Kolonialstaatsrechts«.118 Die Aufnahme dieser Entscheidung in die Entscheidungssammlung gibt dabei einen Hinweis auf die Kriterien der Veröffentlichungspraxis der Reichsgerichtsräte: Veröffentlicht wurde vornehmlich zu solchen Streitfragen, denen (rechts-)politische und (rechts-)wissenschaftliche Relevanz zugebilligt wurde.

Dass ein strafrechtliches Verfahren zu den Grundlagen des deutschen Kolonialstaatsrechts zu|rückführte, war dabei kein Zufall. Die Frage, ob »die deutschen Schutzgebiete […] als Ausland anzusehen« seien, war angesichts einer langsam steigenden Zahl von (wehrpflichtigen) Deutschen, die sich dauerhaft oder für einen bestimmten Zeitraum in den deutschen Kolonien niederzulassen gedachten (1914 etwa 24000 deutsche Staatsangehörige, die überwiegende Mehrheit davon Männer119) von erheblicher praktischer Relevanz. Denn § 140 RStGB (1871) bestimmte:

»Wer dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte sich dadurch zu entziehen sucht, daß er ohne Erlaubniß entweder das Bundesgebiet verläßt oder nach erreichtem militairpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufhält, wird mit einer Geldstrafe von fünfzig bis zu Eintausend Thalern oder mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre bestraft.«

Im konkreten Fall hatte ein Graudenzer Leutnant z.S. 1909 das Bezirkskommando zwar gebeten, ihn auf zwei Jahre nach DSWA »zu beurlauben«, hatte aber die Antwort nicht abgewartet und war nach Swakopmund abgefahren. Der neue »Südwester« war daraufhin vom Landgericht Graudenz wegen »unerlaubter Auswanderung« im Sinne von § 140 I Nr. 2 RStGB für schuldig befunden worden. Das Reichsgericht folgte – unter Verweis auf eine beträchtliche Literaturliste zum Kolonialstaatsrecht – dieser Interpretation des § 140 RStGB nicht. Der IV. Strafsenat stellte klar, dass die Schutzgebiete (obgleich in der Definition des »Bundesgebieths« gemäß Artikel 1 der Verfassung nicht enthalten) kein Ausland seien, sondern »der vollen Staatsgewalt des Deutschen Reichs unterstehen. Diese Voraussetzung ist, wenn nicht für alle Schutzgebiete, so doch unzweifelhaft für Südwestafrika gegeben« (RGSt 44, 403, 405). Auch wiesen die Richter daraufhin, dass gemäß § 3 SchGG i.V.m. § 19 Nr.2 KGG »das RStGB in den deutschen Schutzgebieten« gelte und daher der Auslandsbegriff des § 8 RStGB nicht greifen würde. War doch auch durch diese Einführung des RStGB in den Schutzgebieten »festgestellt, daß die von Deutschen usw. in den Schutzgebieten begangenen strafbaren Handlungen als im Inlande verübt anzusehen sind« (RGSt 44, 403, 407). Nach Verweisen auf das Staatsangehörigkeitsrecht bezogen sich die Reichsgerichtsräte zuletzt auf eine spezielle Kaiserliche Verordnung vom 05.12.1902 »betreffend die Erfüllung der Dienstpflicht bei der Kaiserlichen Schutztruppe für DSWA«, die in § 8 nicht vom »Auswandern«, sondern vom »›Verziehen‹ nach Südwestafrika gesprochen« habe. Daher sei bei beurlaubten Offizieren, die in DSWA ihren dauernden Aufenthalt in DSWA zu nehmen beabsichtigten, die Anwendung des § 140 RStGB »nicht tunlich« (RGSt 44, 403, 408).120

Das Reichgericht zeigte sich in dieser Entscheidung als ebenso kolonialfreundlich wie alltagspraktisch orientiert. War es doch seit den 1870er Jahren ein wesentliches kolonialpolitisches Ziel gewesen, die Auswandererströme in die eigenen Kolonien umlenken zu können und die Deutschen so dem deutschen Staat und ›Volkskörper‹ zu erhalten. Dazu aber passten Verurteilungen auf Grund von § 140 RStGB nicht; war doch die Kolonialverwaltung an der Stärkung der ›Wehrkraft‹ in den Kolonien unmittelbar interessiert. Dass Richter an den Landgerichten auch im dritten Jahrzehnt der deutschen Kolonialherrschaft noch davon ausgingen, die »Schutzgebiete« seien eher Ausland als Inland und – mangels Kenntnis der einschlägigen Normen – annahmen, Soldaten könnten dort ihren Wehrpflichten (etwa als Reservist oder Einjährig-Freiwilliger) nicht nachkommen, zeigt zugleich, dass »die Kolonien« nicht nur noch immer nicht die Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hatten, die Kolonialenthusiasten sich für sie erwünschten, sondern auch, dass sie nach wie vor als etwas »Exotisches« im Verfassungs- und Rechtsgefüge des Deutschen Reiches galten.121

Schluss: Reformen kolonialer Gerichtsbarkeit zwischen Konsularrecht und Reichsverfassung

Es gehörte zu den schon zeitgenössisch bedauerten juristischen Allgemeinplätzen, dass die koloniale Gerichtsbarkeit des Deutschen Reichs – so wie das ganze Kolonialrecht –, sich nicht vom deutschen Konsularrecht emanzipiert habe. Durch das Schutzgebietsgesetz waren 1886 rechtliche |Voraussetzungen für eine koloniale Herrschaftsausübung geschaffen worden, die gleichermaßen eine (eingeschränkte) Anwendung deutschen Rechts auf bestimmte privilegierte Personengruppen gewährleistete, als auch die gewünschte Differenzierung von Kolonisierten und Europäern ermöglichte. Der Weg, auf dem diese »duale Rechtsordnung«, die koloniale Unterscheidung zwischen deutscher Rechts-›Normalität‹ und Abgrenzung in der Rechtsanwendung umgesetzt wurde, ist freilich stets strittig geblieben. Schon kurze Zeit nach seiner Veröffentlichung urteilte A. Pann über das SchGG, es hinterlasse »spinose Rechtsverhältnisse.«122 Vor allem die Anwendung des personalen Konsularrechts auf die Territorialherrschaft in den Kolonien erschien den Zeitgenossen als ein zu kritisierendes Paradoxon. So ergab es sich für den Staatsrechtler K. v. Stengel noch 1886 von selbst, dass das KGG »für die Schutzgebiete nicht ausreichen kann.«123 Auch wenn 1886 die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten denen des Konsularrechts ähnlich waren, da nur wenige Europäer der deutschen Gerichtsbarkeit unterlagen und den zu Kolonisierenden (wobei Bismarck es damals abgelehnt hatte, Afrikaner oder Bewohner der Südsee zu kolonisieren) die eigenen Richter belassen werden sollten, so musste mit fortschreitender »Entwicklung der Gerichtsbarkeit« und dem Ausbau der Kolonialverwaltung diese Ähnlichkeit verschwinden. Die Trennung der »mutterländischen« und kolonialen Instanzenzüge in zwei mehr oder weniger unverbundene ›Gerichtskreise‹ war auf eine Verknappung individueller Rechte (im Vergleich zur Verfassungssituation in Deutschland) bei gleichzeitiger Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung ausgerichtet. So konstatierte der nationalliberale Reichstagsabgeordnete und Jenenser Staatsrechtler Georg Meyer – in den 1880er Jahren eine interfraktionell unbestrittene Kapazität auf dem Gebiet des Kolonialrechts – über die Reformvorschläge der Reichsleitung zum Schutzgebietsgesetzes 1888, dass diese zwar »die wesentlichen Grundlagen [des SchG-]Gesetzes unberührt« ließen. Doch konnte Meyer angesichts der verringerten Anforderungen an die Zusammensetzung der Kolonialgerichte und der nicht mehr obligatorischen Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht umhin, festzustellen, »daß in diesen Bestimmungen eine gewisse Minderung des Rechtsschutzes [für Deutsche] enthalten ist« – was er allerdings angesichts der Notwendigkeit einer »raschen und prompten Justiz« für nachvollziehbar und entschuldbar hielt.124 Dass derartige regierungsseitige Zielstellungen für das deutsche Kolonialrecht dabei von Anfang an nie alternativlos waren, zeigte der Änderungs-»Antrag Rintelen« 1888, der eine Berufung gegen kolonialgerichtliche Entscheidungen an das Reichsgericht ermöglichen wollte.

Zwölf Jahre später klagte der freisinnige Abgeordnete K. Schrader während der Reichstagsdebatte 1900 zur abermaligen Reform des SchGG, wieder hätte die Reichsleitung die Möglichkeit vertan, aus dem »nothwendigen Notbehelf« des KGG herauszukommen. Dieser sei doch ein »ziemlich ungeschickter«.125 Das Konsularrecht wurde als eine »Krücke«126 des Kolonialrechts empfunden und die »Emanzipation« des Kolonialrechts gefordert. Zumal auch die Novellierung von 1900 keine grundsätzliche Änderung ergeben hatte und stattdessen »diese Abhängigkeit [vom Konsularrecht] […] in so bedeutendem Maße bestehen«127 ließ. Der Deutsche Kolonialkongreß forderte daher 1902 für die Kolonialgerichte, die »Abhängigkeit von der Konsulargerichtsbarkeit«128 aufzuheben. Im Reichstag hielt es Matthias Erzberger 1906 »für eine der wichtigsten Aufgaben unserer deutschen Kolonialpolitik, daß wir aus dem Konsularrecht herauskommen und, soweit es möglich ist, dazu übergehen, ein eigentliches selbständiges Kolonialrecht zu schaffen.« Er konnte sich dabei auch auf die Kaiserliche Marineverwaltung berufen, deren Denkschrift über das Pachtgebiet Kiautschou er mit den Worten zitierte: »Das Ziel der Entwick|lung muss […] in der Loslösung von dieser Abhängigkeit und in der Schaffung eines selbständigen, den besonderen Bedürfnissen der Schutzgebietsentwicklung sich anpassenden Kolonialrechts erblickt werden.«129

Andere beschrieben die Bezugnahme des SchGG auf das KGG eher als einen Akt der »Bequemlichkeit«.130 Dies aber kann bezweifelt werden, da die durch das Konsularrecht ermöglichte personale Differenzierung aus Sicht des Gesetzgebers in den Schutzgebieten gerade ihre Fortsetzung finden musste – ging es doch zunächst darum, den Reichsangehörigen und ihnen gleichgestellten Personen den selben (gerichtlichen) Schutz in den Schutzgebieten angedeihen zu lassen, wie er staatsrechtlich bereits in ausländischen Staaten gewährleistet wurde.131 Dass auf Grund der bewussten Parallele zwischen beiden Rechtsgebieten andererseits ein Widerspruch zur Geltung der unmittelbaren Reichsgewalt in den Schutzgebieten und damit dauerhaft eine widersprüchliche Rechtsanwendung innerhalb der Schutzgebiete entstand, wurde vom Gesetzgeber hingenommen.

In der Forschung wird dies als die »Zwitternatur«132 des SchGG beschrieben: Zum einen erstrebte das Deutsche Reich, in den Schutzgebieten über die territoriale Souveränität zu verfügen – was erst nach Jahrzehnten durch die Führung mehrerer Kriege notdürftig gelang, wie selbst das offiziöse Kolonial-Lexikon einräumte: könne »man [in DSWA doch] erst seit 1907 von einer wirklichen Herrschaft Deutschlands […] sprechen«.133 Noch 1911 hinterfragte das Reichsgericht, inwieweit »sie [die Schutzgebiete] der vollen Staatsgewalt des Deutschen Reiches unterstehen« und räumte ein, dass »[d]iese Voraussetzung […] nicht für alle Schutzgebiete […] gegeben« sei (RGSt 44, 403, 405). Eine solche Souveränitätsausübung kam etwa in der Kaiserlichen Beamtenernennung gem. Art. 18 Reichsverfassung zum Ausdruck oder dem Einsetzen Kaiserlicher Gerichte. Zum anderen fand das Recht in den Schutzgebieten nach personalen Gesichtspunkten Anwendung, abhängig davon, ob der oder die Betreffende der Personengruppe gem. § 1 I KGG zugehörte oder nicht. Durch die personenbezogenen Bestimmungen insbesondere zur kolonialen Gerichtsbarkeit (§§2, 3 SchGG) konnte trotz des deutschen Anspruchs auf territorialen Charakter der Schutzgewalt im Vergleich zum »Mutterland« koloniales Sonderrecht geschaffen werden.

Der Preis dafür war eine »starke Unübersichtlichkeit«134 des ganzen Kolonialrechts – so unübersichtlich war die Situation, dass noch 1910 ein Leutnant z.S. fälschlich wegen »unerlaubter Auswanderung« verurteilt wurde, weil er nach DSWA »verzogen« war. Die Einführung von Reichsgesetzen musste jeweils einzeln geregelt werden. Auch das Reichsgericht in Leipzig wurde immer wieder vor die Frage gestellt, ob dieses oder jenes Reichsgesetz nun ›tatsächlich‹ auch für die Kolonien anwendbar sei oder nicht. Die Reichsverfassung und die im »Bundesgebieth« geltenden Individualrechte des öffentlichen Rechts galten in den Schutzgebieten nie, waren sie doch im KGG nicht aufgeführt: Die Ausübung der Presse-, Vereins-, Versammlungs- und Gewerbefreiheit konnte generell von polizeilicher Erlaubnis abhängig gemacht und vor der kolonialen Gerichtsbarkeit auch nicht eingeklagt werden.135 Die bestehenden Differenzen für deutsche Staatsangehörige waren auch noch kurz vor Ende der deutschen Kolonialherrschaft so unübersehbar, dass ein Jurist des Hamburger Kolonialinstituts »das Verhältnis des [deutschen] Rechts zu den anders gearteten wirtschaftlichen und kulturellen Rechtsbedürfnissen der Schutzgebiete« salomonisch mit den Worten kommentierte, dieses »gesetzgeberische Problem ist großenteils noch im Fluß« – unverkennbar bezog sich diese Einschätzung auch auf die anhaltende Debatte um das Reichskolonialgericht beziehungsweise die Einrichtung eines »Kolonialsenats« am Reichsgericht.

Doch rührte sie gleichzeitig tiefer. Die Frage nach der Anwendbarkeit reichsrechtlicher Normen auf die kolonialen Sonderrechtszonen konnte zumindest die liberal gesonnenen unter den deutschen Juristen nicht unberührt lassen. Eine zukünftige Angleichung an die »heimische Rechtsanschauung in der Verwaltung und der Rechts|pflege«136 blieb eine dominante Perspektive – immerhin fehlte eine koloniale Verwaltungsgerichtsbarkeit noch völlig, obwohl (oder gerade: weil) die Staatsverwaltung das Leben in der Kolonie viel stärker dirigieren konnte als im »Mutterland«. Die von Verwaltungsmaßnahmen in den Kolonien Betroffenen sahen sich damit der Situation ausgesetzt, wie der Berliner Rechtsanwalt Georg Wunderlich zuspitzte, dass »in den Schutzgebieten […] kein Rechtsschutz der Staatsbürger durch Verwaltungsgerichte gegen die Anordnungen der Obrigkeit gegeben«137 war.

Änderungen an dieser wenig überzeugenden Rechtssituation und also am Schutzgebietsgesetz wurden in Deutschland bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges gefordert und diskutiert. Nach 1910 schien des öfteren »eine Kolonialrechtsreform [bevor zu] stehen«. Die »Schaffung eines neuen kolonialen Grundgesetzes: einer Kolonialverfassung«138 stand dabei stets im Mittelpunkt der Debatte. Doch es blieb dabei, dass die »Kaiserdiktatur« des obersten kolonialen Gerichtsherrn aus § 1 SchGG weiterhin so wenig wie möglich eingeschränkt wurde. Die frühen Bemühungen im Reichstag 1886 und 1888, die Verordnungsgewalt des Kaisers zumindest durch das Konsularrecht zu begrenzen, werden aus dieser Perspektive umso verständlicher.

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Notes

1 Vgl. das konkrete Beispiel von Aas/Sippel (1997); generell: van Laak (2003) 79; Schwarz (2002).

2 Vgl. z.B. die Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen (RGZ) 113, 78 [1926].

3 Cooper (2012) 91.

4 Vgl. Táíwò (2023).

5 Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt) 44, 204, 207; die zivilrechtliche Seite wird analysiert in: Zollmann (2016); einzelne Abschnitte dieses Artikels wurden überarbeitet in diesen Beitrag aufgenommen.

6 Vgl. nur Durand/Fabre (Hg.) (2006); Gérard-Loiseau/Renucci (2016); Benton/Ford (2013) 173.

7 Zantop (1997); Bade (1975).

8 Vgl. Penny/Bunzl (Hg.) (2003); aus einer breiteren historiographischen Perspektive Steinmetz (2006); Kamissek/Kreienbaum (2016).

9 Vgl. Skrivan (1995); Gründer (2004) 82.

10 Bothen c. Behn (1858), in: Sammlung der Erkenntnisse und Entscheidungsgründe des Ober-Appellations-Gerichts zu Lübeck in Hamburgischen Rechtssachen nebst Erkenntnissen der unteren Instanzen, Bd. 3 (1856–1860), Nr. 39, Hamburg 1864, 410–425.

11 Sloman c. Schnabelius (1865), in: Kierulff (1866) Nr. 50, 695–707.

12 Oestmann (2013) 226f.

13 Zit. in: Polgar (2007) 17; vgl. Oestmann (2013) 224.

14 Fischer (2010) 1079.

15 Zeitschrift für Ideengeschichte 15,1 (2021): »Kolonialwaren« (Einband).

16 Rischbieter (2011); vgl. für ein Schweizer Beispiel Dejung (2013).

17 Winkler (2001); Müssig (2013) 265.

18 Vgl. z.B. Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts (ROHGE) 3, 253 (1872); ROHGE 22, 45 (1878).

19 Rischbieter (2011) 61f., sowie das »Zusatzmaterial« (»Prosopografie Kaffeehandelsunternehmen in Hamburg«, 29–63) zum Buch unter www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/media/pdf/7d/e8/fd/978-3-412-20772-4_Bonus.pdf; Rischbieter (2014).

20 Vgl. z.B. ROHGE 6, 159 (1872); ROHGE 25, 368 (1880).

21 Statt vieler: Armitage (2004) 602; vgl. Kocka (2013).

22 Vgl. Lemercier/Sgard (2015) 14; Dezalay/Garth (2020); zu älteren Formen kolonialer Handelsschiedsgerichtsbarkeit vgl. Martineau (2018).

23 Vgl. Carter/Harlow (Hg.) (2003).

24 Stein (Hg.) (1910) 226 (Reichstagssitzung vom 05.12.1876).

25 Canis (2008) 115–122.

26 So aber jüngst Cross (2021).

27 Baumgart (2017) 45.

28 Bismarck in: Stenographische Berichte des Reichstags (SBRT) 5. Legislaturperiode, 4. Session, Bd. 2, 42 Sitzung vom 26.06.1884, 1062; vgl. Schildtknecht (2000) 58–62.

29 Stern (2011).

30 Rede Bismarcks am 23.06.1884 vor der Budgetkommission des Reichstags, zit. in Kohl (Hg.) (1970) 168.

31 Storr (2020) 82.

32 Vgl. Stengel (1886) 39; Kade (1939) 73.

33 Schwörbel (1906) 9.

34 Vgl. Kolisch (1896) iii.

35 So Steinmetz (2002) 135 (meine Übersetzung).

36 Vgl. noch immer Memmi (1980 [1957]).

37 Zit. in: Baumgart (2017) 45.

38 Begriff nach dem 3. »Verordnungsentwurf zur Unterstellung würdiger Eingeborener unter die Nichteingeborenengerichtsbarkeit und Personenstandsbeurkundung« (Juli 1913), zit. in: Essner (2005) 44.

39 Vgl. zum deutschen »Eingeborenen«-Strafrecht Steinkröger (2019); Zollmann (2010) 93–199.

40 Essner (2005) 28.

41 Schaper (2012) 319.

42 Michels (2009) 177.

43 Gerstmeyer (1920b) 699.

44 Meyer (1891) 405; vgl. Radlauer (1911) 9; Stengel (1889); Stengel (1901) 179, Fn. 2.

45 Grohmann (2001) 25 f., die Schreiben Krauls an Schelling (RJA), 11.06.1885 sowie Schellings an das AA vom 25.06.1885 zusammenfassend.

46 Schlumbohm (Hg.) (1970).

46 RGZ 20, 112 [1888]; vgl. Glassman (1995).

47 RGZ 22, 93–106.

49 Zit. in: Hiery (2017) 200, über den Jamaikaner James Gibbon, der auf einer Palauinsel als Regional-Vertreter der deutschen Kolonialverwaltung Dienst tat und Verhaftungen und Bestrafungen vornehmen konnte.

50 Vgl. Schaper (2012) 68–86.

51 Zit. in: Schaper (2012) 86.

52 Lepenies (1977) 52.

53 Zur »dualen Rechtsordnung« Sippel (1997).

54 Leutwein (1907) 243: »Das Gebiet, auf dem Zusammenstöße zwischen der weißen und der farbigen Rasse am ehesten zu erwarten waren, war naturgemäß dasjenige der Rechtspflege«; vgl. zur unklaren »Bestrafungsgewalt« Michels (2009) 107.

55 Schaper (2012) 319.

56 Gerstmeyer (1920b) 699f.

57 Sippel (2017) 209, 215f.

58 Hoffmann (1907) 106; vgl. Meyer (1888) 202; jedoch galten auch noch nach Einführung des BGB einige landesrechtliche Bestimmungen aus dem ALR. Dem preußischen Landesrecht waren auch nach 1900 vorbehalten gem. Art. 55 EG BGB: Jagdrecht, Fischereirecht, Wildschadenersatz, Waldschutzgesetz, Feld- und Forstpolizeigesetz, Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum u.a.; zum Ganzen vgl. Seelbach (1904) 22–26.

59 Vgl. Gerstmeyer (1920a) 507f.; Schultz-Ewerth/Adam (1929–30).

60 Trotha (1994) 15; vgl. Zollmann (2019b).

61 Grohmann (2001) 286 – »Antrag Rintelen 1888«, § 7.

62 Grohmann (2001) 67f., 215, Fn. 312.

63 Kaiserliche Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den deutschen Schutzgebieten vom 09.11.1900 (RGBl. 1005).

64 Meyer (1891) 406.

65 Meyer (1891) 504.

66 In Deutsch-Ostafrika etwa wurde die deutsche Gerichtsbarkeit recht rege in Anspruch genommen. Vor den in zwei Bezirksgerichte und ein Obergericht geteilten Instanzen waren 1892 170 Zivilverfahren anhängig, von denen 10 noch nicht erledigt wurden. Hinzu kamen 13 Strafsachen. Auffällig ist die genaue Auflistung der Rechtsstreitigkeiten wie Urkundenprozesse, Zwangsvollstreckungen, Mahn- oder Konkurssachen etc.: Bei dieser vom Handelsrecht geprägten Gliederung liegt der Schluss nahe, dass in DOA Handel und Wirtschaft an die Verwaltung, besonders aber an die Rechtsprechung quantitativ wie qualitativ andere Anforderungen stellten, als in DSWA zu Beginn der 1890er Jahre. In DOA musste auf die bereits bestehenden Handelsbräuche eingegangen werden; andererseits boten die Regelungen des »Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs« eine hinreichende Lösungskompetenz, die auch die arabischen und indischen Händler zu ›ihrem Recht‹ kommen ließ, da gemäß Kaiserlicher Verordnung auf das bestehende (vorkoloniale) Handelsgewohnheitsrecht in der Kolonie Rücksicht genommen werden konnte (vgl. Denkschrift über das ostafrikanische und das südwestafrikanische Schutzgebiet, in: Drucksachen des Reichstages, 9. L.P., II. Sess. 1893/94, Bd. I, Nr. 48, 18; zum Handelsgewohnheitsrecht vgl. Hoffmann [1907] 108).

67 Kundrus (2003) 43–137.

68 Külz (1909) 193; zum Alltag im Gericht vgl. die Schilderung des Soldaten Carow (1898) 52, der 1896 als Gerichtsschreiber abkommandiert war.

69 Denkschrift über die Entwickelung der Deutschen Schutzgebiete im Jahre (1897/98), in: Drucksachen des Reichstages, 10. L.P., I. Sess. 1898/1900, Bd. I, Nr. 50, S. 144; genaue Zahlen werden nicht mitgeteilt.

70 Zur Diskussion strafrechtlicher Bestimmungen der Reichsgesetze und ihrer kolonialen Anwendbarkeit: Kraus (1911) 19–47.

71 Meyer (1891) 513.

72 Abweichungen gab es im deutschen »Pachtgebiet« Kiautschou, China, vgl. Heger (2021) 59.

73 Hoffmann (1908) 43; Köbner (1903) 14.

74 Gerichtssitze in: - DOA: Daressalam, Tabora, Tanga, Moschi; - DSWA: Windhuk, Swakopmund, Keetmanshoop, Omaruru, Lüderitzbucht; - Kamerun: Duala, Kribi und Lomie, Buea (als Obergericht auch für Togo zuständig); - Togo: Lomé; - Samoa: Apia; - Karolinen und Marianen: Ponape, Jap, Saipan; - Deutsch-Neuguinea: Friedrich-Wilhelmshafen, Rabaul (als Obergericht auch für die Karolinen und Marianen zuständig).

75 Seelbach (1904) 48. Zu den Problemen, die sich aus der Novellierung des GVG 1905 für das koloniale Strafverfahren und die Zuständigkeit von Schöffengerichten ergaben, vgl. Bendix (1906).

76 Vgl. Köbner (1903) 21; Hoffmann (1908) 44; zum Gouverneur als Oberrichter: Doerr (1913) 21. Für die Verfahrenskosten galten dieselben Grundsätze »wie bei uns« (Doerr [1914] 130, dort auch zum Folgenden): Alle Endurteile mussten regeln, wer die Kosten zu tragen hatte (§ 308 II ZPO). Die Höhe der Gerichtsgebühren richtete sich nach dem Umfang der gerichtlichen Tätigkeit, dem Streitwert und der Instanz, wobei die Sätze des Gerichtskostengesetzes wie in § 73 I KGG durch Verordnung verdoppelt waren.

77 Vgl. Bommarius (2015).

78 Vgl. Lobe (1929) 64; Näheres zum Disziplinarrecht in den Kolonien König (1900/01) 74–78; König (1920), unter Verweis auf § 5 Ausführungsbestimmungen zum KolBG vom 08.06.1910 (RGBl. 1091).

79 Vgl. Seelbach (1904) 49.

80 Köbner (1903) 36.

81 Lobe (1914) Sp. 62 den Regierungsentwurf zitierend.

82 Essner (1992) 78; Grohmann (2001) 215–222; vgl. den Gesetzentwurf zur Errichtung eines Kolonialgerichtshofs, in: Drucksachen des Reichstages (1913), Nr. 1174; Königsberger (1914) Sp. 165.

83 Lobe (1914) Sp. 57, 59–61, 63; Perels (1910) 13; Fleischmann (1910) Sp. 567; Erörterung des Kolonialgerichtshofs im Reichstag, in: SBRT 12. L.P., 2. Sess., 72. Sitzung vom 25.04.1910, 2670–2679.

84 Kopp (1997) 78; Doerr (1914) 15 ging fest davon aus, dass der »Kolonialgerichtshof […] die wünschenswerte Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren finden [wird].«

85 Grohmann (2001) 3.

86 Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. General-Register zum 51.–60. Bd./61.–70. Bd., Leipzig 1906/1910, Stichworte z.B. auch »Schutzgebietsbeamter«, »Schutztruppe«; elektronische Datenbank »Die Entscheidungssammlungen der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (RGZ) und der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (RGSt)« (http://rgzrgst.staatsbibliothek-berlin.de/). Die folgenden Stichworte wurden eingegeben: »Kolonie; Kolonien; kolonial; Afrika; Deutsch-Südwestafrika; Windhuk; Schutzgebiet; Schutzgebietsdienst«. Ich danke Silvia Höhne und Rasmus von Schwerdtner für die erfolgreiche Suche.

87 Sippel (2017) 212.

88 Maßgeblich zu den »kolonialen Debatten« Kundrus (2003).

89 Vgl. Wehler (2006), der kritisiert, manche Historiker des deutschen Kolonialismus hätten ihren »sense of proportionality« verloren (168).

90 Lobe (1929) 53.

91 Henne (2001) 73, unter Verweis auf Schubert (Hg.) (1992) 51 (Geschäftsübersicht für das Reichsgericht 1883–1908).

92 Ostler (1995) 23.

93 Gesetz über den Erwerb und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit (01.06.1870): »§. 3 Durch die Geburt, auch wenn diese im Auslande erfolgt, erwerben eheliche Kinder eines Norddeutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters, uneheliche Kinder einer Norddeutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter.« Vgl. Gosewinkel (2016) 43, 321.

94 Vgl. Hartmann (2007).

95 Vgl. Zollmann (2019a).

96 Essner (2017) 28.

97 Sippel (2017) 209; vgl. Zorn (Hg.) (1913).

98 Vgl. den Aktenbestand im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde R 3002 (Reichsgericht), Prozessakten: Strafsenate 1906–1945.

99 § 196: »Wenn die Beleidigung gegen eine Behörde, einen Beamten, einen Religionsdiener oder ein Mitglied der bewaffneten Macht, während sie in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind, oder in Beziehung auf ihren Beruf, begangen ist, so haben außer den unmittelbar Betheiligten auch deren amtliche Vorgesetzte das Recht, den Strafantrag zu stellen.«

100 Zur presserechtlichen Situation im Kontext der Sozialistenverfolgung vgl. Wilke (2008) 252–260; Hartmann (2005) 90–180.

101 Zwar führte das Deutsche Reich den sogenannten »Boxerkrieg« 1901 in (und zum Teil gegen) einen souveränen Staat, China. Doch wird der deutsche Kriegseinsatz in Nordchina heute allgemein zur deutschen Kolonialgeschichte gezählt. Vgl. u.a. Conrad (2012) 50–52.

102 Vgl. Wielandt/Kascher (2002).

103 Nipperdey (1992) 185.

104 Bösch (2009) 145, Fn. 31: »Dabei stützte sich der Vorwärts nicht nur auf Soldatenberichte [aus China], sondern auch auf bürgerliche Journalisten wie den Kriegsberichterstatter des Berliner Lokal-Anzeigers, Missionare und Professoren«.

105 Nipperdey (1992) 185.

106 Ringwald (2010).

107 Vgl. z.B. Erzberger (1906); dazu Bösch (2013).

108 § 2 RStGB: »Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der begangenen Handlung bis zu deren Aburtheilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden.«

109 Zu M. Erzberger vgl. Reinhard (1978); Heyden (2007).

110 Rothfuss (2019).

111 Domeier (2010); Kohlrausch (2005).

112 Wehler (1994) 132.

113 Lamprecht (1979) 81.

114 Zur institutionellen Trennung von Polizei und Militär (Schutztruppe) in DSWA vgl. Zollmann (2010) 54–56.

115 Zum zeitgenössischen Gebrauch des Begriffs »Obrigkeitsstaat« durch Hugo Preuss und andere vgl. Retallack (2009) 124f.: »Vor 1918 benutzten Sozialisten und Linksliberale den Ausdruck als Sammelbegriff für alles, was ihnen am Kaiserreich mißfiel.«

116 Mittelstein (1908) 980 (Urt. ZS. V., Bf. V. 119/07 v. 27. Mai 1907).

117 Vgl. Zollmann (2016) 23 f. m.w.N.

118 Grohmann (2001) 91.

119 Sprigade/Moisel (Hg.) (1914) 12.

120 Vgl. dazu schon Zollmann (2016) 24.

121 Vgl. Grohmann (2001) 225: »Debatten in der Nische«.

122 Pann (1887) 4.

123 Stengel (1886) 37.

124 Georg Meyer/Jena in: SBRT 7. L.P., 2. Sess., 1887/88, Bd. 2, 29. Sitzung vom 04.02.1888, 701.

125 Alle Zitate in: SBRT 10. L.P., 1. Sess., 1898/1900, Bd. 7, 209. Sitzung vom 12.06.1900, 6006.

126 Seelbach (1904) 8; ebs. Köbner (1903) 37.

127 Sassen (1906) 620; ebs. Sieglin (1908) 7, der dennoch von einer »Emanzipationsbewegung« des Kolonialrechts sprach.

128 Resolution des Deutschen Kolonialkongresses in der rechtlichen Sektion; Anl. 3, in: Köbner (1903) 46.

129 SBRT 11. L.P., II. Sess., 1905/06, 70. Sitzung vom 19.03.1906, 2135.

130 Zorn (1903) 395.

131 Vgl. die Rede Meyers in: SBRT, 6. L.P., II. Sess., 1885/86, Bd. 1, Sitzung vom 20.01.1886, 660.

132 Huber (2000) 46.

133 Mayer-Gerhard (1920).

134 Sassen (1906) 620.

135 Vgl. Hoffmann (1911) 102; Huber (2000) 51.

136 Ritter (1912) 5.

137 Wunderlich (1913) 12.

138 Sassen (1911) 125.